OGH 2Ob155/00h

OGH2Ob155/00h8.6.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Günter H*****, vertreten durch Mag. Otto Unger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei mj Stefanie H*****, geboren am 3. Oktober 1983, *****, vertreten durch ihre Mutter Theresia F*****, ebendort, diese vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang G. Kiechl, Rechtsanwalt in Wien, wegen (restlich) S 10.500,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 24. November 1999, GZ 45 R 769/99t-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom 27. Juli 1999, GZ 6 C 405/98h-17, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 12. August 1999, GZ 6 C 405/98h-19, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Aus Anlass der Revision der beklagten Partei wird das Urteil des Berufungsgerichtes als nichtig aufgehoben und die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil der ersten Instanz zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegenseitig aufgehoben, jene der Revision hat die beklagte Partei selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger ist der außereheliche Vater der am 3. 10. 1983 geborenen Beklagten. Bezüglich der vom Vater an seine Tochter zu leistenden Unterhaltszahlungen behängt beim Erstgericht ein Pflegschaftsverfahren zu 1 P 1230/95p. In diesem wurde der Kläger mit Beschluss vom 9. 1. 1997 verpflichtet, der Beklagten ab 1. 7. 1996 einen monatlichen Unterhalt von S 2.900,-- zu Handen der Mutter zu bezahlen. Mit Beschluss vom 26. 6. 1997 änderte das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht diesen Beschluss dahin ab, dass die Unterhaltsverpflichtung auf monatlich S 3.600,-- erhöht wurde. Mit Beschluss vom 23. 2. 1998 gab der Oberste Gerichtshof zu 3 Ob 401/97k den außerordentlichen Revisionsrekursen der Minderjährigen und des Vaters Folge, hob die Entscheidung des Rekursgerichtes auf und verwies die Unterhaltssache zur neuerlichen, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällenden Entscheidung an das Rekursgericht zurück, welches hierauf seinerseits einen Aufhebungsbeschluss an das Erstgericht fasste. Mit Beschluss vom 16. 12. 1998 setzte das Erstgericht die Unterhaltspflicht des Klägers für die Minderjährige für die Zeit ab 1. 7. 1996 mit S 3.100,-- und ab 1. 10. 1998 bis auf weiteres mit S 3.500,-- fest; ein Unterhaltserhöhungsbegehren auf monatlich S 5.500,-- wurde abgewiesen. Aufgrund eines Rekurses der Minderjährigen wurde mit Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. 5. 1999 dieser Beschluss des Erstgerichtes, der hinsichtlich der Unterhaltsverpflichtung des Vaters (von S 3.100,-- bzw S 3.500,--) als unbekämpft unberührt blieb, hinsichtlich der Abweisung des Mehrbegehrens erneut aufgehoben und dem Erstgericht in diesem Umfang die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Bis Schluss der Verhandlung erster Instanz erfolgte noch keine rechtskräftige Entscheidung über diesen noch offenen Unterhaltsrest im zitierten außerstreitigen Verfahren.

Mit der am 4. 6. 1998 eingebrachten Klage begehrte der Kläger, die beklagte Partei zur Bezahlung von S 26.133,76 samt 4 % Staffelzinsen seit 1. 1. 1998 zu verurteilen. Dieser Betrag setze sich aus ohne Rechtsgrundlage geleisteten Unterhaltsmehrzahlungen für die Monate Jänner bis April 1998 von je S 700,--, aus vom Kläger - im trotz Erhebung eines außerordentlichen Revisionsrekurses an den Obersten Gerichtshof gegen ihn betriebenen - Exekutionsverfahren geleisteten Zahlungen von S 12.100,--, aus dem Ersatz der in diesem Exekutionsverfahren bestimmten Kosten der nunmehrigen Beklagten von S 2.021,60 und aus den eigenen Rechtsanwaltskosten in diesem Verfahren von S 9.212,16 zusammen.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und wendete insbesondere ein, dass sämtliche geleisteten Unterhaltszahlungen von der Beklagten gutgläubig für ihren Unterhalt verbraucht worden seien. Außerdem wurde eine Gegenforderung von insgesamt S 60.000,-- unter Hinweis auf die von der Mutter an die beklagte Tochter abgetretenen Ansprüche gegen den Kläger zufolge ihrer Unterhaltsvorauszahlungen (§ 1042 ABGB) wegen Säumigkeiten des Klägers in der Bezahlung des Unterhaltes an diese compensando eingewendet.

