Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das klagsabweisende Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 28.508,32 (darin EUR 1.258,22 USt und EUR 20.959,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Seit 2001 hatte das Bundesministerium für Inneres die Absicht, einen „digitalen Bündelfunkdienst" für sämtliche Blaulichtorganisationen, insbesondere für Polizei und Gendarmerie, österreichweit zu errichten und zu betreiben; dieses Projekt lief unter der Bezeichnung „ADONIS".
Laut der Geschäftsordnung des Bundesministeriums für Inneres gehört zu den von diesem Ministerium zu besorgenden Geschäften auch die Verwaltung des Bundes als Träger von Privatrechten. Weiters ordnet die Geschäftsordnung an, dass der Bundesminister alle zum Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Inneres gehörenden Geschäfte auf die Organisationseinheiten aufteilt und mit deren Leitung geeignete Beamte betraut; in Zweifelsfällen hat die Zentralsektion im Namen des Bundesministeriums festzustellen, in welchen Geschäftsbereich eine bestimmte Angelegenheit fällt. Überträgt der Bundesminister einem Sektions-, Gruppen-, Abteilungs- oder Referatsleiter bestimmte Gruppen von Angelegenheiten zur selbständigen Behandlung, so gibt diese Übertragung die Befugnis und die Verpflichtung, alle in den betreffenden Geschäftsbereich gehörenden und für den geordneten Geschäftsgang erforderlichen Angelegenheiten im Rahmen der diesen Organisationseinheiten gesetzten Zielen eigeninitiativ und selbständig zu behandeln und erforderlichenfalls nach außen wirksame Entscheidungen und Verfügungen namens des Bundesministers für Inneres zu treffen; aus dem Bereich des Bundesministeriums für Inneres hinausgehende Angelegenheiten sind im Namen des Bundesministers zu erledigen und zu unterfertigen. Der Bundesminister kann die Ausübung von Befugnissen, die durch diese Geschäftsordnung oder durch gesonderte Verfügungen einzelnen Organisationseinheiten oder deren Leitern übertragen sind, jederzeit an sich ziehen. Die Übertragung bestimmter Gruppen von Angelegenheiten zur selbständigen Behandlung verfügt der Bundesminister mit Erlassung der Geschäftseinteilung.
Laut der Geschäftseinteilung des Bundesministeriums für Inneres vom 1. 7. 2002 gehört zu den Kompetenzen der Abteilung 6 der Sektion I die „zusammenfassende Behandlung des Beschaffungswesens des Innenressorts, insbesondere in rechtlicher Hinsicht; zentrale Regelung, Überwachung und Koordinierung der Beschaffung im Bereich des Innenressorts; Beschaffung für alle Dienststellen der Innenressorts sowie Vergabe von Leistungsaufträgen jeweils im Einvernehmen mit der zuständigen Abteilung des Bundesministeriums für Inneres auf Grund einer entsprechenden Bedarfsmeldung, sofern dadurch eine wirtschaftlichere Bedarfsdeckung zu erwarten und/oder ein komplexes Beschaffungs- und Vergabeverfahren einzuhalten ist; zusammenfassende Behandlung von Wirtschaftsangelegenheiten, soweit diese das Beschaffungswesen betreffen; inhaltliche Kontrolle der von anderen Dienststellen des Bundesministeriums für Inneres durchgeführten Beschaffungen." Der Kompetenzbereich der Abteilung 25 der Sektion II umfasst ua: „Planung und Koordinierung der Ausrüstung von Bundespolizei und Bundesgendarmerie nach Maßgabe der Bedarfsmeldungen der Gruppen II/A und II/B, insbesondere hinsichtlich des Kraftfahrzeug-, Waffen- und Schieß- und Fernmeldewesens jeweils in Abstimmung mit den Gruppen II/A und II/B; Marktforschung, Erprobung, Beschaffung - soweit nicht die Abteilung I/6 zuständig ist - und Zuweisung in diesen Bereichen; Planung und Koordinierung ... der Amtsausstattung von Bundespolizei und Bundesgendarmerie; allgemeine technische Angelegenheiten der umfassenden Landesverteidigung; technische Angelegenheiten des Bundes-Warn/Alarmringes, der Sirenensteuerung einschließlich Betreuung dieser Einrichtungen sowie der Fernmeldetechnik in den Sonderobjekten des BMI; technische Angelegenheiten des Staatsgrundnetzes; IT-Angelegenheiten der Sektion II im Rahmen der BIT der Sektion II."
