OGH 2Ob113/17g

OGH2Ob113/17g16.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** 2016 verstorbenen R***** E*****, über den Revisionsrekurs der R*****bank *****, vertreten durch KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 30. März 2017, GZ 21 R 468/16v‑26, womit infolge Rekurses des Kreditinstituts der Beschluss des Bezirksgerichts Oberndorf vom 2. Dezember 2016, GZ 1 A 84/16d‑16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00113.17G.0516.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Gerichtskommissär ersuchte die nunmehrige Rechtsmittelwerberin (in der Folge: Kreditinstitut) um Auskünfte über ein bestimmtes Girokonto des Erblassers und um die Bekanntgabe allenfalls noch vorhandener, in den Nachlass fallender Vermögenswerte bzw Debetsalden zwecks Einbeziehung in die Verlassenschaft. Das Kreditinstitut gab die gewünschten Auskünfte über das Girokonto und teilte mit, dass der Verstorbene zu einem Sparkonto identifiziert gewesen sei. Eine Auskunftserteilung über dieses Sparkonto könne nur nach Vorlage der Sparurkunde erfolgen. Die Sparurkunde war in der Verlassenschaft nicht auffindbar.

Das Erstgericht erteilte dem Kreditinstitut den Auftrag zur Bekanntgabe, ob es sich bei dem Sparkonto um ein auf den Verstorbenen „per Todestag (und per dato) identifiziertes Sparkonto mit einem Einlagestand in Höhe von 15.000 EUR oder darüber“ handle, bejahendenfalls der Kontonummer und des Kontostands.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung zu, dass es teilweise von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (7 Ob 100/03m) abgewichen sei. Seiner Ansicht nach stehe jedoch das Bankgeheimnis der Auskunftserteilung nicht entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs des Kreditinstituts ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof gemäß § 71 Abs 1 AußStrG nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG wird weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch im Rechtsmittel dargetan:

1. Wie der zuständige Fachsenat des Obersten Gerichtshofs in der Entscheidung 2 Ob 183/15y iFamZ 2017/29 (Mondel) = ÖBA 2017, 495 (Riss) = ecolex 2018/18 (Verweijen) = RIS‑Justiz RS0130973 klargestellt hat, beruht das Auskunftsrecht des Gerichtskommissärs und des Abhandlungsgerichts auf eigenem Recht, die Rechtsgrundlage bildet § 38 Abs 2 Z 3 BWG. Der Umfang ihrer Befugnisse ergibt sich aus den gesetzlich festgelegten Aufgaben des Gerichtskommissärs, vor allem also aus den §§ 145 ff und 165 ff AußStrG.

Nach dieser Entscheidung, die im zitierten Schrifttum uneingeschränkte Zustimmung gefunden hat, ist zwischen den Befugnissen des Gerichtskommissärs und des Abhandlungsgerichts einerseits und den vertraglichen Auskunftsrechten des ruhenden Nachlasses bzw der eingeantworteten Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers andererseits zu unterscheiden. Ältere Rechtsprechung, aus der sich Gegenteiliges ergeben könnte (7 Ob 292/06a [Auskunftsanspruch eines Noterben]), wurde ausdrücklich abgelehnt.

2. Die Vorinstanzen bezeichneten die §§ 145 ff und 165 ff AußStrG iVm § 38 Abs 2 Z 3 BWG als Rechtsgrundlage für das Auskunftsersuchen an das Kreditinstitut, was im Revisionsrekurs unwidersprochen bleibt. Der Sache nach verweisen sie damit auf einen Auskunftsanspruch aus eigenem Recht. Dies wirft keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf:

Nach der Aktenlage wurden Gerichtskommissär und Abhandlungsgericht jedenfalls insofern im Rahmen ihrer gesetzlichen Befugnisse tätig, als die Verlassenschaft dem Staat als erblos zufallen könnte und daher gemäß § 165 Abs 1 Z 5 iVm § 184 AußStrG ein Inventar zu errichten ist. Dem Auskunftsersuchen kann daher unter den konkreten Umständen nicht jene Rechtsprechung entgegengehalten werden, wonach die Auskunftspflicht des Kreditinstituts gegenüber dem Gerichtskommissär oder dem Abhandlungsgericht nicht weitergehen könne, als gegenüber dem Kunden selbst (vgl 7 Ob 100/03m; RIS‑Justiz RS0111076).

3. Das Auskunftsersuchen des Erstgerichts über Kontonummer und Kontostand setzt das Vorhandensein eines Großbetragssparbuchs („Einlagestand in Höhe von 15.000 EUR oder darüber“) voraus. Der Sachverhalt entspricht damit jenem, zu dem erst kürzlich die Entscheidung 2 Ob 95/17k EF‑Z 2017/146 ( Tschugguel ) = NZ 2017/42 ( Schumacher ) ergangen ist. Auch dort war die Sparurkunde zu einem Sparkonto mit einem Einlagestand von „15.000 EUR oder größer“ in der Verlassenschaft nicht mehr auffindbar gewesen und das Kreditinstitut verweigerte die Auskunft über Kontonummer und Kontostand.

4. Der Oberste Gerichtshof billigte in dieser Entscheidung die eine Auskunftspflicht des Kreditinstituts bejahenden Entscheidungen der Vorinstanzen. Im Einzelnen verwies er unter Bezugnahme auf einschlägige Vorjudikatur darauf, dass

‑  es sich bei einem Großbetragssparbuch iSv § 32 Abs 4 Z 2 BWG um ein Rektapapier handelt und die Übertragung des Guthabens auf einen Dritten nicht durch bloße Übergabe der Sparurkunde erfolgt, sondern eine Zession erfordert;

‑ das Kreditinstitut bis zur Bescheinigung einer Zession davon auszugehen hat, dass der identifizierte Kunde (bzw nun die Verlassenschaft) weiterhin ihr Gläubiger ist und damit ausreichende Anhaltspunkte für die Nachlasszugehörigkeit vorliegen;

‑ den Rechtsnachfolgern des Kunden die Möglichkeit einer Kraftloserklärung gewahrt bleiben muss;

‑ das Sparguthaben daher in die Verlassenschaft einzubeziehen und das Kreditinstitut zur Auskunft verpflichtet ist.

5. Diese Ausführungen sind auf den vorliegenden Fall übertragbar, womit auch den im gegenständlichen Revisionsrekurs gebrauchten Argumenten die Grundlage entzogen ist: Wie in 2 Ob 95/17k können die wertpapierrechtlichen Überlegungen des Kreditinstituts auch hier auf sich beruhen. Ein weitergehender „Beweis der Kundeneigenschaft“ ist nicht erforderlich; es genügt die Identifizierung des Erblassers als Kunde des Kreditinstituts. Dazu hat der Oberste Gerichtshof im Übrigen jüngst festgehalten, dass die Identifizierung des Verstorbenen beim Kreditinstitut als ebenso starkes Indiz für seine Berechtigung in Bezug auf eine Spareinlage zu werten ist, wie in sonstigen Fällen sein Besitz (2 Ob 64/17a; 2 Ob 4/18d).

6. Die Entscheidung des Rekursgerichts steht mit den Grundsätzen der zitierten Rechtsprechung im Einklang. In Ermangelung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.

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