European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00154.16K.0929.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Begründung
Am 27. 5. 2015 ereignete sich um ca 12:10 Uhr im Gemeindegebiet von A***** auf der Gemeindestraße R***** im Bereich der Einmündung des M*****wegs ein Verkehrsunfall, an dem die Klägerin als Lenkerin und Halterin ihres PKW Seat Ibiza und der Erstbeklagte als Lenker des bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherten, von der Zweitbeklagten gehaltenen Audi A3, beteiligt waren.
Die in Annäherung an die Unfallstelle durch ein Waldgelände verlaufende R*****straße weist eine Steigung von ca 11 % und in Annäherung an die Unfallstelle eine Breite von ca 4 m auf. Von rechts oben (in Fahrtrichtung der Klägerin) mündet der ca 2,8 m breite M*****weg, der ein Gefälle von ca 8 % aufweist, ein. Sein Mündungstrichter erstreckt sich über eine Länge von ca 7,3 m. Die Einmündung ist spitzwinkelig mit ca 20 Grad und beschreibt eine Linkskurve, sodass sie letztlich einen Winkel von ca 45 Grad zur Längsachse der R*****straße hat.
Für Fahrzeuglenker, die sich auf der R*****straße auf bzw dem M*****weg in Richtung der Kreuzung bewegen, stellt die zwischen beiden Straßen liegende bewaldete Böschung eine wechselseitige Sichtbehinderung dar. Für einen auf der R*****straße bergauf fahrenden Fahrzeuglenker wird erst aus einer Entfernung von ca 20 m vor Erreichen des Einmündungstrichters erkennbar, dass sich die asphaltierte Fläche rechts über den Fahrbahnrand hinauserstreckt, ohne dass in diesem Zeitpunkt erkennbar wäre, ob es sich dabei um eine bloße Ausbuchtung oder um eine einmündende Straße handelt. Erst aus einer Entfernung von ca 7 m vor Beginn des Einmündungstrichters ist erkennbar, dass sich diese asphaltierte Fläche als Fahrbahn fortsetzt.
Im Kreuzungsbereich bestehen keine Verkehrszeichen, bei der Einmündung des M*****wegs steht jedoch leicht erhöht auf der Böschung ein Holzschild mit der Aufschrift „M*****hof – Ferienwohnungen – Zimmer“. Es besteht eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 40 km/h.
Im Unfallszeitpunkt regnete es, die Fahrbahn war nass.
Die Klägerin fuhr auf der R*****straße Richtung M*****weg mit ca 40 km/h bergauf und wollte an der Kreuzung gerade weiterfahren. Gleichzeitig näherte sich der Erstbeklagte auf dem M*****weg bergab und hatte vor, nach links, also talwärts, in die R*****straße einzubiegen. Im Trichterbereich hielt er eine geringe Geschwindigkeit von weniger als 10 km/h ein. Er blickte zuerst nach rechts, wo er keinen Querverkehr sah, anschließend nach links, wobei er das Klagsfahrzeug nicht wahrnahm. Ob es ihm aufgrund der Sichtverhältnisse bzw Sichtbeeinträchtigung objektiv möglich gewesen wäre, das Klagsfahrzeug in diesem Zeitpunkt zu erkennen, konnte nicht festgestellt werden. Daraufhin richtete der Erstbeklagte seinen Blick wieder nach rechts (bergwärts) und rollte während dieser Zeit mit nicht näher feststellbarer, aber geringer Geschwindigkeit in die Kreuzung ein. Dann sah er aus dem „Augenwinkel“ das Klagsfahrzeug von unten (links) auf sich zukommen und bremste voll. Ob er sein Fahrzeug noch vor der Kollision zum Stillstand bringen konnte, konnte nicht festgestellt werden.
