OGH 2Ob102/08a

OGH2Ob102/08a26.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Veith, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Betroffenen Franz Josef S*****, geboren am 9. August 1925, *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Ariel Z*****, Rechtsanwalt, *****, Einvernehmensrechtsanwalt gemäß § 5 EuRAG Dr. Johannes Liebmann, Rechtsanwalt in Gleisdorf, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 6. Dezember 2007, GZ 1 R 294/07y-67, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Weiz vom 5. Oktober 2007, GZ 6 P 46/06x-51, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird samt den Ergänzungen vom 28. 4. 2008, 19. 5. 2008 und 16. 6. 2008 zurückgewiesen.

Text

Begründung

Für den Betroffenen wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 11. 4. 2007 eine Sachwalterin bestellt, deren Aufgabenkreis die Besorgung aller Angelegenheiten im Sinne des § 273 Abs 3 Z 3 ABGB aF (nunmehr: § 268 Abs 3 Z 3 ABGB idF SWRÄG 2006, BGBl I 92/2006) umfasst. Der Einschreiter, Stiefsohn des Betroffenen, beantragte die Enthebung der bisherigen Sachwalterin und die Bestellung seiner Person zum neuen Sachwalter des Betroffenen. Das von diesem bewohnte Haus stehe im gemeinsamen Miteigentum des Betroffenen, des Einschreiters und dessen Schwester. Die bestellte Sachwalterin sei zur Ausübung ihres Amts ungeeignet und gefährde das gemeinsame Vermögen und das Wohl des Betroffenen.

Das Erstgericht wies den Antrag des Einschreiters ab. Es traf umfangreiche Feststellungen und gelangte zu dem Ergebnis, dass keine der in § 278 ABGB idF SWRÄG 2006 geregelten Voraussetzungen für die Übertragung der Sachwalterschaft an eine andere Person gegeben sei. Außerdem verneinte es die Parteistellung des Einschreiters gemäß § 2 AußStrG. Dritte Personen hätten im Sachwalterschaftsverfahren nur ein Anregungsrecht.

Das vom Einschreiter angerufene Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. In seinen Rechtsausführungen beschränkte es sich auf die Bestätigung der Rechtsansicht des Erstgerichts zur mangelnden Parteistellung des Einschreiters. Es fehle ihm schon an der Antragsbefugnis, sodass auf sein weiteres Rekursvorbringen nicht einzugehen sei.

Die Rekursentscheidung wurde dem Einschreiter, einem in Deutschland ansässigen Rechtsanwalt, im Rechtshilfeweg über das zuständige Amtsgericht am 10. 1. 2008 durch Aushändigung an ihn persönlich zugestellt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Einschreiter weder einen Einvernehmensrechtsanwalt noch einen Zustellungsbevollmächtigten namhaft gemacht; das Erstgericht hatte ihm auch noch keinen diesbezüglichen Auftrag erteilt. Der Einschreiter übermittelte am 25. 1. 2008 um 0.39 Uhr mittels Telefax einen (ua) den außerordentlichen Revisionsrekurs beinhaltenden Rechtsmittelschriftsatz an das Erstgericht. Am 25. 1. 2008 gab er auch den von ihm unterfertigten Bestätigungsschriftsatz zur Post.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist verspätet. Vorauszuschicken ist, dass die Zustellung der Rekursentscheidung an den Einschreiter wirksam ist. Im Sachwalterschaftsverfahren besteht im Rekursverfahren nur relative Anwaltspflicht (§ 6 Abs 2 AußStrG). Der Einschreiter bedurfte in diesem Verfahrensstadium daher noch keines Einvernehmensrechtsanwalts gemäß § 5 Abs 1 EuRAG. Der Umstand, dass er entgegen § 6 EuRAG keinen in Österreich wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten namhaft gemacht hatte, das Erstgericht aber auch noch nicht (sinngemäß) nach § 10 ZustG vorgegangen war, macht die erfolgreich bewirkte Zustellung nicht unwirksam (vgl Stumvoll in Fasching/Konecny² II/2 Anh § 87 ZPO [§ 10 ZustG Rz 17]). Die Frist für den Revisionsrekurs beträgt 14 Tage und beginnt mit der Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichts (§ 65 Abs 1 Satz 1 AußStrG). Sie endete daher am 24. 1. 2008.

Eingaben mittels Telefax sind in analoger Anwendung des § 89 Abs 3 GOG iVm § 60 Geo zulässig und fristenwahrend, sofern die Telefaxeingabe vor 24.00 Uhr des letzten Tages bei Gericht einlangt (7 Ob 94/04f; RIS-Justiz RS0006955; Konecny in Fasching/Konecny2 II/2 § 74 ZPO Rz 37; Gitschthaler in Rechberger, ZPO3 § 74 Rz 7). Dies war hier jedoch nicht der Fall.

