OGH 1Ob578/91

OGH1Ob578/9118.9.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erika W*****, vertreten durch Dr. Andreas Steiger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Z*****, vertreten durch Dr. Michael Gabler und Mag. Dr. Erich Gibel, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 17. April 1991, GZ 41 R 46/91-14, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 17. September 1990, GZ 48 C 13/90-9, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte die Feststellung, sie sei nach dem Tod des Siegfried W***** am 29. Juni 1985 in dessen Mietvertrag mit der beklagten Partei eingetreten und deshalb Hauptmieterin der Wohnung Nr. 5 im Haus W*****. Sie sei zwar kurz nach der Scheidung der Ehe mit Siegfried W***** aus dieser Wohnung ausgezogen, sei aber schon etwa ein halbes Jahr danach dort wieder eingezogen und habe fortan mit ihrem früheren Ehegatten eine Lebensgemeinschaft im Sinne des § 14 Abs 3 MRG unterhalten. Diese Haushaltsgemeinschaft habe mehr als drei Jahre gedauert und bis zum Tod des früheren Ehegatten Bestand gehabt. Dieser sei zwar 1982 nach einem schweren Insult in ein Krankenhaus eingeliefert worden und habe seither ständig der stationären Pflege bedurft, er sei aber nur deshalb nicht mehr in die Wohnung zurückgekehrt und 1985 im Spital gestorben. Sie sei deshalb zum Eintritt in die Mietrechte gemäß § 14 Abs 3 MRG berechtigt.

Die beklagte Partei wendete insbesondere ein, die Klägerin sei lediglich aufgrund des Scheidungsvergleiches berechtigt gewesen, in der Wohnung zu leben. Eine Haushalts- bzw. Lebensgemeinschaft mit ihrem früheren Ehegatten habe dagegen nach der Scheidung nicht bestanden, insbesondere auch nicht im Zeitpunkt seines Ablebens.

Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren ab, ohne die angebotenen Beweise aufzunehmen. Es vertrat die Auffassung, nach dem dreijährigen Krankenhausaufenthalt des früheren Ehegatten habe bei dessen Ableben kein gemeinsamer Haushalt mehr bestanden.

Das Gericht zweiter Instanz hob dieses Urteil zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung durch das Erstgericht auf und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es führte aus, der gemeinsame Haushalt, der im konkreten Fall in wirtschaftlicher Hinsicht gleich einer Ehe hätte geführt werden müssen, werde durch gewisse, durch die Lebensumstände bedingte, auf nicht allzu lange Zeit berechnete Unterbrechungen des Zusammenlebens nicht aufgehoben. Die unfreiwillige Trennung schade nicht, wenn nur die Absicht bestehe, nach Wegfall des vom Willen der Beteiligten nicht bestimmbaren Hindernisses die Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft fortzusetzen. Mangels Bekundung des Willens, diese Gemeinschaft aufzuheben, sei davon auszugehen, daß jeder Kranke bei Änderung der Umstände und Besserung seines Zustandes in die vor Ausbruch der Krankheit kraft Mietrechtes benützte Wohnung zurückkehren wolle. Entscheidend sei somit nicht die Zeit der tatsächlichen Trennung, sondern einer allenfalls gewollten Trennung. Das Erstgericht werde deshalb zu prüfen haben, ob sich die Klägerin und ihr früherer Ehegatte entschlossen hätten, nach der Scheidung eine der Ehe vergleichbare Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft in der Wohnung aufzunehmen, ob sie diese tatsächlich aufgenommen hätten und ob bis zum Ableben des Hauptmieters - allenfalls von dessen gesetzlichen Vertreter - ein "entgegengesetzter" Wille bekundet worden sei. Habe in diesem Sinn die Absicht bestanden, eine solche Gemeinschaft aufrechtzuerhalten, dann sei das Eintrittsrecht der Klägerin zu bejahen.