Die Klägerin leitete, als sie das von rechts in ihren „Fahrkanal“ einfahrende Beklagtenfahrzeug wahrnahm, eine Vollbremsung ein, womit sie ihre Geschwindigkeit noch auf ca 30 bis 35 km/h reduzieren, die Kollision mit der Front ihres Fahrzeugs gegen die linke Seite des Beklagtenfahrzeugs aber nicht mehr verhindern konnte. Es konnte nicht festgestellt werden, dass sie durch eine frühere oder andere Reaktion ab dem Zeitpunkt, in dem der Erstbeklagte die gedachte rechte Verlängerung ihres Fahrbahnrandes überfuhr, den Zusammenstoß hätte vermeiden können. Die bloße Annäherung des Beklagtenfahrzeugs an die Kreuzung wäre für die Klägerin schon etwas früher erkennbar gewesen. Ob sie, hätte sie in diesem Zeitpunkt reagiert, die Kollision verhindern hätte können, konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.
Die Klägerin begehrt insgesamt 5.229,31 EUR sA und brachte vor, der Erstbeklagte habe ihren gemäß § 19 Abs 6 StVO bestehenden Vorrang verletzt.
Die Beklagten bestritten und beriefen sich auf den Rechtsvorrang des Erstbeklagten. Die Klägerin habe überdies im Hinblick auf die nasse Fahrbahn eine überhöhte Geschwindigkeit eingehalten und verspätet reagiert.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (mit Annahme eines geringfügigen und rechtskräftig abgewiesenen Zinsenmehrbegehrens) statt. Es ging davon aus, dass der M*****weg keine untergeordnete Verkehrsfläche im Sinne des § 19 Abs 6 StVO sei. Im Hinblick auf die äußerst ungünstigen Sichtverhältnisse sei der Erstbeklagte aber dennoch zu einem Vortasten in die Kreuzung verpflichtet gewesen. Dagegen habe die Klägerin ca 20 m vor Erreichen des Einmündungstrichters nur die Erweiterung der Fahrbahn und erst ca 7 m davor das Einmünden einer Querstraße erkennen können. Zu diesem Zeitpunkt sei sie „weniger als eine Fahrsekunde“ vor Erreichen der Kreuzung gewesen und habe daher nicht mehr unfallvermeidend reagieren können. Es sei daher vom Alleinverschulden des Erstbeklagten auszugehen.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung ab. Es ging ebenfalls davon aus, dass der M*****weg keine untergeordnete Verkehrsfläche ist. Der Erstbeklagte habe als bevorrangter Fahrzeuglenker sorgfältig reagiert, indem er mit geringer Geschwindigkeit in die Kreuzung eingerollt sei. Ein Vortasten sei ihm nicht abzufordern gewesen, weil dies zur Umkehrung der Vorrangregeln führen würde. Einer Sichterschwernis habe in erster Linie der wartepflichtige Kraftfahrer Rechnung zu tragen. Dieser Anforderung entspreche das Verhalten der Klägerin keinesfalls, weil sie auf der nassen Fahrbahn mit der dort zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h, somit einer „viel zu hohen Geschwindigkeit“, gefahren sei. Der Klägerin sei es insgesamt nicht gelungen, eine Sorgfaltsverletzung auf Seiten des Lenkers des Beklagtenfahrzeugs nachzuweisen, weshalb ihr Begehren abzuweisen sei.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nachträglich zur Frage zu, ob der von der Klägerin eingehaltenen Geschwindigkeit im Anlassfall Bedeutung zukomme, sowie weiters zur Frage, ob beachtlich sei, dass für den Erstbeklagten der Charakter des Zufahrtswegs des M*****wegs erkennbar gewesen sei; damit könnte dem Berufungsgericht in diesen beiden Punkten eine Fehlbeurteilung unterlaufen sein.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Abänderungsantrag, die erstgerichtliche Entscheidung wiederherzustellen; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Das Berufungsgericht sei von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen, weil für die Klägerin objektiv im Sinne der Judikatur zu § 19 Abs 6 StVO in einem Zeitpunkt, in dem sie noch unfallverhindernd reagieren habe können, nicht erkennbar gewesen sei, dass sie sich im Nachrang befinden könnte. Es sei von allgemeiner Bedeutung, ob ein maßstabsgetreuer Fahrzeuglenker seine Geschwindigkeit im Freilandgebiet so einrichten müsse, dass er an einer erst aus 7 m Entfernung erkennbaren, von rechts einmündenden Straße rechtzeitig anhalten könne, was hier nur bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 15 km/h möglich gewesen sei. Überdies sei nach der Rechtsprechung auch der im Vorrang befindliche Lenker bei ungünstigen örtlichen Verhältnissen zu besonderer Vorsicht und Aufmerksamkeit verpflichtet, wobei auch Fälle denkbar seien, in denen er sich nur mit Schrittgeschwindigkeit vortasten dürfe. Ein solcher Fall liege hier vor.
