OGH 1Ob61/16a

OGH1Ob61/16a30.8.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. G***** P*****, und 2. I***** P*****, beide *****, vertreten durch Dr. Heribert Kirchmayer, Rechtsanwalt in Hainburg an der Donau, gegen die beklagte Partei Dr. M***** M*****, vertreten durch Dr. Heinz-Peter Wachter, Rechtsanwalt in Wien, wegen 28.179,20 EUR sA und Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Berufungsgericht vom 16. November 2015, GZ 13 R 112/15s‑32, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Neusiedl am See vom 19. März 2015, GZ 6 C 734/14y‑23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00061.16A.0830.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Beklagte mietete von den Klägern als Vermieter mit Vertrag vom 18. 3. 2011 ein Haus mit Garten. Unstrittig war dieses Haus aufgrund einer im Jahr 1996 erteilten Baubewilligung ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel errichtet worden; es besteht aus einer selbständigen Wohnung im Erdgeschoss, einer solchen im Obergeschoss und einer Garage. Der vereinbarte monatliche Bruttomietzins betrug (jedenfalls seit November 2013) 1.657,60 EUR. Seit November 2013 bezahlte der Beklagte keinen Mietzins mehr.

Der Beklagte wandte schon im Widerspruch gegen das über die Mietzins‑ und Räumungsklage ergangene Versäumungsurteil ein, das (zur Gänze an ihn vermietete) Bestandobjekt sei nicht von der Vollausnahme aus dem MRG gemäß § 1 Abs 2 Z 5 MRG betroffen, weil es sich um drei selbständige Objekte (zwei Wohnungen und eine Garage) handle, der Mietzins sei überhöht und nicht angemessen und müsse in einem Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG festgestellt werden. Er stellte aber einen Antrag auf Überprüfung des Mietzinses nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung und nach Zustellung des Ersturteils.

Das Erstgericht gab dem Mietzinszahlungs‑ und Räumungsbegehren statt. Es hatte schon in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung erörtert, dass es das Vorbringen des Beklagten, ihn treffe an der Nichtzahlung des Mietzinses kein grobes Verschulden, weil er in einem Rechtsirrtum darüber gewesen sei, ob die Vorschriften des MRG anwendbar seien oder nicht, für unschlüssig hielt, weil die bloße Fraglichkeit, ob auf das Bestandverhältnis das MRG anwendbar sei oder nicht keinesfalls ein Mangel des Verschuldens an der Nichtzahlung des Mietzinses begründe. Darauf stützte es auch sein Urteil und verwies sowohl auf die Vollausnahme aus dem Anwendungsbereich des MRG gemäß § 1 Abs 1 Z 5 MRG für Mietgegenstände in einem Gebäude mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten als auch auf dessen bloße Teilanwendbarkeit für in einem ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel aufgrund einer nach dem 30. 6. 1953 erteilten Baubewilligung errichteten Gebäude gelegenen Mietgegenstände gemäß § 1 Abs 4 Z 1 MRG. Es sei lediglich strittig gewesen, ob der vereinbarte Mietzins den Vorschriften des MRG entspreche oder nicht. Der Beklagte habe keinen Antrag nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG gestellt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und bejahte die Anwendbarkeit des § 1 Abs 2 Z 5 MRG auf das vorliegende Bestandobjekt nach Darlegung der vom Obersten Gerichtshof dazu entwickelten Grundsätze, insbesondere unter Berufung auf die Entscheidung 8 Ob 87/08i, wonach die (mitvermietete) Garage, wie etwa auch ein Abstellraum, nach der Verkehrsauffassung üblicherweise zu einem Ein‑ oder Zweifamilienhaus gehöre. Damit seien im vorliegenden Fall eben bloß zwei (und nicht mehr) selbständige Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten vorhanden gewesen. Auch bei Anwendung des MRG sei das Mietzinszahlungs- und Räumungsbegehren berechtigt gewesen. Es bedürfe nämlich dann keines Teilurteils über den behaupteten Mietzinsrückstand gemäß § 33 Abs 2 und 3 MRG, wenn – wie hier – grobes Verschulden an dessen Nichtzahlung vorliege oder der mit dem Beweis für das Fehlen des groben Verschuldens an einem Mietzinsrückstand belastete Mieter nicht einmal entsprechende Behauptungen dazu aufgestellt habe. Die gänzliche Nichtzahlung irgendeines Mietzinses über den langen Zeitraum von nahezu eineinhalb Jahren sei jedenfalls als grob fahrlässig anzusehen.

Der Verfassungsgerichtshof wies den vom Beklagten eingebrachten Parteiantrag auf Normenkontrolle, § 62a Abs 1 Z 5 VfGG und § 1 Abs 2 Z 5 MRG als verfassungswidrig aufzuheben mit Beschluss vom 16. 6. 2016, G 669‑670/2015‑9, als unzulässig zurück.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist nicht zulässig.

1. In seiner Revision vertritt der Beklagte den Standpunkt, die in § 1 Abs 2 Z 5 MRG normierte Vollausnahme aus dem MRG für Gebäude mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten sei verfassungswidrig. Ob die von ihm unterstellte Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung überhaupt vorliegt, ist für die Lösung des Rechtsstreits aber ohne Bedeutung. Selbst wenn man davon ausginge, führte dies bei dem aufgrund der im Jahr 1996 erteilten Baubewilligung und ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel errichteten Gebäude gemäß § 1 Abs 4 Z 1 MRG nur dazu, dass zwar dann – im Teilanwendungsbereich des MRG – die Kündigungsvorschriften, nicht aber jene über die Höhe des Mietzinses anzuwenden wären. Da der Beklagte als mit dem Beweis für das Fehlen groben Verschuldens an einem Mietzinsrückstand belastete Mieter nicht einmal entsprechende Behauptungen (RIS‑Justiz RS0111942 [T6]; RS0070349 [T4]; RS0069316) dazu aufgestellt hat, warum er der Auffassung wäre, gar keinen Mietzins zahlen zu müssen – so fehlen etwa jegliche Behauptungen zu einer teilweisen Unbenützbarkeit des Mietobjekts, laesio enormis, Wucher oder einer vorgenommenen Aufrechnung –, gingen die Vorinstanzen zutreffend davon aus, dass ihm die gänzliche Nichtzahlung des Mietzinses schon durch zehn Monate bis zur Klagsführung und danach noch weiterhin über mehrere Monate als grobes Verschulden anzulasten ist. Die Revision, die sich abseits der Ausführungen zur Verfassungswidrigkeit der Bestimmung des § 1 Abs 2 Z 5 MRG nur darauf stützt, dass bei deren Verfassungswidrigkeit mangels gesetzlicher Grundlage die vertragliche Vereinbarung eines beliebig hohen Mietzinses nicht gestattet sei, zeigt demnach keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Die Klärung abstrakter Rechtsfragen ist aber nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs (RIS‑Justiz RS0109383; RS0111271) und die Revision folglich zurückzuweisen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

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