OGH 2Ob254/12k

OGH2Ob254/12k4.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Sol, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Ruth L*****, vertreten durch Appiano & Kramer Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei DDr. Wolfgang P*****, vertreten durch Mag. Britta Schönhart, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 5.800 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 8. August 2012, GZ 35 R 125/12k-30, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 6. Februar 2012, GZ 52 C 1519/10h-24, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Das Teilurteil des Berufungsgerichts, das in seinem abweislichen Teil als unbekämpft unberührt bleibt, wird im Übrigen aufgehoben und die Rechtssache insoweit an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte zuletzt, den Beklagten schuldig zu erkennen,

1. die an der im Haus *****, im Dachbereich/Innenhof montierte SAT-Anlage für die namentlich aufgezählten Teilnehmer an dieser Gemeinschaftsanlage, darunter die Klägerin, hilfsweise nur für den Anschluss der Klägerin, dergestalt wiederherzustellen, dass diese von der im Alleineigentum des Beklagten stehenden und von diesem im benachbarten Dachbereich montierten SAT-Anlage abgeschlossen und an die ursprüngliche Anlage, wie sie in dem einen integrierenden Urteilsbestandteil bildenden Lichtbildkonvolut dargestellt ist, wiederangeschlossen und in Funktion gesetzt werde, sowie den Verteilerkasten wieder aufzusperren und dem Anlagenbetreuer - hilfsweise der Hausverwaltung - einen sperrenden Schlüssel zu übergeben; sowie

2. sich künftig jeglicher Manipulation an dieser Anlage durch Außerbetriebnahme, Abschließen von Anschlüssen und Umstecken an eine andere Anlage, sowie Schlosstausch und Versperren des Verteilerkastens oder vergleichbarer Handlungsweisen zu enthalten und dem bevollmächtigten Anlagenbetreuer ungehindert Zugang zur SAT-Anlage zu gewähren bzw es zu unterlassen, diesen Zutritt zu untersagen oder zu verhindern, hilfsweise zugunsten der Hausverwaltung.

Nach den vorinstanzlichen Feststellungen wurde am fraglichen Haus nach Beendigung des Ausbaus des Dachgeschosses 1991 eine große SAT-Sammelanlage für zwölf Anschlüsse in der Form hergestellt und von den Mietern selbst organisiert, dass sich interessierte Mieter gegen Kostenbeteiligung anschließen lassen konnten. Dieses Anbot wurde auch von der Klägerin und dem damaligen Mieter des Dachgeschosses wahrgenommen. Letzterer übertrug die Rechte am Anschluss für Top 65 im Jahr 1999 an Dr. Herta P***** (die Mutter des Beklagten), die diese Wohnung übernahm, und für die Wohnung Top 66 im Jahr 2002 an die den Mietvertrag übernehmende F***** Handelsgesellschaft mbH (deren Geschäftsführer der Beklagte ist).

Im Jahr 2007 wurde die Gemeinschafts-SAT-Anlage auf digitalen Empfang umgestellt und die neue digitale SAT-Empfangsanlage an den vorhandenen Verteilerkasten angeschlossen. Die Kosten wurden auf die an der Satellitenanlage beteiligten Mieter aufgeteilt. Die Wartung der Anlage erfolgte durch den ebenfalls beteiligten Hausbesorger.

Ab März 2010 kam es (wieder) zu Streitigkeiten über die SAT-Anlage, worauf der Beklagte einige Monate später bei der Hausverwaltung anrief und mitteilte, er habe bereits eine eigene Aufhängung, die er schon immer benützt habe. Die Angestellte der Hausverwaltung erklärte darauf, die Hausverwaltung sei für diese Anlage nicht zuständig und der Beklagte solle, wenn er die Aufhängung bereits seit langem benutze, dies einfach weiterhin tun. Dass dafür tatsächlich die bestehende Gemeinschaftsanlage abgesteckt würde, wusste die Mitarbeiterin der Hausverwaltung nicht. Dr. Herta P***** gab einem Techniker, der an einem anderen Objekt für sie Arbeiten durchgeführt hatte, die Telefonnummer des Beklagten, der den Techniker anwies, eine vom Beklagten beigestellte Satellitenschüssel zu montieren. Der Techniker brachte auf dem noch von der alten Gemeinschaftsanlage vorhandenen Satellitenmasten die neue Satellitenschüssel an. Nach Feststellung des Erstgerichts wies der Beklagte den Techniker an, die gemeinschaftliche Satellitenschüssel vom Verteilerkasten abzuhängen und die neu installierte zu verbinden, und erteilte den Auftrag, zumindest den Anschluss der Klägerin zwischen Verteilerkasten und Wohnung abzuschließen. Die diesbezügliche Beweisrüge des Beklagten wurde vom Berufungsgericht nicht erledigt.