Die beklagten Parteien beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung , die Revision des Klägers zurückzuweisen; in eventu, ihr nicht Folge zu geben. Auch nach den in der jüngeren Rechtsprechung betonten objektiven Kriterien sei von einem Rechtsvorrang des Erstbeklagten auszugehen. Schon aus einer Entfernung von 20 m habe die Klägerin die Holztafel mit der Aufschrift „M*****hof – Ferienwohnungen – Zimmer“ erkennen können und daher von einer Kreuzung in diesem Bereich ausgehen müssen. Sie sei verpflichtet gewesen, ihre Fahrweise darauf einzurichten. Selbst aus der angeordneten Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h habe sie ihr Fahrzeug an der Unfallstelle, die eine Steigung von 11 % aufweise, aus dieser Entfernung mit einer normalen Betriebsbremsung zum Stillstand bringen können. Dass die Klägerin ihre Fahrgeschwindigkeit stark verringern hätte müssen, enthebe sie dieser Pflicht nicht. Im Übrigen habe sie die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Hinblick auf die regennasse Fahrbahn gar nicht einhalten dürfen. Nicht der Bevorrangte habe sich in die Kreuzung hineinzutasten, sondern der Benachrangte seine Fahrweise der Sichtbehinderung anzupassen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig im Sinne der Ausführungen des Berufungsgerichts und auch berechtigt im Sinne des Eventualantrags auf Aufhebung .
1. Die umfassende Judikatur zu § 19 Abs 6 StVO wurde von den Vorinstanzen und den Streitteilen bereits dargelegt. Wie der erkennende Senat zuletzt in 2 Ob 191/13x (auch dort ging es um eine als „Waldweg“ bezeichnete Straße) zusammengefasst hat, kommt es bei Beurteilung der Frage, ob eine Verkehrsfläche nach § 19 Abs 6 StVO benachrangt ist, auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Die Beurteilung, ob eine Verkehrsfläche den dort – nicht taxativ (RIS‑Justiz RS0074560) – aufgezählten Verkehrsflächen gleichzuhalten ist, ist nach objektiven Kriterien vorzunehmen (RIS‑Justiz RS0074521). Es kommt also nicht auf die subjektive Betrachtungsweise der beteiligten Lenker oder ihre besondere Ortskenntnis an, sondern darauf, ob sich die zu beurteilende Verkehrsfläche in ihrer gesamten Anlage deutlich von sonstigen öffentlichen Straßen unterscheidet (2 Ob 191/13x; 2 Ob 28/12z; 2 Ob 216/12x; RIS‑Justiz RS0074490). Wesentlich ist das äußere Erscheinungsbild der Verkehrsfläche in ihrer Gesamtheit (RIS‑Justiz RS0074625; 8 Ob 212/76 ZVR 1978/9; RS0074641). Von Bedeutung sind objektive Kriterien (zB Befestigung, Asphaltierung, Verkehrszeichen, Fahrbahnbreite, Straßenverlauf, Widmung etc) der betroffenen Flächen, die während der Fahrt deutlich erkennbar sind (2 Ob 4/92 ZVR 1988/92 mwN; 2 Ob 28/12z ZVR 2013/29 [ Kathrein ]; 2 Ob 191/13x; RIS‑Justiz RS0074597). Die Fahrzeuglenker müssen aktuell beurteilen können, ob sie Vorrang haben oder wartepflichtig sind. Vor allem in der jüngeren Rechtsprechung wurde auf die Erkennbarkeit der erwähnten objektiven Kriterien für beide am Unfallgeschehen beteiligte Straßenbenützer abgestellt (2 Ob 191/13x mwN).
