OGH 2Ob245/08f

OGH2Ob245/08f25.6.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Claus J*****, gegen die beklagte Partei Dobrila D*****, vertreten durch Dr. Theo Feitzinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 6.049,28 EUR sA, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 15. Juli 2008, GZ 35 R 258/08p-24, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 16. Mai 2008, GZ 32 C 258/07d-20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 556,99 EUR (darin 92,83 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger, ein Rechtsanwalt, begehrte mit der am 24. 8. 2004 beim Erstgericht zu AZ 15 C 2157/04i eingebrachten Klage von der auch nunmehr Beklagten die Zahlung von 4.672,85 EUR sA. Er brachte vor, die Beklagte habe ihn seit dem Jahr 1990 über ein Inkassounternehmen mit der Eintreibung aushaftender Forderungen betraut. Da die Beklagte die mit dem Inkassounternehmen getroffene Vereinbarung, angefallene Barauslagen umgehend zu ersetzen, nicht mehr eingehalten habe, sei er berechtigt, seine offenen Honoraransprüche in Rechnung zu stellen. In der Tagsatzung vom 6. 12. 2004 wandte die Beklagte ihre mangelnde Passivlegitimation ein. Auftraggeber sei die „D***** GmbH" gewesen. Daraufhin zog der Kläger mit einem am 11. 3. 2005 eingebrachten Schriftsatz die Klage unter Anspruchsverzicht zurück. Die Fassung eines Beschlusses, mit dem die Klagsrückziehung zur Kenntnis genommen wurde, unterblieb.

Mit der am 24. 3. 2005 beim Bezirksgericht für Handelssachen Wien zu AZ 9 C 482/05f eingebrachten Klage begehrte der Kläger den Betrag von 4.672,85 EUR sA mit identem Tatsachenvorbringen von der „D***** GmbH". In diesem weiteren Vorprozess erging am 10. 5. 2006 ein der Klage stattgebendes Urteil, welches unbekämpft in Rechtskraft erwuchs.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger von der Beklagten die Zahlung von 6.049,28 EUR sA mit der Begründung, die Beklagte sei Rechtsnachfolgerin der „D***** GmbH", welche ihm aus dem erwähnten Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien einschließlich der dort zugesprochenen Prozesskosten von 1.376,43 EUR den Klagsbetrag schulde. Aus dem Firmenbuch gehe hervor, dass mit Generalversammlungsbeschluss vom 25. 9. 1996 die Umwandlung der GmbH durch Übertragung des Unternehmens auf die Beklagte als Gesellschafterin beschlossen worden sei. Diese habe sodann das Unternehmen der aufgelösten und gelöschten Gesellschaft fortgeführt. Die Beklagte werde nunmehr nicht, wie im ersten Vorprozess, als Auftraggeberin, sondern aufgrund ihrer „Haftung nach § 25 HGB" in Anspruch genommen. Den Auftrag zur Einbringung der offenen Forderungen habe ihm die (nun mit ihrem richtigen Firmenwortlaut bezeichnete) D***** GmbH erteilt.

Die Beklagte wandte mit Hinweis auf die seinerzeitige Zurückziehung der Klage unter Anspruchsverzicht entschiedene Rechtssache ein. Das Erstgericht erklärte mit Beschluss vom 8. 8. 2007 das bisher durchgeführte Verfahren für nichtig und wies die Klage zurück. Das Vermögen der am 26. 9. 1996 im Firmenbuch gelöschten D***** GmbH sei gemäß § 1 UmwG einschließlich der Schulden im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Beklagte übergegangen. Der vom Kläger im nunmehrigen Verfahren geltend gemachte Anspruch sei mit dem ihm mit dem Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien zuerkannten Anspruch ident. Die Beklagte werde von der Rechtskraft der gegen ihre Rechtsvorgängerin ergangenen Entscheidung erfasst. Der nunmehrigen Klage stehe somit das Prozesshindernis der entschiedenen Sache entgegen.