Ob dieser Auftrag auch betreffend andere Anschlüsse erteilt wurde, konnte nicht festgestellt werden.

Auch zur Feststellung, dass der Wechsel der Satellitenschüssel Beeinträchtigungen der Empfangsqualität bei einigen Mietern und zumindest bei der Klägerin zunächst einen kompletten Empfangsausfall bewirkte, ist die Beweisrüge unerledigt.

Die Klägerin beauftragte den Hausbesorger die Situation im Verteilerkasten zu überprüfen. Dieser stellte fest, dass der Anschluss der Klägerin nicht ordnungsgemäß erfolgt war, und steckte das zu ihrer Wohnung führende Kabel wieder an den Multischalter an.

Um weitere Verändungen an der neuinstallierten Satellitenanlage zu verhindern, wurde der Techniker wieder bestellt, um über Auftrag von Dr. Herta P***** das ursprünglich vorhandene Zählerkastenschloss auszutauschen und durch ein Individualschloss zu ersetzen. Der Schlüssel zum neuen Individualschloss befindet sich mittlerweile bei Dr. Herta P*****. Ob auch der Beklagte über einen Schlüssel verfügt, konnte nicht festgestellt werden.

Der Beklagte untersagte dem Hausbesorger 2010 erneut den Zugriff zum Verteilerkasten (nachdem dies bereits 2007 zum ersten Mal erfolgt war).

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Unterlassung, dem Hausbesorger als bevollmächtigtem Anlagenbetreuer den ungehinderten Zutritt zur SAT-Anlage zu untersagen oder diesen Zutritt zu verhindern, und wies den Antrag, die ursprünglich bestehende SAT-Anlage für alle Teilnehmer wiederherzustellen und dem Anlagenbetreuer einen Schlüssel zum Verteilerkasten zu übergeben, um ungehinderten Zutritt zur SAT-Anlage zu gewähren, ab.

Es sei dem Beklagten nicht gestattet, dem Anlagenbetreuer als dinglich Berechtigtem den Zutritt zum Dach zu verbieten. In Bezug auf den abweislichen Teil der Entscheidung habe sich ergeben, dass nicht der Beklagte sondern Dr. Herta P***** Eigentümerin der neuen Satellitenanlage sei. Ein diesbezüglicher Auftrag an den Beklagten würde daher den Auftrag, einen Eingriff in das Eigentum der Dr. Herta P***** vorzunehmen, bedeuten, was nicht angeordnet werden könne. Aktive Gewährung des Zugangs an den Hausbesorger und Satellitenanlagenbetreuer könne aus demselben Grund nicht gefordert werden. Der Beklagte verfüge nach den Feststellungen nicht über einen Schlüssel zu den von der Hausverwaltung versperrten Fenstern zum Dach. Auch eine Verschaffung des Zugangs über die Wohnungen Top 65 und 66 könne dem Beklagten nicht aufgetragen werden, weil er nicht Mieter dieser Wohnungen sei. Auch habe nicht festgestellt werden können, dass der Beklagte einen Schlüssel zum versperrten Verteilerkasten habe, weshalb auch der Anspruch auf Ausfolgung eines Schlüssels abzuweisen gewesen sei.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Beklagten nicht Folge, jener der Klägerin dagegen teilweise und erkannte im Rahmen eines Teilurteils den Beklagten schuldig, es zu unterlassen, dem Anlagenbetreuer den ungehinderten Zutritt zur SAT-Anlage zu untersagen, und verpflichtete ihn, den früheren Anschluss dergestalt wiederherzustellen, dass die Verbindung zwischen dem Verteilerkasten und der zuletzt montierten Antenne getrennt und der Verteilerkasten wieder mit der davor bestehenden Parabolantenne verbunden werde.