Gemäß § 46 Abs 3 AußStrG können Beschlüsse nach Ablauf der Rekursfrist angefochten werden, wenn ihre Abänderung oder Aufhebung mit keinem Nachteil für eine andere Person verbunden ist. Diese Bestimmung gilt gemäß § 71 Abs 4 AußStrG auch im Verfahren über den Revisionsrekurs (RIS-Justiz RS0007078 [T2 und T3]). Ihrer grundsätzlichen Anwendbarkeit steht im vorliegenden Fall auch § 127 letzter Satz AußStrG nicht entgegen. Die Sonderbestimmungen betreffend das Verfahren über die Sachwalterschaft für behinderte Personen (§§ 117 ff AußStrG) sind nämlich nicht anzuwenden, wenn das Verfahren nach rechtskräftig erfolgter Sachwalterbestellung nur den Wechsel der Person des Sachwalters zum Gegenstand hat; maßgebend sind dann die allgemeinen Verfahrensbestimmungen des AußStrG (1 Ob 182/05d = SZ 2005/167; vgl weiters die ErlRV zu § 128 AußStrG, abgedruckt bei Fucik/Kloiber, AußStrG; dieselben aaO § 128 Rz 2; Zankl/Mondel in Rechberger, AußStrG § 128 Rz 6).

Eine meritorische Entscheidung über das verspätete Rechtsmittel wäre somit möglich, wenn sie weder die materiell-rechtliche noch die verfahrensrechtliche Stellung einer anderen Person nachteilig berührt (6 Ob 199/06t; 10 Ob 20/08a; 7 Ob 27/08h; Klicka in Rechberger, AußStrG § 46 Rz 4).

Diese Voraussetzung ist hier aber nicht erfüllt. Die angefochtene Entscheidung ist ihrem Inhalt nach als Zurückweisung des vom Einschreiter gestellten Umbestellungsantrags wegen fehlender Antragsbefugnis zu verstehen. Durch die Abänderung dieser Entscheidung wäre zwar die materiell-rechtliche Stellung des Betroffenen nicht beeinträchtigt; auch könnten Rechte der ausschließlich im Interesse des Betroffenen tätig werdenden Sachwalterin nicht gefährdet sein (vgl SZ 60/103; 1 Ob 63/01y). Es genügt aber schon die verfahrensrechtliche Schlechterstellung einer anderen Person, um im konkreten Fall die Anwendbarkeit des § 46 Abs 3 AußStrG auszuschließen (6 Ob 199/06t; vgl RIS-Justiz RS0007180). Eine „andere Person" im Sinne des § 46 Abs 3 AußStrG ist jedenfalls der Betroffene, der - wobei er auch durch den bisherigen Sachwalter vertreten werden kann (10 Ob 123/05v) - das Rekursrecht gegen einen nicht auf seinen Antrag ergangenen Umbestellungsbeschluss hat (vgl auch 6 Ob 169/05d mwN).

Die für den Betroffenen bestellte Sachwalterin ist dem Umbestellungsantrag des Einschreiters ausdrücklich entgegengetreten (AS 243). Indem die Vorinstanzen die Antragsbefugnis des Einschreiters verneinten und diesem lediglich ein Anregungsrecht zubilligten, blieb der Antrag (als solcher) erfolglos. Die Abänderung der angefochtenen Rekursentscheidung im Sinne einer Bejahung der Antragslegitimation des Einschreiters hätte daher einen Eingriff in die verfahrensrechtliche Stellung des (durch die Sachwalterin vertretenen) Betroffenen zur Folge.

Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof in diesem Zusammenhang bereits mehrfach klargestellt, dass die Berücksichtigung eines verspäteten Rekurses nur bei Beschlüssen in Betracht kommt, die weder der formellen noch der materiellen Rechtskraft fähig sind (7 Ob 27/08h mwN; RIS-Justiz RS0007084). Es kann aber nicht zweifelhaft sein, dass die Zurückweisung eines Antrags auf Umbestellung des Sachwalters mangels Antragsbefugnis jedenfalls in formelle Rechtskraft erwächst (§ 42 AußStrG).

Auf den verspäteten außerordentlichen Revisionsrekurs kann daher nicht Bedacht genommen werden. Das Rechtsmittel ist zurückzuweisen, ohne dass auf seine Zulässigkeit nach § 62 Abs 1 AußStrG einzugehen ist (7 Ob 27/08h mwN).

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