Das Rekursgericht gab mit Beschluss vom 13. 11. 2007 dem Rekurs des Klägers Folge, verwarf die Einrede der entschiedenen Sache und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Das vor dem Bezirksgericht für Handelssachen Wien gegen die seit 1996 nicht mehr existente und daher nicht parteifähige GmbH erwirkte Urteil vermöge gegen die hier Beklagte keine Rechtswirkungen zu erzeugen. Diese Rekursentscheidung erwuchs in Rechtskraft.

Nach Durchführung einer Tagsatzung wies das Erstgericht die Klage unter gleichzeitiger Nichtigerklärung des bisherigen Verfahrens abermals zurück. In der Begründung stützte es sich diesmal auf die im ersten Vorprozess erklärte Zurückziehung der Klage unter Anspruchsverzicht. Hinsichtlich der Kapitalforderung liege Identität sowohl der Parteien als auch des rechtserzeugenden Sachverhalts vor. Auch der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der Kosten des zweiten Vorprozesses resultiere aus denselben anspruchsbegründenden Tatsachen. Hinsichtlich dieses Teilbegehrens liege überdies das Prozesshindernis der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs vor. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge, verwarf die Prozesseinrede der Klagsrückziehung unter Anspruchsverzicht und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme auch von diesem Zurückweisungsgrund auf. Es sprach ferner aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, der Kläger habe sein Klagebegehren darauf gestützt, dass die Beklagte Rechtsnachfolgerin der D***** GmbH sei, gegen die er im Verfahren vor dem Bezirksgericht für Handelssachen Wien einen Titel erwirkt habe. Somit liege den beiden Verfahren vor dem Erstgericht keineswegs dasselbe Tatsachenvorbringen zugrunde, sodass das Prozesshindernis der Klagsrücknahme unter Anspruchsverzicht nicht vorliege. Der Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der Frage existiere, ob das Vorbringen des Klägers zur Haftung der Beklagten gemäß § 25 HGB mit jenem aus dem ersten Vorprozess, wonach die Beklagte als Auftrags- und Vollmachtgeberin hafte, ident sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

1. Der Beschluss des Rekursgerichts, mit dem ein wegen des Vorliegens eines Prozesshindernisses ergangener Zurückweisungsbeschluss des Erstgerichts beseitigt wird, hat abändernden Charakter und ist nach § 528 ZPO anfechtbar (vgl RIS-Justiz RS0044033). Hat das Rekursgericht - wie im vorliegenden Fall - in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung eine Prozesseinrede verworfen und liegt kein anderer die Zulässigkeit eines Revisionsrekurses ausschließender Grund des § 528 ZPO vor, kann der Oberste Gerichtshof nach der jüngeren Rechtsprechung mehrerer Senate, der sich (in Abkehr von 2 Ob 258/06i; vgl hingegen 2 Ob 106/04h) auch der erkennende Senat anschließt, zur Überprüfung der rekursgerichtlichen Entscheidung mit Revisionsrekurs angefochten werden. In einem solchen Fall kommt nach dieser Rechtsprechung mangels vergleichbarer Ausgangssituation eine analoge Anwendung der Anfechtungsbeschränkungen des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO im Rekursverfahren nicht in Betracht (vgl 6 Ob 276/06s = SZ 2006/192; 9 Ob 25/07b; 1 Ob 189/07m; 10 Ob 11/08b; 8 ObA 33/08y mwN; RIS-Justiz RS0054895 [T13], RS0121604). Der Revisionsrekurs der Beklagten ist daher nicht absolut unzulässig; seine Zulässigkeit hängt vielmehr vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO ab.

2. Diese Voraussetzung ist hier aber nicht erfüllt. Weder der Begründung des zweitinstanzlichen Zulassungsausspruchs, noch dem Rechtsmittel der Beklagten lässt sich eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung entnehmen:

2.1 Vorauszuschicken ist, dass das Prozesshindernis der Rechtskraft der Entscheidung aus dem zweiten Vorprozess mit dem Beschluss des Rekursgerichts vom 13. 11. 2007 für den Obersten Gerichtshofs bindend verneint wurde (vgl 8 Ob 13/07f mwN; RIS-Justiz RS0035572). Überlegungen dazu sind im nunmehrigen Rechtsmittelverfahren daher nicht mehr anzustellen.