Für das Projekt „ADONIS" beauftragte das Bundesministerium für Inneres ein externes Beratungsunternehmen, eine detaillierte technische Ausschreibung samt detaillierter Vertragsgestaltung zu erstellen, die Grundlage einer öffentlichen Ausschreibung sein sollte. Das Beratungsunternehmen entsprach diesem Auftrag; in den von ihm formulierten „Vertragsbedingungen" nahm es neben vielen anderen Klauseln auch eine Schiedsklausel auf, welche auszugsweise lautet:
„11.7. 2. Wenn der Einigungsversuch gescheitert ist, werden die Streitigkeiten nach der Schiedsgerichtsordnung für das ständige Schiedsgericht der Wiener Wirtschaftskammer unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges von drei gemäß dieser Ordnung ernannten Schiedsrichtern endgültig entschieden.
3. Der Ort des Schiedsverfahrens ist Wien. Die Regeln der Zivilprozessordnung kommen ergänzend zur Anwendung, soweit die Regeln der Schiedsgerichtsordnung für das ständige Schiedsgericht der Wiener Wirtschaftskammer keine Bestimmung enthalten. Die Verhandlungssprache ist deutsch.
4. Der Schiedsspruch ist schriftlich zu begründen. Das Schiedsgericht wird auch über die Kosten des Schiedsverfahrens entscheiden.
5. Auf die Anwendung des § 595 Abs 1 Z 7 der österreichischen Zivilprozessordnung wird verzichtet."
Die am 29. 10. 2001 fertigen Ausschreibungsunterlagen für dieses Projekt wurden von der Klägerin an geeignete Bieter wie auch an die Beklagte übersendet. Es kam mit drei in Frage kommenden Interessenten zu drei Verhandlungsrunden, an welchen neben Mitarbeitern des Beratungsunternehmens Beamte der Abteilung 25 der Sektion II des Bundesministeriums, nicht aber solche der Abteilung 6 der Sektion I teilnahmen. Die Schiedsklausel im Vertragsentwurf des Beratungsunternehmens fiel niemandem auf und wurde auch nicht diskutiert. Die Beklagte hatte mit den Ausschreibungsunterlagen auch die Schiedsklausel zur Kenntnis genommen. In die Vertragsbedingungen wurde zwar eine Loyalitätsklausel eingefügt, das änderte aber nur etwas an der Nummerierung des bereits wiedergegebenen Textes des Punktes 11.7. Schließlich wurden die Interessenten aufgefordert, ihr endgültiges jeweiliges Bestanbot bis spätestens 19. 3. 2002 zu legen, wobei Grundlage jeder Vertragsbeziehung der zuletzt ausformulierte Vertragstext laut Anhang A der Ausschreibung sein müsse. Die Beklagte erstattete daraufhin ihr firmenmäßig gezeichnetes Angebot vom 19. 3. 2002, wobei sie in dem einseitigen unterschriebenen Begleitschreiben erklärte, dass die in Formular 1 aufgeführten Unterlagen Bestandteile ihres Anbotes sind. Das ebenfalls einseitige Formular 1 war diesem Schreiben angeschlossen und listete in 10 Punkten die insgesamt 2073 Seiten starken Beilagen auf. Dazu gehörte unter Pkt 5 auch der 22 Seiten starke ausgefüllte Forderungskatalog. Auf dessen letzter Seite findet sich unter der laufenden Nummer 271 bis 275 zu Punkt 11.7. der Vertragsbedingungen Abs 1 bis 5 unter Nennung der Überschrift „Schiedsgericht" jeweils der Vermerk „akzeptiert". Die dem Angebot der Beklagten beigelegten Unterlagen waren alle nicht unterschrieben. Mit einem einseitigen Schreiben vom 5. 7. 2002 erklärte das Bundesministerium der Beklagten, dass es dem Angebot der Beklagten vom 19. 3. 2002 hiemit den Zuschlag erteile. Das Schreiben war für den Bundesminister vom Leiter der Sektion II unterschrieben worden. Die Abteilung 6 der Sektion I war über den jeweiligen Verhandlungsstand informiert worden, dieser Abteilung war das Schreiben vom 5. 7. 2002 noch vor Abfertigung zur Kenntnis gebracht worden. Auch dem Bundesminister wurde das Schreiben zur Kenntnis gebracht, er setzte seine Paraphe auf das entsprechende Formblatt.