Das Mehrbegehren auch die Anschlüsse der übrigen Teilnehmer wiederherzustellen in der Form, dass diese von der im Alleineigentum des Beklagten stehenden und von ihm im benachbarten Dachbereich montierten SAT-Antenne abgeschlossen und an die ursprüngliche Anlage wieder angeschlossen werden, sowie dem Anlagenbetreuer ungehinderten Zutritt zur SAT-Anlage zu gewähren, wurde abgewiesen.

Letztlich wurde das erstgerichtliche Urteil in Bezug auf die Abweisung des Begehrens auf Wiederaufsperrung des Verteilerkastens durch den Beklagten und Übergabe der Schlüssel aufgehoben und dem Erstgericht auch die Entscheidung über das Begehren, dass sich der Beklagte künftig jeglicher Manipulationen an dieser Anlage zu enthalten habe, aufgetragen.

Über den letzten Teil des Klagebegehrens habe das Erstgericht versehentlich nicht entschieden. Im Übrigen sei die Berufung des Beklagten insofern richtig, als eine Verhinderung des Zutritts zum Dach von der Klägerin gar nicht behauptet worden sei. Aus den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichts ergebe sich auch, dass der Zugriff zum Verteilerkasten unterbunden worden sei, nie aber jener zum Dach. Es sei daher der Spruch des stattgebenden Teils der erstgerichtlichen Entscheidung mit der entsprechenden Maßgabe zu bestätigen. Im Umfang des aufhebenden Teils der Entscheidung habe sich das Erstgericht mit einem Beweisergebnis nicht auseinandergesetzt, sodass eine Mangelhaftigkeit vorliege. Ausgehend von den Feststellungen, dass allein der Beklagte dem Techniker Anweisungen über die Aufstellung und den Anschluss der neuen Satellitenanlage gegeben habe, bestünde an seiner Passivlegitimation kein Zweifel. Mit der Wiederherstellung der früheren Situation würde der Beklagte nicht in die Rechtsposition Dris. Herta P***** eingreifen, sondern den Zustand vor dem eigenmächtigen und unberechtigten Eingriff in die Gemeinschaftsanlage wiederherstellen.

Die ordentliche Revision wurde über Antrag des Beklagten nachträglich zugelassen, weil sich das Berufungsgericht mit der in der Berufungsbeantwortung des Beklagten enthaltenen Beweisrüge nicht auseinandergesetzt habe und stattdessen diese Feststellungen als unbekämpft der Entscheidung zugrunde gelegt habe.

Rechtliche Beurteilung

Auf diesen Umstand stützt sich auch die Revision der beklagten Partei, die insofern zulässig und berechtigt ist.

1. Die behauptete Nichtigkeit liegt nicht vor. Wird einem Zeugen seine in einem Parallelverfahren getätigte Aussage wörtlich vorgelesen und erhebt er diese in einem bestimmten Umfang zu seiner Aussage im neuen Verfahren, um darauf aufbauend weiter einvernommen und befragt zu werden, liegt darin weder ein Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz noch gegen § 477 Abs 1 Z 2 ZPO iVm § 412 ZPO.

2. Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt ebenfalls nicht vor. Eine „unrichtige rechtliche Beurteilung in Form von Aktenwidrigkeit“ existiert nicht. Eine Aktenwidrigkeit liegt vielmehr nur vor, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden, wenn also der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolge dessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wird (RIS-Justiz RS0043347 [T1]). Wenn im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden konnte, ob der Beklagte über einen Schlüssel zum Verteilerkasten verfügt, er aber dennoch verpflichtet wurde, den vor der Montage der neuen Parabolantenne bestehenden Zustand wiederherzustellen, kann darin allenfalls eine unrichtige rechtliche Beurteilung gelegen sein, aber keine Aktenwidrigkeit.