2. Auch Sackgassen, die sich in ihrer Anlage von anderen öffentlichen Straßen nicht deutlich unterscheiden, sind nicht als im Sinne des § 19 Abs 6 StVO nachrangige Verkehrsflächen zu behandeln (2 Ob 4/92 mwN; 2 Ob 155/99d; RIS‑Justiz RS0074535).
Ebenso dürfen für die Lösung der Frage, ob eine Fläche als Feldweg im Sinne des § 19 Abs 6 StVO anzusehen ist, nur solche Kriterien herangezogen werden, die für die Benützer der betreffenden Fläche und die Benützer der Straße, in die sie einmündet, während der Fahrt deutlich erkennbar sind (RIS‑Justiz RS0074597), selbst wenn in der Rechtsprechung ein Weg, der nur zum Anwesen des Beklagten führt, als „Grundstückszufahrt“ gewertet wurde (RIS‑Justiz RS0074531).
Im Zweifel ist der Rechtsvorrang anzunehmen (2 Ob 28/12z; 2 Ob 191/13x; RIS‑Justiz RS0074522).
3. Im hier zu beurteilenden Fall waren beide Straßen asphaltiert. Der M*****weg ist zwar nur rund 2,8 m breit, aber auch die R*****straße weist mit einer Breite von 4 m bis zur Kreuzung nicht einmal zwei reguläre Fahrstreifen auf. Auch die sonstigen genannten objektiven Kriterien ergeben keine Umstände, die eine der Verkehrsflächen deutlich von sonstigen öffentlichen Straßen unterscheiden ließen. Die Vorinstanzen sind daher zu Recht davon ausgegangen, dass der M*****weg keine untergeordnete Verkehrsfläche im Sinne des § 19 Abs 6 StVO ist, sodass dem Erstbeklagten der Rechtsvorrang nach § 19 Abs 1 StVO zukam.
4. Nun darf zwar auch der Lenker eines Vorrang genießenden Fahrzeugs auf Kreuzungen den Querverkehr nicht gänzlich unbeachtet lassen (RIS‑Justiz RS0073424), weshalb er bei ungünstigen örtlichen Verhältnissen, die nur kurze Sicht bieten, ohne Rücksicht auf seinen Vorrang zu besonderer Vorsicht und Aufmerksamkeit verpflichtet ist (RIS‑Justiz RS0073727; RS0074340). Er braucht aber nicht damit zu rechnen, dass jemand ohne Sicht nach rechts von links in die Kreuzung einfährt (RIS‑Justiz RS0073339). Sind die Sichtverhältnisse ungünstig, hat in erster Linie der Wartepflichtige dieser Sichtbehinderung Rechnung zu tragen (8 Ob 84/83 ZVR 1984/128; RIS‑Justiz RS0074610) und sich daher rechtzeitig und ausreichend davon zu überzeugen, ob er aufgrund der örtlichen Gegebenheiten mit Querverkehr rechnen muss, dem er allenfalls Vorrang zu geben hat (8 Ob 269/81 ZVR 1982/308).
