European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0210DS00003.19G.0715.000
Spruch:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde ***** mehrerer Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 DSt schuldig erkannt.
Danach hat er
(1) seine Klientin Iris P***** in Kenntnis des Vorliegens der Voraussetzungen für die Erlangung der Verfahrenshilfe vom März 2010 bis zum Mai 2012 außergerichtlich vertreten, hiefür am 22. Jänner 2016 ein Honorar von 18.507,07 Euro in Rechnung gestellt und von dem für die (im Zivilprozess Verfahrenshilfe genießende) Klientin ersiegten Schadenersatzbetrag einbehalten, ohne Iris P***** darüber informiert zu haben, dass die Verfahrenshilfe nur für den Zivilprozess gewährt wird und die Kosten für die außergerichtliche Vertretung in Rechnung gestellt würden, weiters
(2) den einbehaltenen Honorarbetrag von 18.507,07 Euro nach am 2. Oktober 2017 an ihn ergangener Aufforderung zur Ausfolgung weder an Iris P***** ausgefolgt noch gerichtlich hinterlegt.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen wegen Vorliegens der Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld erhobene Berufung des Beschuldigten geht fehl.
Undeutlichkeit im Sinn der Z 5 erster Fall ist gegeben, wenn – nach Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, somit aus objektiver Sicht – nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, also für den Berufungswerber und das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt worden oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist (RIS‑Justiz RS0117995 [insbesondere T3 und T4]).
Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (14 Os 72/02, SSt 64/39; RIS‑Justiz RS0116732 und RS0118317).
Fehler in der Bedeutung dieser Nichtigkeitsgründe werden nicht im Ansatz dargetan.
Entgegen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) traf den Beschuldigten sehr wohl eine sich aus der in § 9 RAO verankerten Treuepflicht ergebende Aufklärungspflicht darüber, mit welchen Kosten seine Mandantin (trotz der Gewährung der Verfahrenshilfe im Zivilprozess) aufgrund seines außergerichtlichen Einschreitens (Schuldspruch 1) in etwa rechnen musste ( Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 10 § 16 RAO Rz 4; vgl auch RIS‑Justiz RS0047275 und RS0055787).
Hinsichtlich des Einwands zum Schuldspruch 2, wonach der Beschuldigte zur Einbehaltung der 18.507,07 Euro berechtigt gewesen sei, weil seine Mandantin ihren Anspruch ihm gegenüber nicht „in angemessener Frist“ geltend gemacht habe, genügt der Hinweis auf die im dem Disziplinarverfahren zugrunde liegenden Zivilprozess ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (5 Ob 251/18z, AnwBl 2019/155, 363). Danach hat ein Rechtsanwalt, dessen Honorarforderung bestritten wird, nur die Wahl, die bei ihm zugunsten des Mandanten eingegangenen Geldbeträge unverzüglich auszufolgen oder nach § 1425 ABGB bei Gericht zu hinterlegen, wobei eine Pflicht zu unverzüglicher Bestreitung weder dem Gesetz noch der diesbezüglichen Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu entnehmen ist (vgl RIS‑Justiz RS0033851, RS0055151 und RS0056451 [T1]).
Die Subsumtionsrüge (Z 10) lässt die unter dem Aspekt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes gebotene Darlegung vermissen, welchem Strafgesetz die Taten aus ihrer Sicht zu unterstellen seien (RIS‑Justiz RS0117247 [T7]).
Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld erschöpft sich im Wesentlichen in der Behauptung, der Disziplinarrat hätte bei einer „einigermaßen lebensnahen Beweiswürdigung“ (nicht der als glaubwürdig erachteten Aussage der Zeugin Iris P*****, sondern) der leugnenden Verantwortung des Beschuldigten folgen müssen, ohne ein substantiiertes Vorbringen zum Inhalt der angeblichen Aufklärung der Iris P***** durch den Beschuldigten zu erstatten. Damit gelingt es nicht, Bedenken an der Lösung der Schuldfrage durch den Disziplinarrat zu wecken.
Dem im Rahmen der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld gestellten Antrag auf Vernehmung des August S***** war schon deswegen nicht zu folgen, weil nicht dargetan wurde, warum dem Beschuldigten eine entsprechende Antragstellung im Verfahren vor dem Disziplinarrat nicht möglich gewesen wäre (§ 49 zweiter Satz DSt [RIS‑Justiz RS0129770]).
Der Disziplinarrat verhängte über den Beschuldigten nach § 16 Abs 1 Z 1 DSt die Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises und wertete dabei das Zusammentreffen mehrerer Disziplinarvergehen als erschwerend, den ordentlichen Lebenswandel, rechtsirrtümliches Handeln sowie den Umstand, dass der Beschuldigte die Taten schon vor längerer Zeit begangen und sich seither wohlverhalten hat, als mildernd.
Zur Strafbemessung sind im anwaltlichen Disziplinarverfahren die entsprechenden Bestimmungen des Strafgesetzbuchs (§§ 32 ff StGB) sinngemäß heranzuziehen (RIS‑Justiz RS0054839).
Ausgehend von den vom Disziplinarrat vollständig erfassten besonderen Erschwerungs‑ und Milderungsgründen (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) sowie den allgemeinen Grundsätzen der Strafbemessung (§ 32 StGB) erweist sich die ausgesprochene Sanktion nur aufgrund des in § 54 Abs 4 DSt normierten Verschlechterungsverbots einer Abänderung nicht zugänglich.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.
Oberster Gerichtshof,
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