3. In der Rechtsrüge meint der Beklagte, dass die Wiederherstellung des vorigen Zustands ohne Zugriff zum Verteilerkasten nicht möglich sei, gerade aber nicht festgestellt habe werden können, dass der Beklagte über einen Schlüssel zu diesem verfüge. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts führe daher zu einem unvertretbaren und nicht exekutierbaren Ergebnis.

3.1. Die Unmöglichkeit der Leistung liegt bei einer obligatorischen Verpflichtung zur Herausgabe einer Sache nicht schon im Nichtbesitz der Sache (RIS-Justiz RS0018446). Die bloße Behauptung, ein Dritter stimme nicht zu, reicht nicht aus, um die Unmöglichkeit einer Leistung darzutun (RIS-Justiz RS0034223).

Auch im vorliegenden Fall ist es daher nicht ausreichend, wenn sich der Beklagte darauf beruft, über den Schlüssel zum Verteilerkasten nicht (mehr?) zu verfügen. Unmöglichkeit der Leistung kann nicht angenommen werden, wenn der Beklagte nicht einmal behauptet, geschweige denn beweist, dass er alles unternommen hat, einen Dritten zu einer die Erfüllung ermöglichenden Handlung zu bewegen (RIS-Justiz RS0034223 [T1]).

Dass der Beklagte zur Erfüllung des ihm auferlegten Gebots der Mitwirkung eines Dritten bedarf, steht der Schaffung des diesbezüglichen Exekutionstitels nicht entgegen (vgl 6 Ob 307/00s). Besteht kein Grund zur Annahme, dass es dem Beklagten unmöglich wäre die Mitwirkung des Dritten an der geschuldeten Leistung zu erreichen, hindert auch eine mangelnde Vollstreckbarkeit des Begehrens gemäß § 354 Abs 1 EO ein stattgebendes Urteil nicht (RIS-Justiz RS0016423 [T2]).

Erst wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass die Leistung auch in Zukunft nicht mehr erbracht werden kann, kann der Gläubiger nicht auf dem Erfüllungsanspruch beharren (RIS-Justiz RS0016423), wobei es Sache des Beklagten ist die Unmöglichkeit dieser von ihm verlangten Leistung zu behaupten und zu beweisen (RIS-Justiz RS0034223). Ist die Erfüllung durch vom Schuldner zu vertretende Umstände unmöglich geworden, wandelt sich der Erfüllungsanspruch in einen Schadenersatzanspruch (RIS-Justiz RS0018446).

Die eingangs wiedergegebenen Ausführungen des Revisionswerbers in diesem Punkt sind daher nicht geeignet eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht darzulegen.

3.2. Nach der Judikatur darf bei der Prüfung der Wiederholungsgefahr nicht engherzig vorgegangen werden. Sie liegt schon im Fortbestehen eines Zustands, der keine Sicherungen gegen weitere Rechtsverletzungen bietet. Die Wiederholungsgefahr ist daher auch anzunehmen, wenn der mit der Unterlassungsklage Belangte sein Unrecht nicht einsieht (RIS-Justiz RS0010497).

4. Richtig ist allerdings - wie bereits das Berufungsgericht in seiner Zulassungsentscheidung dargelegt hat - dass das Berufungsgericht bei seiner rechtlichen Beurteilung von der Passivlegitimation des Beklagten ausging, ohne auf die zu diesem Thema in der Berufungsbeantwortung des Beklagten enthaltene Tatsachenrüge einzugehen.

Wird in der Berufungsbeantwortung aber eine Beweisrüge erhoben, mit welcher sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt hat, muss der betroffenen Partei das Recht eingeräumt werden, dies auch noch mit (außerordentlicher) Revision zu rügen (RIS-Justiz RS0041806). In Wahrnehmung dieses Umstands war daher das Teilurteil des Berufungsgerichts im angefochtenen Umfang aufzuheben und ihm die neuerliche Entscheidung unter Behandlung der vernachlässigten Tatsachenrüge aufzutragen.

5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 Satz 2 ZPO.

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