Der von der beklagten Partei dagegen erhobene Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 14 Abs 3 MRG ist der Lebensgefährte des Hauptmieters berechtigt, nach dessen Tod in den Mietvertrag einzutreten, sofern er schon bisher im gemeinsamen Haushalt mit dem Mieter in der Wohnung gewohnt und ein dringendes Wohnbedürfnis hat. Lebensgefährte im Sinne dieser Bestimmung ist, wer mit dem Mieter bis zu dessen Tod durch mindestens drei Jahre hindurch in dieser Wohnung in einer in wirtschaftlicher Hinsicht gleich einer Ehe eingerichteten Haushaltsgemeinschaft gelebt hat. § 14 Abs 3 MRG setzt lediglich voraus, daß der gemeinsame Haushalt auf Dauer berechnet ist (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 § 14 MRG Rz 15 mwN). Nach den - bisher nicht geprüften - Behauptungen der Klägerin nahmen sie und ihr früherer Ehegatte in dessen Wohnung die Haushaltsgemeinschaft wieder auf, nachdem die Ehe geschieden worden und die Klägerin kurzfristig aus der Wohnung ausgezogen war. Sollte sich, was das Erstgericht angesichts seiner Rechtsmeinung ungeprüft ließ, bewahrheiten, daß die Klägerin und ihr früherer Ehegatte damit eine in wirtschaftlicher Hinsicht gleich einer Ehe eingerichtete Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft aufnahmen, so wäre diese Gemeinschaft allein durch die Einlieferung des bisherigen Hauptmieters in ein Krankenhaus noch nicht beendet worden: Die durch die Lebensumstände bewirkte Unterbrechung des Zusammenlebens hebt den gemeinsamen Haushalt nicht auf, sofern nur die Absicht besteht, bei Änderung der Umstände die erzwungene Trennung zu beenden (SZ 58/126 uva; Würth-Zingher aaO Rz 17). Ob die Abwesenheit als bloß vorübergehend oder ganz als dauernd anzusehen ist, hängt deshalb ganz entscheidend vom Willen der Betroffenen ab; die Verwirklichung der Rückkehr darf nur nicht schlechthin ausgeschlossen sein (MietSlg 39.300). Wohl trifft die Beweislast für die Voraussetzung des Eintrittsrechtes denjenigen, der sich auf dieses Recht beruft, doch kann es im vorliegenden Fall nicht zu Lasten der Klägerin gehen, daß über die Absichten ihres früheren Ehegatten angesichts seines Krankheitszustandes möglicherweise deshalb keine Feststellungen getroffen werden können, weil er nicht mehr in der Lage war, für seine Belange geeignete Vorkehrungen zu treffen. Wie der erkennende Senat in einem ähnlich gelagerten Fall erkannte (Entscheidung vom 12. September 1990, 1 Ob 608/90), widerspräche es gewiß den Zielsetzungen des Gesetzgebers, wollte man dem Ehegatten eines Hauptmieters, der mit diesem viele Jahre hindurch in dessen Wohnung lebte, das Eintrittsrecht bloß deshalb verwehren, weil er nach der Aufnahme in das Krankenhaus schicksalhaft nicht mehr imstande war, für den Fall der Besserung seines Zustandes seinem Willen zur Rückkehr in seine Wohnung Ausdruck zu verleihen. Hat der Mieter demnach nicht doch seinen Willen bekundet, nicht mehr in die Wohnung zurückzukehren (etwa durch die Äußerung, seine Mietrechte aufzugeben, durch die Anmeldung für ein Altenheim oder durch die Ankündigung, er wolle seinen Haushalt liquidieren), muß deshalb davon ausgegangen werden, daß er so wie jeder andere Erkrankte in seine Wohnung zurückkehren wolle, sollte dies sein Gesundheitszustand wieder zulassen. All diese für die Beurteilung des behaupteten Eintrittsrechtes maßgebenden Umstände sind ungeprüft geblieben. Zu Recht trug das Gericht zweiter Instanz dem Erstgericht auf, im fortgesetzten Verfahren zu prüfen, ob die Klägerin und ihr früherer Ehegatte bei ihrem neuerlichen Einzug in dessen Wohnung entschlossen waren, damit eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft im Sinne des § 14 Abs 3 MRG aufzunehmen, eine solche in der Folge auch aufgenommen haben und ob der frühere Ehegatte vor seinem Tod - allenfalls durch seinen gesetzlichen Vertreter - den Willen bekundet habe, in die Wohnung jedenfalls nicht mehr zurückzukehren. Dagegen kann es - entgegen der Ansicht der beklagten Partei - nicht darauf ankommen, ob zwischen der Einlieferung des Mieters ins Krankenhaus und dessen Ableben ein längerer Zeitraum verstrichen ist.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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