Im ersten Rechtsgang wies das Erstgericht das gesamte Klagebegehren ab. Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht bestätigte die Abweisung hinsichtlich eines Betrages von S 11.233,76 (hievon S 2.021,60 Exekutions- und S 9.212,16 Rechtsanwaltskosten) als Teilurteil - dies unbekämpft und damit rechtskräftig -, und verwies im Übrigen die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht. Von der vom Rekursgericht gemäß § 519 Abs 2 ZPO eingeräumten Möglichkeit der Erhebung eines Rekurses an den Obersten Gerichtshof wurde von keinem der Streitteile Gebrauch gemacht.

Im zweiten Rechtsgang stellte das Erstgericht mit mehrgliedrigem Urteil fest, dass die Klageforderung mit S 14.900,-- und die Gegenforderung bis zur Höhe der Klageforderung zu Recht besteht und wies demgemäß das (restliche) Klagebegehren von S 14.900,-- sA erneut ab, wobei die Kostenentscheidung mit Beschluss vom 12. 8. 1999 über Antrag der beklagten Partei gemäß § 419 ZPO aufgrund eines offenkundigen Rechenfehlers berichtigt wurde.

Dieses Urteil wurde dem Klagevertreter am Mittwoch, dem 11. 8. 1999 zugestellt. Der Kläger erhob hiegegen eine mit 21. 9. 1999 datierte und an diesem Tag auch zur Post gegebene Berufung, mit der er die Abänderung des Ersturteils im Sinne einer Klagestattgebung beantragte.

Das Berufungsgericht gab (in nicht öffentlicher Sitzung) seiner Berufung teilweise Folge. Mit (ebenfalls) mehrgliedrigem Urteil stellte es die Klageforderung als bloß mit S 10.500,-- zu Recht bestehend fest; die bis zur Höhe der Klageforderung eingewendete Gegenforderung aus dem zu 1 P 1230/95 des Bezirksgerichtes Hietzing geltend gemachten, bisher noch nicht rechtskräftig erledigten Unterhaltsmehrbegehren der Beklagten seit 1. 7. 1996 wurde zurückgewiesen, die bis zur Höhe der Klageforderung eingewendete Gegenforderung aus einem der beklagten Partei von ihrer Mutter zedierten Verwendungsanspruch gemäß § 1042 ABGB betreffend den Unterhalt im Zeitraum April 1992 bis März 1993 als nicht zu Recht bestehend erkannt. Demgemäß wurde die beklagte Partei schuldig erkannt, dem Kläger S 10.500,-- samt 4 % Staffelzinsen seit 1. 1. 1998 zu bezahlen; das Klagemehrbegehren von S 4.400,-- sA wurde abgewiesen. Des weiteren wurde ausgesprochen, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte ordentliche Revision des Klägers mit dem Antrag, die Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass dieses Rechtsmittels hat der Oberste Gerichtshof eine Nichtigkeit von Amts wegen wahrzunehmen.

Gemäß § 224 Abs 1 Z 4 ZPO (in der durch Art IV Z 34 der ZVN 1983 BGBl 135 erlassenen Fassung) sind ua Streitigkeiten über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt Ferialsachen kraft Gesetzes. Die Formulierung entspricht dabei wörtlich dem § 49 Abs 2 Z 2 JN, der für diese Art familienrechtlicher Streitigkeiten die Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte normiert. Seit dieser novellierten Fassung ist klargestellt (arg "und sonstige Streitigkeiten"), dass hierunter alle Streitigkeiten über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt, also nicht nur solche auf Leistung, sondern auch etwa auf Herabsetzung, Einstellung usw gerichtete Streitigkeiten Ferialsachen darstellen (1 Ob 699/85, 8 Ob 506/88, 7 Ob 115/98g, 6 Ob 113/00m; RIS-Justiz RS0037378). In der Entscheidung 3 Ob 337/99a hat der Oberste Gerichtshof demgemäß ausgesprochen, das Voraussetzung für die Subsumption derartiger Streitigkeiten unter die zitierte Gesetzesstelle (des § 49 JN) - und damit auch des insoweit wortgleichen § 224 Abs 1 Z 4 ZPO - ist, dass die Streitigkeit im Familienrecht wurzelt und familienrechtlichen Charakter hat (so auch Mayr in Rechberger, ZPO2 Rz 7 zu § 49 JN), mit anderen Worten: dass sie ohne das Eltern-Kind-Verhältnis gar nicht denkbar wäre (2 Ob 81/98w).