In der Folge kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Streitteilen; die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 26. 6. 2003 ihren Rücktritt vom Vertrag und machte mit Schreiben vom 11. 8. 2004 an die Klägerin Schadenersatzansprüche in der Höhe von EUR 181.776.493,-- geltend. Die Klägerin hatte zu diesem Zeitpunkt bereits ihre Ansicht geäußert, eine Schiedsklausel sei nicht wirksam vereinbart worden, weshalb die Beklagte die Klägerin im Schreiben vom 11. 8. 2004 aufforderte, die Gültigkeit der Schiedsklausel schriftlich anzuerkennen. Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 23. 8. 2004, worin sie zur Zuständigkeit ausführte, erhebliche Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit der in den allgemeinen Vertragsbedingungen enthaltenen Schiedsklausel zu hegen. Sie lade die Beklagte ein, ein allfälliges Verfahren vor dem zuständigen ordentlichen Gericht zu führen, wobei sie sich in diesem Fall vorstellen könnte, auf die Erhebung des Einwandes der sachlichen Unzuständigkeit zu verzichten; der Vertreter der Beklagten wurde deshalb um eine Kontaktaufnahme ersucht. Die Beklagte brachte am 6. 9. 2004 eine Schiedsklage gegen die Klägerin beim ständigen Schiedsgericht der Wirtschaftskammer Wien ein. Eine Aufforderung der Beklagten vom 16. 11. 2004, eine Schiedsgerichtsvereinbarung zu unterfertigen, lehnte die Klägerin mit Schreiben an die Beklagte vom 23. 11. 2004 ab, wobei sie darauf hinwies, dass sie der Beklagten noch vor der Einleitung des Schiedsverfahrens angeboten habe, auf den Einwand der Unzuständigkeit zu verzichten, wenn die Beklagte das Verfahren vor den zuständigen ordentlichen Gerichten führt.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Feststellung, dass hinsichtlich allfälliger Streitigkeiten, die zwischen den Streitteilen im oder aus dem Zusammenhang mit dem durch das Zuschlagsschreiben vom 5. 7. 2002 zustandegekommenen Vertrag über die Bereitstellung eines digitalen Bündelfunkdienstes unter der Bezeichnung „ADONIS" entstehen, ein dem § 577 ZPO entsprechender Schiedsvertrag nicht vorhanden ist. Sie brachte vor, die Schiedsklausel in den Vertragsbedingungen sei von den Streitteilen nicht unterzeichnet worden, das Angebot der Klägerin habe auch keinen Hinweis auf diese Schiedsklausel enthalten, die zwingende Formvorschrift des § 577 Abs 3 ZPO sei damit nicht erfüllt, die Schiedsgerichtsvereinbarung sei nicht wirksam getroffen worden. Die Klägerin habe ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung, weil die Beklagte eine Klage vor dem Schiedsgericht angekündigt habe und die Klägerin dann allenfalls zu einer Aufhebungsklage nach § 595 Abs 1 Z 1 ZPO genötigt wäre. Zu berücksichtigen sei, dass der Vertrag selbst mehr als 3.000 Seiten umfasse; die Ausschreibung der Klägerin habe einen Umfang von ca 1.000 Seiten gehabt, das Angebot der Beklagten einen solchen von ca 2.000 Seiten, weshalb bei der Frage der Einhaltung des genannten Formerfordernisses ein strenger Maßstab anzulegen sei. Die Klägerin habe noch vor dem Einbringen der Klage vor dem Schiedsgericht durch die Beklagte auf ihre Bedenken hingewiesen und der Beklagten angeboten, das Verfahren vor den ordentlichen Gerichten zu führen und auf die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit zu verzichten. Die Klägerin schließe üblicherweise keine Verträge ab, die einer Schiedsklausel unterworfen seien. Die Vertragsbestimmungen seien von einem externen Unternehmen erarbeitet worden, die Klägerin habe die Schiedsklausel übersehen, die Klausel sei zwischen den Streitteilen auch nicht erörtert worden. Für den Abschluss des Vertrages wäre die Sektion I und nicht die Sektion II zuständig gewesen; gehe man von einer nachträglichen Genehmigung des Vertrages durch den zuständigen Bundesminister aus, dann ändere dies nichts daran, dass damit die Schriftform überhaupt nicht eingehalten sei. Im Übrigen habe der Leiter der Sektion II auch keine Spezialvollmacht für den Abschluss einer Schiedsvereinbarung gehabt.
