OGH 6Ob199/06t

OGH6Ob199/06t14.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragsteller 1. Dr. Bernhard F*****, öffentlicher Notar, *****, 2. Dr. Gunter N*****, dieser vertreten durch den Erstantragsteller, wegen Genehmigung eines Rechtsgeschäfts gemäß § 17 Abs 5 PSG, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 30. Mai 2006, GZ 4 R 51/06m-8, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 3. März 2006, GZ 5 Fr 1428/06i-2, mit Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Aus Anlass des Revisionsrekurses wird der angefochtene Beschluss als nichtig aufgehoben und der Rekurs der Antragsteller zurückgewiesen. Die Revisionsrekursbeantwortung Dris. Christian T***** wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Im Firmenbuch des Landesgerichts Klagenfurt ist zu FN ***** die R***** Privatstiftung mit Sitz in K***** eingetragen, die allerdings infolge Widerrufs der Stifterin aufgelöst ist. Stiftungsvorstände sind die beiden Antragsteller und Dr. Christian G*****. Dr. Christian T***** war bis 1997 Mitglied des Stiftungsvorstands. Er strebt für diese Tätigkeit gegenüber der Privatstiftung eine Vergütung in Höhe von rund 41.000 EUR an und vertritt die Auffassung, die Stiftungserklärung sehe vor, dass die Höhe der Vergütung vom Stiftungsrat zu bestimmen sei. Grundlage seines Anspruchs sei eine am 4. 7. 1997 getroffene Vereinbarung mit der Privatstiftung. Die beiden Antragsteller begehren „je als kollektiv vertretungsbefugte Mitglieder des Vorstands" der Privatstiftung unter Berufung auf § 17 Abs 5 PSG die Genehmigung der Vereinbarung vom 4. 7. 1997. Der Antrag wurde am 16. 2. 2006 auf schriftlichem Weg beim Erstgericht eingebracht. Der Erstantragsteller, der auch den Zweitantragsteller vertritt, weist in diesem Schriftsatz auf seinen „Code N306107" hin und ersucht um „Gebühreneinzug zu Code Y306107, jedoch nur hinsichtlich der Eingabengebühr".

Das Erstgericht wies den Antrag zurück. Die Stiftungszusatzurkunde vom 18. 4. 1996 sehe vor, dass der Stiftungsrat die Vergütung der Vorstandsmitglieder für deren Tätigkeit als Stiftungsvorstand zu bestimmen habe; gemäß § 19 PSG scheide damit eine gerichtliche Genehmigung aus. Dieser Beschluss wurde dem Erstantragsteller am 3. 3. 2006 auf elektronischem Weg unter Verwendung des Codes Y306107 zugestellt.

Dagegen erhoben die Antragsteller Rekurs und beantragten die Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses dahin, dass ihrem Antrag stattgegeben werde. Diesen Rekurs gab der Erstantragsteller am 21. 3. 2006 zur Post. Er behauptete eine elektronische Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses am 6. 3. 2006 und ersuchte um Erledigung des Rekurses trotz Ablaufs der Rekursfrist; eine solche sei dennoch zulässig, weil eine Abänderung oder Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses mit keinem Nachteil für eine andere Person verbunden ist.