Diese Voraussetzungen sind auch hier gegeben. Der hier vom Kläger geltend gemachte Anspruch beruht (ausschließlich) auf der familienrechtlichen Vater-Tochter-Beziehung zur Beklagten. Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang ebenfalls bereits erkannt, dass sowohl Klagen auf Rückzahlung irrtümlich in Erfüllung einer vermeintlichen Unterhaltspflicht bezahlter Beträge als auch auf Ersatz des für ein gemeinsames Kind geleisteten Aufwandes nach § 1042 ABGB kraft Eigenzuständigkeit vor die Bezirksgerichte gehören (2 Ob 81/98w = EvBl 1998/148; RIS-Justiz RS0109622 und RS0020053; so auch Mayr, aaO). Die gegenteilige Ansicht Simottas in Fasching, Kommentar I2 Rz 27 zu § 49 JN steht mit diesen Entscheidungen im Widerspruch und vermag als Belegstellen ihrerseits auch nur solche von Gerichten zweiter Instanz zu nennen (EFSlg 41.594, 52.079 und 57.680, sämtliche des Oberlandesgerichtes Wien); sie muss daher im Hinblick auf die wiedergegebene ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgelehnt werden. Aufgrund des - bereits erwähnten - wörtlichen Gleichklanges zwischen § 49 Abs 2 Z 2 JN einerseits und dem damit korrespondierenden § 224 Abs 1 Z 4 ZPO andererseits ist auch kein Grund einzusehen, die Voraussetzungen hiefür an unterschiedlichen Kriterien zu messen: Dass Streitigkeiten über den Unterhalt dringend sind, ist evident (so ausdrücklich der Bericht des Justizausschusses zur novellierten Bestimmung in § 1337 BlgNr 15. GP, 11) - auch wenn es bei Ferialsachen ex lege grundsätzlich nicht darauf ankommt, ob sie im konkreten Fall auch tatsächlich besonders dringlich sind (7 Ob 115/98g; Gitschthaler in Rechberger, aaO Rz 6 zu § 224). Selbiges muss - im Sinne der wiedergegebenen Judikaturgrundsätze - auch dann gelten, wenn es nicht primär um die Bemessung, sondern darum geht, ob der nach dem Gesetz gebührende Unterhalt einzustellen, herabzusetzen oder (wie hier zufolge behaupteten Überbezuges) vom obsorge- und empfangsberechtigten Elternteil bereicherungsrechtlich (teilweise) zurückzuerstatten ist, weil es auch hier um eine für das minderjährige Kind letztlich unter Umständen sogar existentielle Entscheidung geht, welche so rasch wie möglich von den Gerichten zu erledigen ist.

Die vom Kläger erst am Dienstag, den 21. 9. 1999, zur Post gegebene Berufung gegen das Urteil des Erstgerichtes, das seinem Vertreter bereits am Mittwoch, dem 11. 8. 1999, zugestellt worden war, wurde daher außerhalb der nicht verlängerbaren Notfrist des § 464 Abs 1 ZPO erhoben. Letzter Tag der Frist wäre vielmehr bereits Mittwoch, dem 8. 9. 1999, gewesen (§ 125 Abs 2 ZPO). Zum Zeitpunkt der tatsächlichen Rechtsmittelerhebung war das klageabweisliche Ersturteil damit bereits in Rechtskraft erwachsen. Das Berufungsurteil und das diesem vorangegangene Verfahren der zweiten Instanz leiden daher an einer Nichtigkeit, die vom Obersten Gerichtshof nach § 411 Abs 2 ZPO aus Anlass des zugelassenen Rechtsmittels auch von Amts wegen aufzugreifen ist (JBl 1985, 630; 1 Ob 2093/96t; 10 Ob 13/97b; RIS-Justiz RS0062118 und RS0041842). Die verspätete Berufung war demzufolge zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens auf § 51 Abs 2 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Verspätung der Berufung nicht hingewiesen (10 Ob 13/97b). Im Revisionsverfahren hat die klagende Partei keine Revisionsbeantwortung erstattet und sind ihr daher auch keine erstattungsfähigen Kosten erwachsen.

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