Die Beklagte wendete ein, sie habe die Schiedsklage am 6. 9. 2004 eingebracht, diese sei der Klägerin am 13. 9. 2004 zugestellt worden. Die Schiedsklausel sei in den Anhang A der Ausschreibung der Klägerin aufgenommen gewesen. Die Beklagte habe in ihrem Angebot auf die Ausschreibung Bezug genommen und diese vollinhaltlich akzeptiert, damit sei die Schiedsklausel gültig vereinbart worden. Die Klägerin als Auftraggeberin sei nach der Angebotseröffnung an die Ausschreibungsbedingungen gebunden. § 577 Abs 3 ZPO sei daher hier gar nicht anwendbar. Im Übrigen sei das Vorgehen der Klägerin auch rechtsmissbräuchlich. Die Klägerin habe einen Vertrauenstatbestand geschaffen; wenn sie jetzt versuche, davon abzugehen, dann verstoße sie damit gegen die guten Sitten. Der Leiter der Sektion II sei organschaftlicher Vertreter des Bundesministeriums für Inneres, § 1008 ABGB komme daher überhaupt nicht zur Anwendung. Im Übrigen habe der Bundesminister den Vertrag in einer für den Vertragspartner erkennbaren Form durch seine Paraphe genehmigt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, die Schriftform der Schiedsklausel sei eingehalten, wenn der Geschäftsherr vor Beginn der Vertragsbeziehung durch die Übersendung des vorformulierten Vertragstextes klarstelle, dass er eben diesen Text inklusive der Klausel als Voraussetzung für einen Vertragsabschluss sehe. Der Leiter der Sektion II sei zumindest nach dem äußeren Anschein berechtigter Vertreter des Bundesministers gewesen. Eine Spezialvollmacht sei nicht erforderlich gewesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil im Sinne der Klagsstattgebung ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000,-- übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei, übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und führte zur Rechtsrüge im Wesentlichen Folgendes aus:
Nicht richtig sei die Argumentation der Klägerin, der Leiter der Sektion II sei gar nicht zuständig gewesen, den Zuschlag zu erteilen, weshalb schon deshalb keine schriftliche Schiedsvereinbarung vorliegen könne. Bei der Prüfung dieser Frage sei auf die Regelung des § 867 ABGB Bedacht zu nehmen, weil diese Bestimmung nicht nur auf Gemeinden, sondern auf alle Personen des öffentlichen Rechtes anzuwenden sei. Der Vertrag sei hier durch den zuständigen Bundesminister abgeschlossen worden. Die Geschäftseinteilung des Bundesministeriums sei nur eine interne Organisationsvorschrift, zumal der Bundesminister Geschäfte offenbar auch, von der Geschäftseinteilung abweichend, einem anderen Mitarbeiter bzw einer anderen Abteilung übertragen könne, was für den Vertragspartner jedenfalls nicht überprüfbar sei. Nicht innerhalb der eingeräumten Vertretungsmacht abgegebene Erklärungen von Organen des Bundes seien aber nur dann verbindlich, wenn der Umfang der Vertretungsmacht durch das Gesetz oder durch öffentlich bekannt gemachte Vorschriften kundgemacht sei, was gerade hier nicht der Fall sei. In jedem Fall läge zumindest eine Anscheinsvollmacht vor, weil sich der Bundesminister schon in den mit den Bietern geführten Verhandlungen durch Beamte der Abteilung 25 der Sektion II vertreten habe lassen und die vom Leiter der Sektion II in seinem Namen unterfertigte Zuschlagserteilung paraphiert habe. Im Übrigen