Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Ehe der Streitteile wurde mit dem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 26. September 1983 aus dem gleichteiligen Verschulden beider Ehegatten geschieden. Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Urteil vom 28. Februar 1984 nicht Folge. In dem im Verfahren C 607/84 des Erstgerichtes am 24. September 1984 abgeschlossenen Vergleich verpflichtete sich der Kläger, der Beklagten einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 1.000,-- zu bezahlen.
Der Kläger begehrt, den Anspruch der Beklagten aus dem Vergleich vom 24. September 1984 für erloschen zu erklären. Er brachte zur Begründung vor, die Beklagte beziehe über das der vergleichsweisen Unterhaltsregelung zugrundegelegte Einkommen hinaus ein weiteres Einkommen von S 2.200,-- monatlich, so daß er zu einer weiteren Unterhaltsleistung nicht verpflichtet sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit Urteil vom 10. Juli 1985 ab. Das Urteil wurde Rechtsanwalt Dr. Gerold B als Vertreter des Klägers am 1. August 1985 zugestellt. Am 9. August 1985 stellte der Kläger beim Erstgericht (mit ZP-Form 1) den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe. Das Erstgericht gab diesem Antrag mit Beschluß vom 13. August 1985 statt und bewilligte dem Kläger für das Berufungsverfahren Verfahrenshilfe im vollen Umfang gemäß § 64 Abs. 1 Z 1 ZPO. Es fertigte das ZP-Form 4 an die Vorarlberger Rechtsanwaltskammer mit dem Beisatz ab, 'daß der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren durch Rechtsanwalt Dr. Burkhard B vertreten war'. Der Ausschuß der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer bestellte am 14. August 1985 Rechtsanwalt Dr. Burkhard B zum Vertreter des Klägers, der am 22. August 1985 hievon in Kenntnis gesetzt wurde. Am 4. September 1985 überreichte Rechtsanwalt Dr. Burkhard B beim Erstgericht die Berufung gegen das Urteil vom 10. Juli 1985.
Das Berufungsgericht wies die Berufung als verspätet zurück. Die Rechtssache sei gemäß § 224 Abs. 1 Z 1 ZPO Ferialsache, so daß die mit der Zustellung des angefochtenen Urteils am 1. August 1985 in Lauf gesetzte vierwächige Berufungsfrist im Zeitpunkt der Einbringung der Berufung abgelaufen gewesen sei.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs des Klägers ist gerechtfertigt.
Gemäß § 224 Abs. 1 Z 4 ZPO i.d.F. der Zivilverfahrens-Novelle 1983 sind Ferialsachen u.a. Streitigkeiten über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt. Der im Verfahren C 607/84 des Erstgerichts vergleichsweise mit S 1.000,-- festgesetzte monatliche Unterhalt beruht auf der Bestimmung des § 68 EheG. Nach der vorgenannten Gesetzesbestimmung kann, wenn beide Ehegatten Schuld an der Scheidung sind, aber keiner die überwiegende Schuld trägt, dem Ehegatten, der sich nicht selbst unterhalten kann, unter den im Gesetz näher bestimmten Voraussetzungen ein Beitrag zu seinem Unterhalt bewilligt werden. Auf § 68 EheG beruhende Unterhaltsansprüche sind, auch wenn sie erst durch rechtsgestalteten Richterspruch begründet werden, gesetzliche Unterhaltsansprüche (EFSlg. 44.054, 43.746; SZ 54/140; EFSlg. 31.765, 30.010, 27.811; SZ 27/303; vgl. Pichler in Rummel, ABGB, Rdz 3 zu § 68 EheG). Während nach § 224 Abs. 1 Z 6 a ZPO i.d.F. vor der Zivilverfahrens-Novelle 1983 nur Streitigkeiten wegen Leistung des aus dem Gesetz gebührenden Unterhalts Ferialsachen waren, woraus die Rechtsprechung den Schluß zog, daß Klagen auf Herabsetzung oder Einstellung nicht darunter fallen (ZBl. 1936/107; ZBl. 1934/94;
Fasching Komm. II 1023), sind nunmehr alle Streitigkeiten über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt Ferialsachen, so daß für eine Differenzierung im vorangeführten Sinn kein Grund mehr besteht. Die vergleichsweise Regelung der Unterhaltshöhe hat am Charakter des gesetzlichen Unterhalts nichts geändert (EFSlg. 44.055, 39.204, 30.011; Berger, RZ 1973, 158, 159; Pichler a.a.O. Rdz 3 zu § 68 EheG).
Während der mit der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils an den frei gewählten Vertreter in Lauf gesetzten Berufungsfrist beantragte der Kläger die Bewilligung der Verfahrenshilfe. Dadurch wird grundsätzlich ein bisher bestandenes Vollmachtsverhältnis nicht aufgelöst. Aus der Tatsache des Antrags auf Verfahrenshilfe und Beigabe eines Rechtsanwaltes ist aber zu schließen, daß der Antragsteller anstelle seines bisher gewählten Vertreters einen zu bestellenden Verfahrenshelfer wünscht, weil er die mit den Handlungen des frei gewählten Vertreters verbundenen Kosten nicht mehr tragen kann. Beantragt eine durch einen Rechtsanwalt vertretene Partei die Bewilligung der Verfahrenshilfe, so obliegt es dem Prozeßgericht, sie über die allfällige Läsung des Vollmachtsverhältnisses zu ihrem bisherigen Rechtsvertreter zu befragen und zu einer Anzeige im Sinne des § 36 Abs. 1 ZPO anzuleiten. Unterläßt es eine solche Anleitung, muß der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe als Anzeige des Erlöschens des Vollmachtsverhältnisses zum bisherigen Vertreter gewertet werden (7 Ob 575/85; 7 Ob 642/83; SZ 48/93 o.a.). In diesem Sinne verstand der Erstrichter den Antrag, teilte er doch dem Ausschuß der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer bei Übersendung des ZP-Form 4 mit, daß der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren durch Rechtsanwalt Dr. Burkhard B vertreten war. Die Berufungsfrist beginnt in einem solchen Fall gemäß § 464 Abs. 3 ZPO erst mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwalts und einer schriftlichen Urteilsausfertigung an ihn. Daraus ergibt sich aber die Rechtzeitigkeit der Berufung, so daß spruchgemäß zu entscheiden ist.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)