Die Revisonswerberin legt zutreffend dar, dass der auf einer bevorrangten Straße fahrende Verkehrsteilnehmer bei Annäherung an die Kreuzung seine Geschwindigkeit so wählen muss, dass er in der Lage bleibt, seinen Verpflichtungen im Verkehr Genüge zu tun, weshalb zwar Fälle denkbar sind, in denen sich auch der im Vorrang Befindliche nur mit Schrittgeschwindigkeit vortasten darf (RIS‑Justiz RS0075007 [T1] = 2 Ob 152/82 ZVR 1983/251). Grundsätzlich hat aber dennoch der im Nachrang Befindliche seine Fahrweise darauf einzurichten, den Vorrang dort wahrnehmen zu können, wo er nach den konkreten örtlichen Verkehrsverhältnissen mit von rechts kommenden Fahrzeugen rechnen muss (RIS‑Justiz RS0075102). Er hat sich daher, um den Vorrang des Querverkehrs bei Sichtbehinderung wahren zu können, äußerst vorsichtig in die Kreuzung vorzutasten (RIS‑Justiz RS0074932; RS0074791). Einer Sichterschwernis hat damit in erster Linie der Wartepflichtige Rechnung zu tragen (RIS‑Justiz RS0074610). Dagegen ist der im Vorrang befindliche Verkehrsteilnehmer nicht verpflichtet, seine zulässige Geschwindigkeit allein wegen der Annäherung an eine Kreuzung mit einer Straße ohne Vorrang oder deshalb herabzusetzen, weil die Querstraße schlecht einzusehen ist (RIS‑Justiz RS0074307). Aus der für den Wartepflichtigen erschwerten Erkennbarkeit des Vorliegens einer Kreuzung kann nämlich nicht zu Lasten des Bevorrangten abgeleitet werden, dass an dieser Kreuzung andere, aus dem Gesetz nicht ersichtliche Regelungen über den Vorrang zu gelten hätten (RIS‑Justiz RS0074349).
5. Diese Judikatur betrifft allerdings – soweit ersichtlich – Fälle, in denen grundsätzlich die Tatsache der Annäherung an eine Kreuzung erkennbar war. Eine Rechtspflicht, seine Geschwindigkeit so zu wählen, dass jederzeit und potentiell wegen einer allenfalls von rechts einmündenden Straße der Vorrang gewahrt werden könnte, existiert dagegen nicht. Vielmehr kommt es auf die Wahrnehmbarkeit des anderen Fahrzeugs an (RIS‑Justiz RS0075064; RS0074873).
6. Sind aber die gegenseitigen Sichtverhältnisse– zB wie hier aufgrund der Geländebesonderheiten – extrem schlecht, muss ein potentiell benachrangter Kraftfahrer nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs jedenfalls dann besondere Aufmerksamkeit walten lassen und seine Geschwindigkeit anpassen, wenn Anhaltspunkte dafür ersichtlich werden, dass möglicherweise eine Straße von rechts kreuzt – und daher eine mögliche Vorrangsituation bevorsteht.
Dies war hier nach den Feststellungen für die Klägerin rund 20 m vor Erreichen des Einmündungstrichters der Fall. Ab diesem Zeitpunkt musste sie daher ihr Fahrverhalten auf eine mögliche, sie wartepflichtig machende Vorrangsituation einrichten.
Dazu, ob die Klägerin den Unfall ab diesem Zeitpunkt hätte verhindern können, hätte sie ihr Fahrverhalten situationsangepasst eingerichtet, was im Sinne der bereits mehrfach zitierten Entscheidung 2 Ob 191/13x auch eine erhebliche Reduzierung der Geschwindigkeit bedeuten kann – wobei sich die Klägerin sogar trotz schlechter Witterungs‑ und Fahrbahnverhältnisse mit der im Unfallbereich geltenden Höchstgeschwindigkeit näherte, obwohl diese stets nur bei optimalen Verhältnissen ausgeschöpft werden durfte ( Pürstl , StVO 14 § 20 E 167; Grubmann , StVO 3 § 20 Rz 26) – hat das Erstgericht keine Feststellungen getroffen. Dies ist aufgrund der spezifischen örtlichen Situation (erhebliche Steigung, nasse Fahrbahn) auch nicht offenkundig.
7. Sollte sich eine Möglichkeit, den Unfall zu verhindern, nicht erweisen, wäre im Sinne des Vorbringens der Beklagten auch zu untersuchen, ob die der Klägerin vorgeworfene relativ überhöhte Geschwindigkeit im Hinblick auf die Fahrbahn- und Witterungsverhältnisse insofern relevant wurde, als sie bei der deshalb allenfalls einzuhaltenden geringeren Geschwindigkeit die Kollision verhindern hätte können.
8. Sollte sich letztlich kein Verschulden eines beteiligten Fahrzeuglenkers ergeben, wäre weiters auf § 11 EKHG Bedacht zu nehmen (vgl RIS-Justiz RS0038123 [T1]).
9. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.
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