wäre eine Voraussetzung der Unverbindlichkeit der Erklärungen von ihre eingeräumte Vertretungsmacht überschreitenden Organen des Bundes, dass die entsprechenden Anordnungen völlig eindeutig seien und keinen Zweifel am Umfang der eingeräumten Vertretungsmacht übrig ließen. Davon könne hier aber überhaupt keine Rede sein, sei für das Beschaffungswesen nach der Geschäftseinteilung des Bundesministeriums für Inneres doch sowohl die Sektion I als auch die Sektion II zuständig, wobei die Beschaffung im Bereich der Ausrüstung von Bundespolizei und Bundesgendarmerie insbesondere hinsichtlich des Fernmeldewesens der Sektion II obliege. Das Berufungsgericht schließe sich daher der auch von der Klägerin zu Beginn des Verfahrens vertretenen Meinung des Leiters der Sektion II an, dass die Sektion II für diese Angelegenheit zuständig gewesen sei; davon, dass die Ausschreibung dieses Auftrages und der Abschluss dieses Vertrages nach der Geschäftseinteilung des Bundesministeriums für Inneres völlig klar und eindeutig alleine zum Aufgabenbereich der Sektion I gehört habe, könne überhaupt keine Rede sein.
Die Berufung sei auch nicht im Recht, wenn sie meine, es habe Dissens vorgelegen. Schließlich stimmten die Willenserklärungen der Vertragspartner äußerlich überein und seien ausreichend bestimmt und verständlich, die Annahme habe daher dem Antrag entsprochen. Ein Dissens setze aber eine äußerliche Uneinigkeit der Parteien voraus, etwa wenn unter Heranziehung der Vertrauenstheorie wegen einer Mehrdeutigkeit des Vereinbarten der Antrag und die Annahme zwar übereinstimmten, diese Erklärungen von den Parteien aber berechtigterweise verschieden ausgelegt werden konnten und wurden, sodass sich Angebot und Annahme ungeachtet der äußerlichen Übereinstimmung der Parteien nicht deckten. Davon könne aber keine Rede sein, wenn die Klägerin von den Bietern verlange, die Angebote unter Zugrundelegung von ihr vorgelegten Vertragsbedingungen abzugeben, in welchen eine eindeutig und unmissverständlich formulierte Schiedsklausel enthalten sei, wenn die Beklagte diesen Anforderungen eindeutig und unmissverständlich entspreche und die Klägerin ihr daraufhin den Zuschlag erteile.
Auf die in der Berufung vertretene Ansicht, die Schiedsklausel sei schon deshalb nicht wirksam vereinbart worden, weil der Leiter der Sektion II dafür (unbestritten) keine Spezialvollmacht des Bundesministers für Inneres gehabt habe, und auf die dahinter stehende Frage, ob die Vorschrift des § 1008 ABGB auf eine Vertretung hier des Bundesministers für Inneres durch einen Beamten seines Ministeriums überhaupt anzuwenden sei, brauche nicht eingegangen zu werden, weil sich die Unwirksamkeit der Schiedsgerichtsvereinbarung schon aus der Nichteinhaltung der Schriftform ergebe.
Gemäß § 577 Abs 3 ZPO müsse ein Schiedsvertrag schriftlich errichtet werden oder in Telegrammen oder Fernschreiben enthalten sein, welche die Parteien gewechselt hätten. Schriftform bedeute, dass der schriftlich aufgesetzte Schiedsvertrag von beiden Parteien unterschrieben sein müsse (vgl § 866 ABGB). Ausreichend seien dabei beiderseitige schriftliche unterschriebene Erklärungen (etwa in Form eines Briefes und eines Gegenbriefes), wenn der Schiedsvertrag in diesen Schreiben jeweils enthalten sei.