Über Einladung des Rekursgerichts erstattete Dr. Christian T***** eine Rekursbeantwortung; er verwies unter anderem auf die Verspätung des Rekurses.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluss des Erstgerichts mit der Maßgabe, dass es den Genehmigungsantrag abwies, und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sowohl zu §§ 89a ff GOG als auch zur Frage, ob eine Vereinbarung zwischen Privatstiftung und Vorstandsmitglied über dessen Vergütung einer Genehmigung nach § 17 Abs 5 PSG auch dann bedarf, wenn diese Vergütung entsprechend der Stiftungserklärung durch ein anderes Organ als durch den Stiftungsvorstand selbst bestimmt worden sei. Das Rekursgericht hielt den Rekurs der beiden Antragsteller für rechtzeitig. Eine elektronische Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses sei gemäß § 89a GOG, § 1 Abs 3 ERV 2006 nicht zulässig gewesen, weil der Antrag selbst nicht auf elektronischem Weg eingebracht wurde; auch eine Heilung nach § 7 ZustG scheide aus. Damit sei eine gesetzmäßige Zustellung an die Antragsteller noch gar nicht erfolgt, weshalb auch die Rekursfrist nicht habe zu laufen beginnen können. In der Sache selbst vertrat das Rekursgericht die Auffassung, nach der Stiftungserklärung der Privatstiftung sei der Stiftungsrat allein zuständig, die Vergütung der Mitglieder des Stiftungsvorstands zu bestimmen; einer konkreten Vereinbarung zwischen der Privatstiftung und einem Mitglied des Stiftungsvorstands bedürfe es nicht. Damit gebe es aber auch kein nach § 17 Abs 5 PSG zu genehmigendes Rechtsgeschäft. Aus Anlass des Revisionsrekurses der Antragsteller war die Entscheidung des Rekursgerichts als nichtig aufzuheben. Die Revisionsrekursbeantwortung Dris. Christian T***** ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 40 PSG verhandelt und entscheidet über Angelegenheiten, die im Privatstiftungsgesetz dem Gericht zugewiesen sind, dieses im Verfahren außer Streitsachen, sofern es sich nicht um Angelegenheiten handelt, die dem Prozessgericht zugewiesen sind. Zu den im Verfahren außer Streitsachen zu erledigenden Sachen gehört unter anderem auch die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts nach § 17 Abs 5 PSG (6 Ob 155/06x).

2. Einer Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Rekursgericht bedurfte es nicht, weil dieses ohnehin den Revisionsrekurs zugelassen hat (§ 59 Abs 2 AußStrG).

3. Dr. Christian T***** vertritt in seiner Revisionsrekursbeantwortung die Auffassung, das Erstgericht habe seinen Beschluss dem Erstantragsteller zulässigerweise auf elektronischem Weg zugestellt; damit sei der Rekurs aber verspätet gewesen. Das Rekursgericht meinte, die Antragsteller hätten ihre Eingabe nicht auf elektronischem Weg eingebracht; daher sei auch die Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses auf diesem Weg unzulässig gewesen.

3.1. Nach § 89a Abs 1 GOG können Eingaben ... statt mittels eines Schriftstücks elektronisch angebracht werden. Nach Abs 2 kann das Gericht anstelle schriftlicher Ausfertigungen gerichtlicher Erledigungen sowie anstelle von Gleichschriften und Rubriken von Eingaben, die elektronisch angebracht worden sind, die darin enthaltenen Daten an Einschreiter, die Eingaben elektronisch anbringen (Abs 1), auch elektronisch übermitteln.

Nach § 1 Abs 3 ERV 1995 (BGBl 1995/559) konnten gerichtliche Erledigungen an Einbringer, die Eingaben elektronisch anbringen, auch elektronisch zugestellt werden können.

3.2. Seit 1. 1. 2006 sieht die ERV 2006 (BGBl II Nr. 481/2005) vor, dass Erledigungen und Beilagen an Einbringer elektronisch zugestellt werden können, „sofern sie [die Einbringer] vom elektronischen Rechtsverkehr Gebrauch machen" (§ 1 Abs 3). Diese Formulierung ist weiter gefasst als die Formulierung „Einbringer, die Eingaben elektronisch anbringen". Eine Verbindung zwischen dem Anbringen einer bestimmten Eingabe auf elektronischem Weg und der Zustellung deren Erledigung auf eben diesem Weg sieht die ERV 2006 somit nicht (mehr) vor.

Dass § 89a GOG unverändert geblieben ist, ist dabei unbeachtlich. Enthält nämlich eine wirksame Verordnung eine konkrete Regelung, ist es unzulässig, unter Übergehung der Verordnung die die Grundlage der Verordnung bildenden gesetzlichen Bestimmungen als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen; diese können zwar zur Auslegung des Verordnungstextes - im Sinne einer gesetzeskonformen Interpretation dieser Rechtsgrundlage - herangezogen werden; grundsätzlich bildet aber die Verordnung die Entscheidungsgrundlage (10 ObS 2163/96b; RIS-Justiz RS0105188).