2.2 Die prozessuale Wirkung der Klagsrücknahme unter Anspruchsverzicht (§ 237 Abs 4 ZPO) besteht nach ständiger Rechtsprechung darin, dass derselbe Anspruch zwischen denselben Parteien bzw ihren Rechtsnachfolgern nicht neuerlich klageweise geltend gemacht werden kann, es sei denn, der unter Anspruchsverzicht zurückgenommene Klagsanspruch wird auf andere oder neu zu den ursprünglichen Tatsachen hinzutretende rechtserzeugende Tatsachen gestützt (7 Ob 93/02f; RIS-Justiz RS0039698). Darunter sind auch solche Tatsachen zu verstehen, die zwar schon vor der Klagsrücknahme eingetreten sind, aber in dem dadurch beendeten Rechtsstreit nicht vorgebracht worden waren (7 Ob 93/02f; RIS-Justiz RS0039776; vgl Lovrek in Fasching/Konecny2 III § 237 Rz 31). Die vom Rekursgericht aufgeworfene Frage, ob die in beiden Prozessen vorgetragenen rechtserzeugenden Tatsachen identisch sind, richtet sich nach den jeweiligen konkreten Formulierungen und entzieht sich daher einer allgemeinen Aussage des Obersten Gerichtshofs; sie begründet in der Regel keine Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO (vgl 4 Ob 516/94; 8 ObA 127/04s; RIS-Justiz RS0044453).

2.3 Das Rekursgericht hat sich in seiner Entscheidung auf die zitierte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gestützt. Seine Begründung, mit der es die Identität der im ersten Vorprozess und im vorliegenden Rechtsstreit vorgetragenen rechtserzeugenden Tatsachen verneinte, lässt (im Ergebnis) keine Fehlbeurteilung erkennen, die Anlass zu einem korrigierenden Eingriff des Obersten Gerichtshofs bieten könnte.

Schon durch die im vorliegenden Rechtsstreit aufgestellte Behauptung, nicht die Beklagte, sondern die später durch Umwandlung erloschene (§ 2 Abs 2 Z 2 UmwG) GmbH habe ihm den Auftrag zur Einbringung offener Forderungen erteilt, hat sich der Kläger von seinem Tatsachenvorbringen im ersten Vorprozess abgegrenzt. Dementsprechend werden die geltend gemachten Honoraransprüche nun auch nicht mehr auf eine von der Beklagten selbst begründeten, sondern - trotz des verfehlten Hinweises auf die nur Fälle der Einzelrechtsnachfolge betreffende, mittlerweile außer Kraft getretene Bestimmung des § 25 HGB (vgl nunmehr § 38 UGB) - erkennbar eine im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf sie übergegangene vertragliche Verbindlichkeit (vgl §§ 1 und 2 Abs 2 Z 1 UmwG) gestützt. Das Argument der Beklagten, die erst nach dem Erlöschen der GmbH (allenfalls) begründeten Forderungen hätten sich von vornherein nur gegen sie richten können, betrifft die Tatfrage und wird - entsprechendes erstinstanzliches Prozessvorbringen vorausgesetzt - bei der Sachentscheidung zu berücksichtigen sein.

2.4 Hinsichtlich des auf den Ersatz der rechtskräftig bestimmten Kosten des zweiten Vorprozesses gerichteten Teilbegehrens kann das Prozesshindernis der Zurücknahme der Klage unter Anspruchsverzicht schon deshalb nicht vorliegen, weil der Kläger diesen Anspruch gegen die Beklagte erstmals geltend macht. Ob und inwieweit die Beklagte für diese Kosten haftet, ist eine Frage des materiellen Rechts. Entgegen der - vom Rekursgericht nicht ausdrücklich geprüften - Ansicht des Erstgerichts liegt auch das gemäß § 230 Abs 3 ZPO grundsätzlich von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens aufzugreifende Prozesshindernis der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs (auf das sich die Beklagte weder in erster Instanz noch im Rechtsmittelverfahren berufen hat) nicht vor.

2.5 Da eine Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO somit nicht zu lösen war, ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

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