Im konkreten Fall sei zu berücksichtigen, dass im unterschriebenen Begleitschreiben zwar auf die im Formular 1 angeführten Unterlagen hingewiesen werde, die Bestandteile des Angebotes der Beklagten seien, sich die Schiedsklausel im unterschriebenen Schreiben aber nicht finde. Auch in den Unterlagen sei der Text der Schiedsklausel nicht enthalten, es finde sich darin lediglich auf der letzten Seite des 22-seitigen Forderungskataloges der Vermerk, dass die Klausel Punkt 11.7., Schiedsgericht, in allen 5 Absätzen von der Beklagten akzeptiert werde. Auch in dem wirksam für den Bundesminister unterschriebenen Zuschlagsschreiben sei die Schiedsklausel selbst nicht enthalten. Damit sei dem Schriftformgebot des § 577 Abs 3 ZPO eindeutig nicht entsprochen, das Nichteinhalten dieser Formvorschrift führe zur Ungültigkeit des formwidrig Vereinbarten.
Schriftform bedeute, dass die Schiedsklausel schriftlich formuliert und von den Streitteilen unterschrieben sei, Zweck der Regelung des § 577 Abs 3 ZPO sei neben dem leichten Beweis der Vereinbarung auch der nachdrückliche Hinweis der Vertragspartner auf die mit der Vereinbarung verbundene Rechtsfolge. Die in § 577 Abs 3 ZPO angeordnete Schriftform könne leicht eingehalten werden und gewährleiste zumindest im Normalfall, dass den Vertragspartnern der Abschluss der von ihnen unterschriebenen (wenn auch in einem längeren Vertragswerk enthaltenen) Schiedsklausel auch bewusst werde.
Die Einwendung der Klägerin sei auch nicht rechtsmissbräuchlich.
Die Entscheidung des Berufungsgerichtes stehe im Widerspruch zu der in 1 Ob 79/99w geäußerten Ansicht des Obersten Gerichtshofes, dass es für die Erfüllung der Formvorschrift des § 577 Abs 3 ZPO ausreiche, wenn beiderseits schriftliche Erklärungen vorliegen, die eine Unterwerfung unter ein Schiedsgericht erkennen lassen; die ordentliche Revision sei daher gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig.
Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden; sie ist auch berechtigt.
Die Rechtsmittelwerberin macht zusammengefasst geltend, dem Schriftformgebot des § 577 Abs 3 ZPO sei - insbesondere auch im Hinblick auf die Praxis in Vergabeverfahren - entsprochen worden; das Verhalten der Klägerin, die Gültigkeit der von ihr selbst im Vertragstext vorgeschlagenen Schiedsklausel nachträglich zu bestreiten, sei rechtsmissbräuchlich; der Leiter der Sektion II sei für die Zuschlagserteilung zuständig gewesen und habe auch keine Spezialvollmacht gemäß § 1008 ABGB benötigt; Dissens liege nicht vor.
Hiezu wurde erwogen:
Die Parteien haben in dieser Rechtssache gleich sechs verschiedene, einander teilweise widersprechende private Rechtsgutachten (der Professoren Fasching, Krejci, Öhlinger, Vonkilch, Welser und Wilhelm; vgl zum konkreten Fall auch Wilhelm, Der schmale Grat zum Schiedsgericht, ecolex 2005, 89) vorgelegt. Eine solche Vorlage mag zulässig sein (vgl RIS-Justiz RS0041743, RS0043585), der Oberste Gerichtshof ist aber nicht verpflichtet, auf derartige Auftragswerke im Einzelnen einzugehen. Es gilt der Grundsatz: iura novit curia.
Vorweg ist festzuhalten, dass die Klage auf Feststellung des Nichtbestandes einer Schiedsvereinbarung beim ordentlichen Gericht selbst dann zulässig ist, wenn das Schiedsverfahren bereits anhängig ist (RIS-Justiz RS0039017; Fasching in Fasching2 § 228 ZPO Rz 11 mwN).
Zur Frage des Dissenses und der Berechtigung des Leiters der Sektion II des Bundesministeriums für Inneres, namens der Klägerin den Zuschlag zu erteilen, wird gemäß § 510 Abs 3 ZPO auf die insoweit zutreffende Beurteilung des Berufungsgerichtes verwiesen.