Der Umstand, dass die Antragsteller ihre Eingabe nicht auf elektronischem Weg eingebracht haben, stand daher der Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses nicht entgegen. Diese Überlegung gilt insbesondere für Firmenbuchverfahren, kommt in diesen Verfahren doch der automationsunterstützten Datenverarbeitung gesteigerte Bedeutung zu (vgl nur die Umstellung der Urkundensammlung des Firmenbuchs auf ADV durch VO BGBl II Nr. 125/2005; vgl auch die Sonderbestimmungen des § 10 ERV 2006 für das Einbringen von Beilagen im Firmenbuchverfahren).

3.3. Nach § 7 Abs 1 ERV 2006 ist für den Einbringer zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr ein Anschriftcode zu erstellen. Nach Abs 2 ist dieser Anschriftcode für Notare und Notarpartnerschaften von der zuständigen Notariatskammer zu erstellen. Nach Abs 4 haben elektronisch eingebrachte Eingaben den Anschriftcode des Einbringers zu enthalten; bei elektronischen Erledigungen dient der Anschriftcode zur Bezeichnung des Empfängers.

Der Erstantragsteller verfügt über einen derartigen Anschriftcode. Er verweist in sämtlichen Schriftsätzen, so auch im verfahrensgegenständlichen Antrag, auf diesen Anschriftscode (N306107). Er macht also vom elektronischen Rechtsverkehr Gebrauch. So hat er auch im vorliegenden Verfahren in seinem Antrag selbst um „Gebühreneinzug zu Code Y306107" ersucht. Das Erstgericht hat ihm seinen Beschluss vom 3. 3. 2006 auch unter diesem Anschriftcode zugestellt. Ob Notare - ebenso wie Rechtsanwälte (vgl OBDK 4 Bkd 5/04; 3 Bkd 4/05) - grundsätzlich dazu verpflichtet sind, allgemein für die Möglichkeit des elektronischen Rechtsverkehrs so vorzusorgen, dass ihnen die technischen Voraussetzungen zur Verfügung stehen, braucht daher hier nicht geprüft zu werden.

3.4. Das Erstgericht hat somit dem Erstantragsteller zulässigerweise seinen Beschluss im elektronischen Weg zugestellt; die Antragsteller haben diese Vorgangsweise in ihrem Rekurs auch nicht gerügt. Da nach § 89d Abs 2 GOG elektronisch übermittelte gerichtliche Erledigungen als zugestellt gelten, sobald ihre Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind, gilt der Beschluss des Erstgerichts als mit 3. 3. 2006 zugestellt. Im Hinblick auf § 46 Abs 1 AußStrG war somit der am 21. 3. 2006 zur Post gegebene Rekurs der Antragsteller verspätet. Daran würde sich im Übrigen auch nichts ändern, wenn man der Fristenberechnung den von den Antragstellern behaupteten 6. 3. 2006 als Zustelltag zugrunde legen würde.

4. Nach § 46 Abs 3 AußStrG können Beschlüsse auch nach Ablauf der Rekursfrist angefochten werden, wenn ihre Abänderung oder Aufhebung mit keinem Nachteil für eine andere Person verbunden ist. Das Rekursgericht hat dazu die Auffassung vertreten, Dr. Christian T***** sei gemäß § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG Partei des Genehmigungsverfahrens; aus der Zurückweisung des Antrags auf Genehmigung habe er Rechte erworben.

4.1. Dem ist (allerdings nur) im Ergebnis zu folgen: Nur dann, wenn eine Abänderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung ohne Eingriff in Rechte Dritter („einer anderen Person") möglich ist, ist über den verspäteten Rekurs meritorisch zu entscheiden; ansonst ist er vom Rekursgericht zurückzuweisen (G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG [2005] § 15 Rz 201 mwN); es kommt also darauf an, ob die materiellrechtliche oder die verfahrensrechtliche Stellung einer anderen Person nachteilig berührt wird (Fucik/Kloiber, AußStrG [2005] § 46 Rz 3; 7 Ob 282/04b). Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang mehrfach klargestellt, dass die Berücksichtigung eines verspäteten Rekurses somit nur bei Beschlüssen in Betracht kommt, die weder der formellen noch der materiellen Rechtskraft fähig sind (1 Ob 607/87 = SZ 60/103; 7 Ob 102/03f; RIS-Justiz RS0007084).

