Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.871,04 S (darin 811,84 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die am 26. November 1996 verstorbene (Haupt)Mieterin einer Wohnung in einem im Eigentum der klagenden Vermieterin stehenden Haus war während der letzten Jahre vor ihrem Tod hilfsbedürftig und benötigte ständige Pflege. Ihr Sohn, der die Hauptpflegearbeiten übernahm, ihre Schwiegertochter und ihre Enkelkinder kümmerten sich um sie. Ihr Zustand verschlechterte sich ständig; sie hatte mehrere Schlaganfälle und verbrachte wiederholt längere Zeiträume im Spital oder in der Wohnung ihres Sohns. Zuletzt war es für die Familie nicht mehr möglich, sie zu Hause zu pflegen, insbesondere, weil sie inkontinent war. Im Herbst 1995 übersiedelte sie daher in ein Seniorenheim. Nach dem Tod ihres Sohnes am 9. Oktober 1995 kümmerte sich die Familie weiter um sie, man ermöglichte ihr auch Besuche in ihrer früheren Wohnung. Sie lebte jedoch durchgehend im Seniorenheim. Es war nicht mehr damit zu rechnen, daß sie das Heim würde verlassen können. Sie war bereits über 80 Jahre alt und mit einer Besserung ihres Zustands nicht zu rechnen. Sie war teilweise verwirrt und depressiv, konnte zwar noch aufstehen und ein wenig umhergehen, sich jedoch nicht mehr selber waschen, die Toilette aufsuchen oder ohne Hilfe essen. Die Familie hatte nicht die Möglichkeit, sie zu Hause zu betreuen. Ihr Enkel lebte seit längerem in der Wohnung.
Das Erstgericht erkannte die gegenüber der Verlassenschaft nach der Mieterin ausgesprochene Aufkündigung aus dem Grund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG für wirksam, weil der Enkel der Verstorbenen mit seiner Großmutter zum Zeitpunkt ihres Todes nicht im gemeinsamen Haushalt gelebt habe, und verpflichtete die beklagte Partei zur Übergabe der näher bezeichneten Wohnung. Der Aufenthalt in einem Pflegeheim könne einen gemeinsamen Haushalt (nur) dann nicht aufheben, wenn in absehbarer Zeit mit einer Rückkehr zu rechnen sei. Mit einer Rückkehr der verstorbenen Mieterin aus dem Seniorenheim sei jedoch nicht zu rechnen gewesen.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und trug dem Erstgericht neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es vertrat im wesentlichen die Auffassung, zwar sei der Eintrittsberechtigte mit dem Beweis des Vorliegens der Eintrittsvoraussetzungen nach § 14 Abs 3 MRG belastet, es könne ihm aber nicht zur Last fallen, wenn Feststellungen über die Absicht der verstorbenen Mieterin auf Grund ihres Krankheitsbilds deshalb nicht getroffen werden könnten, weil sie nicht mehr in der Lage sei, sich um ihre Angelegenheiten zu kümmern. Die Bedachtnahme auf eine gesundheitliche Prognose der Rückkehrmöglichkeit erscheine aber nur für den Fall des Kündigungsgrunds des § 30 Abs 2 Z 6 MRG gerechtfertigt. Es sei unbillig, mit dem Mieter längere Zeit gemeinsam wohnende Angehörige der Obdachlosigkeit auszusetzen, wenn sich der Gesundheitszustand des Mieters derart verschlechtere, daß eine Betreuung bzw Pflege im gemeinsamen Haushalt nicht mehr möglich sei und die Zukunftsprognose für eine Rückkehr als negativ zu beurteilen sei. Im Gegensatz zu den Fällen des (willentlichen) Ausziehens des Mieters sei hier auch eine mögliche Abhilfe durch Übertragung der Mietrechte gemäß § 12 MRG kaum denkbar, weil die Beurteilung des Gesundheitszustands für einen Nichtmediziner schwerlich möglich und die Bedrängung eines kranken- oder pflegebedürftigen Angehörigen mit dem Ziel der Abtretung der Mietrechte im Hinblick auf die nicht mehr mögliche Rückkehr nicht zumutbar sei.
Die erstinstanzlichen Feststellungen ließen keine abschließende Beurteilung des behaupteten Eintrittsrechts des Enkels der Verstorbenen zu, weil bisher zur Frage des gemeinsamen Wohnens und Wirtschaftens nur feststehe, daß dieser seit längerem in der Wohnung lebe. Diese Feststellungen ließen nicht erkennen, ob vor der Aufnahme der Mieterin in das Seniorenheim ein gemeinsamer Haushalt mit ihrem Enkel bestanden habe. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht daher Feststellungen über die Dauer und Art des gemeinsamen Wohnens und Wirtschaftens des Enkels der verstorbenen Mieterin mit dieser zu treffen haben.
Rechtliche Beurteilung
Der von der zweiten Instanz zugelassene Rekurs der klagenden Partei ist nicht berechtigt.
Nach dem Mietrechtsgesetz (MRG) kommt es mit dem Tod des Mieters ex lege zu einer Sonderrechtsnachfolge in das Mietrecht. Das Eintrittsrecht setzt ein Hauptmietverhältnis, das Vorhandensein naher Angehöriger - beides ist hier unbestritten -, deren dringendes Wohnbedürfnis und einen gemeinsamen Haushalt im Zeitpunkt des Todes des Mieters voraus.