Die Schriftformbedürftigkeit von Schiedsvereinbarungen (Schiedsverträgen und Schiedsklauseln) ist in § 577 Abs 3 ZPO normiert. Abgesehen vom Wechsel von Telegrammen, Fernschreiben udgl sind die Unterschriften der Parteien erforderlich (RIS-Justiz RS0017285), allenfalls auf Brief (Angebot) und - den Inhalt des die Schiedsvereinbarung enthaltenden Briefes voll bestätigendem - Gegenbrief (Annahme) (3 Ob 543/94 = JBl 1995, 596; Rechberger/Melis in Rechberger2 § 577 Rz 9; Fasching LB2 Rz 2179). Allgemeine Verweise in der von beiden Vertragsteilen unterfertigten Vereinbarung auf eine andere Urkunde genügen nicht (RIS-Justiz RS0045404). Die die Schiedsvereinbarung enthaltende Urkunde muss der unterfertigten Urkunde grundsätzlich angeschlossen sein (RIS-Justiz RS0045388). Das Schriftlichkeitserfordernis hat nicht nur Beweisfunktion, es soll den Vertragspartner auch warnen und damit vor Übereilung schützen und somit Gewähr dafür bieten, dass sich die Parteien der Bedeutung dieser Vereinbarung, die einem Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges gleichkommt, bewusst sind (RIS-Justiz RS0017284). Es ist erfüllt, wenn beiderseits schriftliche Erklärungen vorliegen, die eine Unterwerfung unter ein Schiedsgericht erkennen lassen (RIS-Justiz RS0044994).
Zuletzt wurde ein einschlägiger Fall zu 4 Ob 82/05w entschieden. Auch damals war eine Schiedsklausel in Ausschreibungsbedingungen (Leistungsverzeichnis) enthalten gewesen, welche dem von beiden Parteien unterfertigten Auftragsschreiben aber nicht angeschlossen waren. Daher wurde als nicht sichergestellt angesehen, dass den Parteien bei Unterfertigung des Auftragsschreibens bewusst war, auch eine Schiedsvereinbarung zu treffen. Damals hatte sich allerdings der Bieter und nicht - wie hier - der Ausschreibende mit Erfolg auf die Unwirksamkeit der Schiedsklausel berufen.
Im vorliegenden Fall war die Schiedsklausel in den Vertragsbedingungen, die einen Teil der von der Klägerin an die Beklagte übersandten Ausschreibungsunterlagen bildeten, enthalten. Dem unterschriebenen Anbot der Beklagten an die Klägerin waren die Vertragsbedingungen nicht angeschlossen, wohl aber der ausgefüllte und als Beilage genannte Forderungskatalog, in dem die Beklagte beim betreffenden Vertragspunkt die (inhaltlich nicht im Einzelnen dargestellte) Schiedsklausel akzeptierte. Das unterfertigte Zuschlagsschreiben beschränkte sich auf die Annahme des Angebotes.
Von der zitierten Rechtsprechung ausgehend wäre also bei formaler Betrachtung zu beanstanden, dass die vertragliche Schiedsklausel dem Anbotsschreiben nicht beigefügt war. Für die Reichweite eines Formgebotes ist allerdings der Normzweck von wesentlicher Bedeutung (P. Bydlinski in KBB § 883 ABGB Rz 2). Berücksichtigt man nun den Zweck der Formvorschrift des § 577 Abs 3 ZPO, so war die Beifügung der Vertragsbedingungen, die die Beklagte zuvor im Zuge der Ausschreibung von der Klägerin erhalten hatte, an das Anbotsschreiben der Beklagten an die Klägerin entbehrlich: Die bietende Beklagte hatte Kenntnis vom Inhalt der Schiedsklausel und akzeptierte sie ausdrücklich; ihr Schutzbedürfnis war gestillt. Der ausschreibenden Klägerin ist es verwehrt, sich auf mangelnde Kenntnis (ihrer Beamten) von ihren eigenen Ausschreibungsunterlagen zu berufen; das Wissen und die Vertragsgestaltung des von ihr beauftragten Beratungsunternehmens (ihres „Ausschreibungsgehilfen"), das auch die Schiedsklausel formuliert hat, ist ihr zuzurechnen. Dementsprechend kommt auch eine Warnung der Klägerin vor den Bedingungen ihrer eigenen Ausschreibung (und damit ein Schutz vor Übereilung) nicht ernstlich in Betracht. Dem Schriftformgebot des § 577 Abs 3 ZPO wurde unter diesen Umständen - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes - Genüge getan. Auf die vergaberechtlichen Ausführungen der Rechtsmittelwerberin muss nicht mehr eingegangen werden.
