OGH 1Ob696/54

OGH1Ob696/541.12.1954

SZ 27/303

Normen

EheG §68
ZPO §502
EheG §68
ZPO §502

 

Spruch:

Die Frage, ob der Unterhaltsanspruch nach § 68 EheG. ab Klagstag oder ab Urteilsfällung zusteht, ist keine Frage der Bemessung.

Entscheidung vom 1. Dezember 1954, 1 Ob 696/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Erstgericht hat das am 21. Juli 1952 erhobene, auf § 68 EheG. gestützte Klagebegehren, mit dem für die Zeit von der Klagsanbringung (27. Juli 1952) bis 21. Juni 1953 wöchentlich ein Unterhaltsbeitrag von 30 S und ab 22. Juni 1953 ein solcher von 10 S begehrt werde, abgewiesen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil rücksichtlich der Unterhaltsbeiträge ab 22. Juni 1953, hob jedoch im übrigen das Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung unter Rechtskraftvorbehalt zurück.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Gründen des Obersten Gerichtshofes:

Der Rekurs des Beklagten ist aus folgenden Gründen zulässig: Das Erstgericht wies das Klagebegehren deshalb zur Gänze ab, weil das Einkommen der Klägerin zuerst als Weberin und dann als Bedienerin ausreiche, ihr den Lebensunterhalt zu sichern. Das Berufungsgericht hingegen teilte die Ansicht des Erstgerichtes nur für die Zeit ab 22. Juni 1953, hielt jedoch die Voraussetzungen für die Zeit zwischen der Klagsanbringung und dem 21. Juni 1953 noch nicht für geklärt. Es beschäftigte sich nahezu ausschließlich mit der Frage, ob der Unterhalt für die Zeit ab Urteilsfällung oder schon vom Klagstage ab "zugebilligt" werden dürfe. Insoweit letztere Frage vom Berufungsgericht erörtert und vom Beklagten im Rekurse bekämpft wird, hält der Oberste Gerichtshof dafür, daß es sich nicht bloß um eine Frage der Bemessung in analoger Anwendung des § 502 Abs. 2 ZPO., sondern um eine nach dem Grund des Unterhaltsanspruches handle und deshalb der Rekurs als zulässig anzusehen ist (Jud. 60 neu). Es liegt daher der Sachverhalt im konkreten Falle völlig anders als dort, wo der Oberste Gerichtshof erklärte, für die Frage, ob und in welcher Höhe und für welche Zeit ein Unterhaltsbeitrag nach § 68 EheG. zu leisten sei, seien ausschließlich Billigkeitserwägungen maßgebend, die zur Gänze in den Rahmen der Bemessung fallen (1 Ob 455/51, 3 Ob 701/53, 3 Ob 755/53).

Sachlich ist der Rekurs jedoch nicht begrundet.

Der Erstrichter hat sich hinsichtlich des Zeitpunktes, von dem ab der Unterhalt zuzusprechen sei, offenkundig auf die Ausführungen in Schwinds Kommentar zum österreichischen Eherecht, S. 232 I Z. 2 berufen, denen zufolge "die Entscheidung nach § 68 EheG. als ein Billigkeitsurteil ebenso wie seinerzeit nach dem Hofdekret JGS. Nr. 531/1841 rechtsgestaltender Natur sei und die Beitragspflicht des geschiedenen Ehemannes erst mit Rechtskraft des Urteiles konstitutiv begrundet werde". Das Berufungsgericht hat im Aufhebungsbeschluß die Ansicht vertreten, daß der Unterhalt schon für die Zeit von der Einbringung der Klage an - wenn überhaupt die Voraussetzungen des § 68 EheG. vorliegen - zuzusprechen sei.

Hiezu meint der Rekurswerber, das Berufungsgericht habe übersehen, daß demjenigen, dem ein Betrag nach § 68 EheG. "zugebilligt" werde noch kein Anspruch aus dem Gesetze zustehe, sondern daß der Anspruch erst dadurch entstehe, daß er vom Richter mit Urteil "zugebilligt" werde, so daß der Unterhaltsanspruch nach § 68 EheG. keinesfalls für die Vergangenheit existent werden könne.

Der Ansicht des Rekurswerbers kann aber nicht gefolgt werden. Schwind sagt an der zitierten Stelle nichts anderes, als daß der Anspruch geschiedener Ehegatten nach § 68 EheG. von Haus aus kein gesetzlicher sei, sondern es erst durch "Zubilligung" im Urteile werde. Deshalb bezeichnet auch Schwind die Beitragspflicht des geschiedenen Ehemannes als erst mit Rechtskraft des Urteils konstitutiv begrundet. Damit ist aber keinesfalls gesagt, daß die Ehegattin den Unterhalt nach § 68 EheG. nicht schon vom Klagstage an begehren dürfe. Wenn der Richter der Klägerin einen Unterhalt nach § 68 EheG. "zubilligen" soll, dann muß er auch im Urteile aussprechen, von wann an er ihr diesen Anspruch "zubilligt". Das kann - frühestens - vom Klagstage an sein. Es wäre weder verständlich, noch sinnvoll, wollte man der Klägerin den Unterhalt erst vom Zeitpunkte der Fällung oder der Rechtskraft des Urteiles an zubilligen, zumal es der Beklagte in der Hand hätte, den entscheidenden Zeitpunkt mit an sich prozessual zulässigen Mitteln zu seinen Gunsten hinauszuschieben, ganz abgesehen davon, daß auch aus Gründen, die allein auf Seite des Gerichtes liegen können, dieser Zeitpunkt ungewiß werden kann und daß überdies die Klägerin das prozessual zulässige Ruhen des Verfahrens schon deshalb nicht hätte vereinbaren dürfen, weil davon der Ausspruch abhängig wäre, von welchem Zeitpunkte an ihr ein Unterhalt zugebilligt werden könnte. Es teilt daher der Oberste Gerichtshof die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß dem Urteile nicht die maßgebenden Verhältnisse der Streitteile im Zeitpunkte des Schlusse der Verhandlung zugrunde zu legen sind, sondern daß dem Urteilsberechtigten rückwirkend ab Klagstag ein Unterhaltsbeitrag zugesprochen werden kann.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des Aufhebungsbeschlusses des Rekursgerichtes. Hiebei hat der Einwand des Rekurswerbers, die Klägerin habe dadurch, daß im Rechtsstreite Ruhen des Verfahrens eingetreten sei, auf den Unterhalt für die Zeit ab Klagsanbringung bis 21. Juni 1953 verzichtet, als unzulässige Neuerung - im Rekursverfahren - unberücksichtigt zu bleiben.

Das Erstgericht wird für die letztgenannte Zeit alle Voraussetzungen nach § 68 EheG. zu prüfen haben, somit auch die, daß im Sinne des § 71 EheG. der Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen die Verwandten (hier gegen den Sohn der Klägerin) dem nach § 68 EheG. (gegen den beklagten Ehegatten) vorgeht.

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