Das Tatbestandsmerkmal des gemeinsamen Haushalts mit dem Hauptmieter iSd § 14 Abs 3 MRG - mit dessen Beweis ua der belastet ist, der behauptet, der vom Vermieter gemachte Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG sei wegen eines eintrittsberechtigten Dritten nicht verwirklicht (1 Ob 79/97t = immolex 1997, 325 = WoBl 1998/37, 66 [Dirnbacher] ua, zuletzt 1 Ob 218/97h = JBl 1998, 782 [Deixler-Hübner]; RIS-Justiz RS107852) - betrifft einen auf Dauer angelegten Lebensumstand (stRpr, zuletzt JBl 1998, 782; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20, § 14 MRG Rz 15). Daher wird, wenn der Hauptmieter eine eintrittsberechtigte Person auf unbestimmte Zeit in die Haushaltsgemeinschaft aufnimmt, ein gemeinsamer Haushalt begründet. Das Gesetz verlangt dabei nicht, daß diese Aufnahme unwiderruflich sein müsse (1 Ob 608/90 = ImmZ 1991, 150 = MietSlg 42.235; 1 Ob 578/91 = RZ 1992/91 = MietSlg 43.183; 1 Ob 545/95 = SZ 68/103 = JBl 1996, 463 [Deixler-Hübner] = MietSlg 47/15; WoBl 1998/37).
Der gemeinsame Haushalt wird zwar bei gewissen, durch Lebensumstände bedingten, und nicht auf allzu lange Zeit berechnete Unterbrechungen des Zusammenlebens nicht beendet, wohl aber bei dauernder Trennung. Als Fälle nicht dauernder Trennung werden ua auswärtige Studien, Krankheits- und Erholungsaufenthalte und auch befristete Aufenthalte im Alters- oder Pflegeheim angesehen (RIS-Justiz RS0069712; Würth/Zingher aaO Rz 17). Der gemeinsame Haushalt wird auch nicht schon durch die Aufnahme des Hauptmieters in ein Pflegeheim beendet (ImmZ 1991, 150; SZ 68/103; WoBl 1998/37 ua). Ob dessen Aufenthalt in einem solchen Heim als dauernde oder bloß vorübergehende Abwesenheit zu beurteilen ist, hängt maßgeblich von der Willensrichtung der Betroffenen ab. Hat der Hauptmieter die Absicht, im Falle der Ermöglichung einer Betreuung zuhause oder auch nach einer allfälligen Besserung seines Gesundheitszustands in die Mietwohnung zurückzukehren und wäre eine solche Rückkehr aufgrund objektiver Tatsachen nicht schlechthin (objektiv betrachtet) ausgeschlossen (stRspr, zuletzt JBl 1998, 782; RIS-Justiz RS0069705), wird der gemeinsame Haushalt iSd § 14 Abs 3 MRG durch die vorläufige Unterbrechung des Zusammenlebens nicht aufgehoben (WoBl 1998/37 mwN zur bisherigen Rspr, die entgegen der in der Entscheidung zweiter Instanz vertretenen Auffassung keineswegs obiter dicta sind). Angesichts des vom Erstgericht festgestellten schlechten Gesundheitszustands der Hauptmieterin mag zwar deren Rückkehr in die Wohnung wenig wahrscheinlich gewesen sein, war aber jedenfalls nicht ausgeschlossen, sondern nur vom Vorhandensein entsprechender Betreuungs- und Hilfseinrichtungen abhängig. Scheidet aber die Rückkehr des Hauptmieters - im hiefür maßgeblichen Zeitpunkt des Verlassens des gemeinsamen Haushalts - in dessen Mietwohnung nicht jedenfalls aus, so ist für das Fortbestehen eines gemeinsamen Haushalts nur dessen Willensbekundung von Bedeutung. Liegt, wie hier, keine dagegen sprechende Willensbekundung des Mieters vor Eintritt der Krankheit vor, etwa die Äußerung, die Mietrechte aufgeben zu wollen oder den Haushalt aufzulösen, oder ähnliche Äußerungen, so ist zu unterstellen, daß jeder Kranke bei Änderung der Umstände in die vor Ausbruch der Krankheit kraft Mietrechts benützte Wohnung zurückkehren will (JBl 1998, 782). Selbst wenn der Mieter, der in ein Pflegeheim aufgenommen wurde, seinem Willen zur Rückkehr in seine Wohnung schicksalhaft nicht mehr Ausdruck verleihen kann, ist, sofern seine Rückkehr nicht schlechthin ausgeschlossen ist, im Zweifel davon auszugehen, daß er bei einer Änderung der Sachlage in die von ihm kraft Mietrechts benützte Wohnung zurückkehren wolle (ImmZ 1991, 150; RZ 1992/91; SZ 68/103 ua, zuletzt JBl 1998, 782; RIS-Justiz RS0069795). Die im Rechtsmittel angestellten Überlegungen über schlüssige Äußerungen der Mieterin sind angesichts dieser Zweifelsregelung nicht zielführend.
Hat der Mieter vor seinem Tod den Willen, in die Wohnung jedenfalls nicht mehr zurückzukehren, nicht bekundet dann kommt es für die Frage des gemeinsamen Haushalts nicht darauf an, ob zwischen der Einlieferung des Mieters ins Krankenhaus oder in ein Pflegeheim und dessen Ableben ein längerer Zeitraum verstrichen ist (RZ 1992/91).
Die in der Entscheidung zweiter Instanz bejahte Frage, ob trotz entsprechender Rückkehrabsicht des Mieters der gemeinsame Haushalt nicht aufgehoben wird, auch wenn eine entsprechende gesundheitliche Prognose eine Rückkehr ausschließt, stellt sich hier gar nicht.
Dem Rechtsmittel ist nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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