Die Frage, ob der Leiter der Sektion II für die Vereinbarung einer Schiedsklausel gemäß § 1008 ABGB einer Spezialvollmacht des Bundesministers für Inneres bedurfte, hat das Berufungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung ausdrücklich offen gelassen. Diese Frage ist wie folgt zu beantworten:
Die Klägerin als juristische Person des öffentlichen Rechtes konnte sich in Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung von ihren Organen, daneben aber auch wie andere juristische Personen durch von ihren Organen rechtsgeschäftlich bevollmächtigte Personen vertreten lassen (1 Ob 137/03h = JBl 2004, 243; RIS-Justiz RS0009096).
Im vorliegenden Fall beruht die Vertretungsmacht des Sektionsleiters, der die Zuschlagserklärung „für den Bundesminister" unterschrieben hat, nicht auf einer - privatrechtlichen - rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung durch den Bundesminister im Sinne der §§ 1002 ff ABGB, sondern auf dem bereits eingangs dieser Entscheidung erwähnten - öffentlich-rechtlichen - Organisationsrecht des Bundesministeriums für Inneres iVm § 10 Bundesministeriumsgesetz (vgl auch Art 20, 77, 104 B-VG). Nach dessen Abs 1 kann der Bundesminister den Sektions-, Gruppen-, Abteilungs- und Referatsleitern bestimmte Gruppen von Angelegenheiten zur selbständigen Behandlung übertragen. Solche Angelegenheiten sind dann im Namen des Bundesministers zu erledigen und zu unterfertigen (Abs 2). Gemäß § 3 Abs 1 der Geschäftsordnung des Bundesministeriums für Inneres umfasst die Delegation zur selbständigen Behandlung auch das Außenverhältnis (vgl auch Abs 2 zur Approbationsbefugnis nach außen). Gemäß § 4 Abs 1 GO gilt für die in der Geschäftseinteilung genannten Gruppen von Angelegenheiten die Delegation zur selbständigen Behandlung (§ 3) als verfügt. Dies bedeutet, dass die Leiter der Organisationseinheiten berechtigt sind, diese Angelegenheiten selbständig zu behandeln und zu entscheiden und mit Wirkung im Außenverhältnis namens des Bundesministers zu entscheiden (zur Delegation siehe auch §§ 7 ff GO). Gemäß § 4 Abs 2 GO kann eine Delegation ausnahmsweise auch an geeignete andere Mitarbeiter erfolgen.
Die Delegation im Wege der Geschäftseinteilung umfasst bestimmte Gruppen von Angelegenheiten. Dass in diesem Rahmen bestimmte Angelegenheiten noch zusätzlich einer Einzeldelegation (im Sinne einer Einzel- oder Spezialvollmacht für das konkrete Geschäft gemäß § 1008 ABGB) bedürften, ist nicht vorgesehen. Das Weisungsrecht des Bundesministers wird durch die Delegation nicht berührt (§ 10 Abs 3 BMG, § 4 Abs 5 GO); er kann auch jede (durch die Geschäftsordnung oder gesondert) delegierte Angelegenheit wieder an sich ziehen oder sich die Genehmigung der Entscheidung vorbehalten (§ 10 Abs 3 BMG, § 3 Abs 3 GO).
Betrachtet man dieses Organisationskonzept, so kann im Umstand, dass für bestimmte Angelegenheiten wie den Abschluss von Schiedsvereinbarungen nicht von vornherein eine Einzeldelegation durch den Minister im konkreten Fall vorgesehen ist, keine Lücke erblickt werden. Eine analoge Anwendung des § 1008 ABGB kommt schon deshalb nicht in Frage.
Der Versuch der Klägerin, sich der von ihr (ihrem Berater) selbst in das Vertragswerk eingebrachten und den Bietern vorgegebenen Schiedsklausel wieder zu entziehen, muss somit erfolglos bleiben. Da das Erstgericht die Rechtsfrage im Ergebnis richtig gelöst hat, war sein klagsabweisendes Urteil wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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