Die Antragsteller gehen von der Notwendigkeit einer Genehmigung der am 4. 7. 1997 geschlossenen Vereinbarung als Voraussetzung für den von Dr. Christian T***** geltend gemachten Vergütungsanspruch aus; Dr. Christian T***** bestreitet dies. Das Erstgericht hat in seinem Sinne die Notwendigkeit einer Genehmigung verneint und den Antrag zurückgewiesen. Damit würde eine Abänderung oder Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses aber einen Eingriff in die Rechte (nämlich in die verfahrensrechtliche Stellung) Dris. Christian T***** bedeuten. Außerdem erwächst die Zurückweisung eines Antrags auf gerichtliche Genehmigung jedenfalls in formelle Rechtskraft. Eine Bedachtnahme auf den verspäteten Rekurs der Antragsteller gemäß § 46 Abs 3 AußStrG kommt daher nicht in Betracht.

4.2. Das Genehmigungsverfahren nach § 17 Abs 5 PSG ist jenem nach § 154 ABGB vergleichbar (s 6 Ob 155/06x). Dieses sieht eine Beteiligung des (potenziellen) Vertragspartners am Verfahren nicht vor (vgl jüngst 6 Ob 286/05k = EF-Z 2006/53 mwN). Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts ist Dr. Christian T***** somit nicht Verfahrenspartei; im Übrigen hat das Erstgericht den Antrag im Sinne des § 8 Abs 2 AußStrG sogleich zurückgewiesen, ohne Dr. Christian T***** in das Verfahren einzubeziehen.

Die Rechtsprechung hat zu § 11 Abs 2 AußStrG 1854, der Vorgängerbestimmung des § 46 Abs 3 AußStrG, mehrfach ausgeführt, als „Dritter" sei jeder vom Rekurswerber verschiedene, am Verfahren Beteiligte anzusehen (4 Ob 15/97b; RIS-Justiz RS0007126). Damit wäre Dr. Christian T***** kein Dritter in diesem Sinne.

Im Gegensatz zu § 11 Abs 2 AußStrG 1854 spricht § 46 Abs 3 AußStrG nunmehr aber generell von einer „anderen Person". Außerdem hat die Rechtsprechung auch zu § 11 Abs 2 AußStrG 1854 mehrfach die Auffassung vertreten, dass etwa durch die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung einer Darlehensaufnahme die daran beteiligten Dritten (6 Ob 202/60) oder durch die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung eines Kaufvertrags der Käufer als Dritter (4 Ob 527/90 = EFSlg 64.643) oder durch die Nichtgenehmigung eines Übergabsvertrags der Übergeber (LG Linz EFSlg 102.898) Rechte erworben hätten; das KOG (ÖBl 1992, 70) hat überhaupt den „redlichen Wettbewerb schlechthin" als Dritten im Sinne des § 11 Abs 2 AußStrG 1854 angesehen. In all diesen Fällen wurde deshalb die meritorische Behandlung verspäteter Rekurse als unzulässig beurteilt.

Damit schadet es aber auch im vorliegenden Verfahren nicht, dass Dr. Christian T***** am Genehmigungsverfahren nicht beteiligt ist.

5. Das Rekursgericht hat durch seine meritorische Erledigung des Rekurses der Antragsteller in die bereits eingetretene Rechtskraft des erstgerichtlichen Beschlusses eingegriffen. Es hat damit gegen § 56 Abs 1 AußStrG verstoßen, was nach § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG im Revisionsverfahren von Amts wegen wahrzunehmen ist. Aus Anlass des Revisionsrekurses war der angefochtene Beschluss somit als nichtig aufzuheben und der Rekurs zurückzuweisen.

6. Dr. Christian T***** hat eine Revisionsrekursbeantwortung erstattet, in der er auch auf die Verspätung des Rekurses der Antragsteller hinweist. Da er allerdings am Genehmigungsverfahren nach § 17 Abs 5 PSG nicht beteiligt ist (s 4.2.), war die Revisionsrekursbeantwortung zurückzuweisen.

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