OGH 2Ob156/22p

OGH2Ob156/22p27.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda, und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M*, 2. A*, 3. G*, 4. C*, 5. R*, 6. T*, 7. J*, 8. V*, 9. G*, alle vertreten durch Berger Daichendt Grobovschek, Perfeller Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. R*, 2. J*, beide *, vertreten durch Pallauf Meißnitzer Staindl & Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert 25.050 EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. Mai 2022, GZ 6 R 178/21w‑31, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 28. Oktober 2021, GZ 13 Cg 61/19d‑25, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00156.22P.0927.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien die mit 2.469,52 EUR (darin enthalten 411,59 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Kläger sind Eigentümer mehrerer Grundstücke, über die ein Forstweg verläuft. Die Beklagten sind Eigentümer mehrerer Grundstücke mit einer Alm, die durch den Forstweg erreichbar ist. Die Streitteile sind Mitglieder einer 1965 gegründeten Bringungsgenossenschaft, deren Mitglieder berechtigt sind, den Weg für die eigene Land- und Forstwirtschaft zu benützen. Den Eigentümern der Alm wurde damals überdies das Recht eingeräumt, den Weg „für die Belange der Land- bzw der Alpswirtschaft“ zu nützen. Die Beklagten betreiben auf dieser Alm seit 2009 einen Gastronomiebetrieb (Almausschank). Dort werden auch Veranstaltungen abgehalten, sodass der Weg von zahlreichen Personen genützt wird.

[2] Die Kläger begehren – für das drittinstanzliche Verfahren noch von Relevanz –, den Beklagten die Nutzung des Weges mit Fahrzeugen zu verbieten, insoweit dies über den land- und forstwirtschaftlichen Zweck hinausgehe, insbesondere zu touristischen und gewerblichen Zwecken und zum Almausschank.

[3] Die Beklagten wandten die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein, weil eine aus dem Genossenschaftsverhältnis entspringende Streitigkeit vorliege, worüber nach § 73 Abs 1 ForstG die Forstbehörde zu entscheiden habe. In der Sache wandten sie ein, dass sie den Almausschank im Rahmen der Almwirtschaft betreiben würden.

[4] Das Erstgericht verwarf (für das drittinstanzliche Verfahren bindend, § 42 Abs 3 JN, RS0039774, RS0046234) die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs. Das auf den Almausschank bezogene Unterlassungsbegehren wies es mit der Begründung ab, dass der Almausschank Teil der Almwirtschaft sei.

[5] Das Berufungsgericht gab der Klage auch hinsichtlich des Almausschanks statt. Der Betrieb eines Almausschanks sei von der satzungsmäßigen Nutzung nicht umfasst.

[6] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und ließ die Revision nachträglich zur Frage zu, ob eine Almwirtschaft auch einen Almausschank umfasse oder ob der Betrieb eines Almausschanks eine genehmigungspflichtige Ausweitung eines für die Almwirtschaft eingeräumten Wegenutzungsrechts bedeute.

[7] In ihrer Revision streben die Beklagten eine Abänderung des Berufungsurteils im Sinn des Ersturteils an. Die Kläger beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

[8] Die Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig und kann auch keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen.

Rechtliche Beurteilung

[9] 1. Fragen der Auslegung von Satzungen (hier: einer Bringungsgenossenschaft) sind regelmäßig keine von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO, sofern dem Berufungsgericht nicht eine grobe Fehlbeurteilung vorzuwerfen wäre (vgl 1 Ob 22/21y [Wassergenossenschaft]; RS0008813 [Vereinsstatuten]), was hier nicht der Fall ist.

[10] 2.1. Das Berufungsgericht hat damit argumentiert, dass der Almausschank im Gründungsjahr der Genossenschaft nicht Teil des Betriebs der Beklagten gewesen sei, die Satzung daher nur die forstliche Bringung und die landwirtschaftliche Viehhaltung umfasse, zumal auch die Gewerbeordnung die eigentliche (in der Satzung auch erwähnte) Land- und Forstwirtschaft von deren (in der Satzung nicht erwähnten) Nebengewerben, also auch den Betrieb eines Almausschanks, klar unterscheide.

[11] 2.2. Entgegen dem Rechtsmittel ergibt sich aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH 2007/07/0117) sehr wohl, dass die Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft als Gewerbe zu qualifizieren und daher nicht mit der Land- und Forstwirtschaft gleichzustellen sind. Wenn das Berufungsgericht die Satzungen der Bringungsgenossenschaft im Anlassfall deshalb und auch mit Blick auf deren Entstehungsgeschichte dahin auslegt, dass die Beklagten den Forstweg (neben der forstlichen Bringung) nur zur landwirtschaftlichen Almbewirtschaftung nutzen dürfen, liegt dem jedenfalls keine grobe Fehlbeurteilung zugrunde, die eine Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung bedarf.

[12] 3.1. Das Berufungsgericht hat sich nicht nur auf die Klärung des Begriffs der Landwirtschaft beschränkt, sondern auch den Begriff der „Almwirtschaft“ (bzw Alpswirtschaft) ins Kalkül gezogen. Es legte seiner Entscheidung nämlich zugrunde, dass den (Rechtsvorgängern der) Beklagten die Benutzung des Weges für die Belange der Land- bzw der Almwirtschaft erteilt worden sei. Das räumen indirekt auch die Beklagten ein, indem sie kritisieren, das Berufungsgericht habe den Almausschank nicht als Teil der Almwirtschaft qualifiziert.

[13] 3.2. Die Revision verweist auf den Umstand, dass nach den Bestimmungen des § 163 Abs 3 Landarbeitsgesetz 2021 und des § 74b Salzburger Landarbeitsordnung 1995 der Begriff der Almbewirtschaftung (aus arbeitsrechtlicher Sicht) auch den Almausschank umfasst. Abgesehen davon, dass der Umfang der hier strittigen Benutzungsrechte nicht durch erst Jahrzehnte nach der Satzung erlassene Normen zu definieren ist, dokumentieren die erwähnten Bestimmungen nur, dass der Almausschank neben die übliche landwirtschaftliche Almbewirtschaftung in der Form des Haltens von Nutztieren („Bergweidewirtschaft“) treten kann, was mit der Gewerbeordnung korrespondiert, die die Land- und Forstwirtschaft vom Nebengewerbe der Almausschank abgrenzt.

[14] 3.3. Es steht rechtskräftig fest, dass die Beklagten nicht berechtigt sind, den Weg für Fahrten zu gewerblichen Zwecken zu nutzen. Ungeachtet des Umstands, dass der Almausschank eine gesetzlich zulässige Möglichkeit für Almbauern bietet, Speisen und Getränke gegen Entgelt auch ohne Gewerbeberechtigung anzubieten, handelt es sich dabei um eine Nutzung zu gewerblichen Zwecken (ob Nebengewerbe iSd § 2 Abs 4 lit c GewO 1994), die vom 1965 festgelegten Nutzungszweck nicht umfasst ist (vgl 6 Ob 610/95: Unterscheidung der Nutzung eines Bringungswegs zu erlaubten landwirtschaftlichen und [bei Gästebewirtung:] zu von der Satzung nicht gedeckten gewerblichen Zwecken; ähnlich 1 Ob 702/83).

[15] 4. Die Revision der Beklagten war daher mangels Vorliegens einer Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

[16] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Da die Kläger in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen haben, dient der Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (RS0035962).

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