European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00254.22T.0127.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird hinsichtlich seines aufhebenden Teils aufgehoben und dem Rekursgericht wird insoweit die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Antragsgegnerin aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Die Ehe der Parteien wurde mit Urteil vom 3. 12. 2021 rechtskräftig geschieden. Mit Beschluss vom selben Tag sprach das Erstgericht gemäß § 40a JN aus, dass das vom Mann erhobene (Klage‑)Begehren auf Herausgabe des während der Ehe angeschafften und von den Parteien als Haustier gehaltenen Katers „F*“ im außerstreitigen Aufteilungsverfahren nach den §§ 81 ff EheG zu behandeln sei.
[2] Der Mann stützte sein Begehren auf Zuweisung des Katers im Wesentlichen darauf, zu diesem eine stärkere gefühlsmäßige Bindung zu haben. Die Frau habe das Tier bei ihrem Auszug aus der Ehewohnung heimlich mitgenommen und aus seinem gewohnten Umfeld – zu dem auch eine weitere (beim Mann verbliebene) Katze gehört habe – verbracht. Dies sei „tierschutzrechtlich bedenklich“ und zeige, dass die Frau nicht in der Lage sei, sich um das Tier zu kümmern. Sie sei dazu auch aufgrund ihrer Alkoholsucht nicht in der Lage.
[3] Die Frau sprach sich gegen eine Zuweisung des Katers an den Mann aus. Dieser sei als „Ersatz“ für eine von ihr in die Ehe eingebrachte (verstorbene) Katze und daher „für sie“ angeschafft worden. Sie habe sich beinahe allein um den Kater gekümmert und zu ihm eine „wechselseitige“ enge emotionale Bindung aufgebaut. Der Mann sei nicht in der Lage, den Kater angemessen zu versorgen. Er habe kaum Interesse an ihm gezeigt und nur selten Pflegeaufgaben übernommen. Die Ehegatten hätten vor dem Auszug der Frau aus der Ehewohnung vereinbart, dass sie den Kater und der Mann die (andere) Katze bekommen soll. Deshalb – sowie aufgrund seiner engeren Beziehung zur Frau – habe sie den Kater, der keine Bindung an einen bestimmten Ort gehabt habe, mitgenommen. Sie sei in der Lage, sich um ihn zu kümmern. Die Frau begehrte in erster Instanz auch die Zuweisung einer beim Mann verbliebenen Katze.
[4] Eine über die beiden Tiere hinausgehende nacheheliche Aufteilung strebten die Parteien zuletzt nicht mehr an.
[5] Das Erstgericht wies beide Tiere dem Mann zu, wobei es von folgendem Sachverhalt ausging:
[6] Die Ehegatten suchten nach dem Tod eines von der Frau in die Ehe eingebrachten Katers gemeinsam nach einer neuen Katze. Der Mann erwarb den Kater „F*“. Damit dieser nicht allein sei, nahmen die Parteien eine weitere Katze auf. Die emotionale Bindung des Mannes zum Kater ist stärker als jene der Frau zu diesem. Der Mann leistete für den anfangs „sozial auffälligen“ Kater „Erziehungsarbeit“, spielte mit ihm und sorgte dadurch, dass er der Frau die Fütterung überließ, dafür, dass auch sie eine Beziehung zu ihm aufbauen konnte. Eine Vereinbarung darüber, wer den Kater nach der Trennung erhalten soll, trafen die Ehegatten nicht. Bei ihrem Auszug nahm ihn die Frau mit, ohne dies dem Mann mitzuteilen. Als er das bemerkte, stritt die Frau die Mitnahme des Katers zunächst ab und machte den Mann für dessen (von ihm angenommenes) Verschwinden verantwortlich.
[7] Rechtlich führte das Erstgericht aus, dass für die Zuweisung von Haustieren nicht nur deren Wert, sondern vor allem die „emotionale Bindung des Tieres zu den Ehegatten und umgekehrt“ maßgeblich sei. Das Tierwohl sei dabei aber „nicht derart ausschlaggebend, wie das Kindeswohl bei einer Obsorgeentscheidung“. Im konkreten Fall sei der Kater dem Mann zuzuweisen, weil dieser die engere emotionale Bindung zum Kater aufweise und die Frau dadurch, dass sie den Kater aus seinem gewohnten Umfeld verbracht habe, ihre eigenen Ansprüche über das Tierwohl gestellt habe. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Mann als minder schuldig geschiedener Ehegatte in „gewissem Umfang“ die ihm zuzuweisenden Sachen wählen könne.
[8] DasRekursgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung über die – inhaltlich nicht bekämpfte – Zuweisung der Katze an den Mann. Hinsichtlich des Katers hob es den angefochtenen Beschluss auf und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. „Hinsichtlich der beim Mann verbliebenen Katze“ sei der Revisionsrekurs nicht zulässig, „hinsichtlich des von der Frau mitgenommenen Katers“ sei dieser mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur nachehelichen Aufteilung von Haustieren zulässig.
[9] Im fortgesetzten Verfahren sei zu klären, zu welchem der Gatten der Kater eine (stärkere) emotionale Bindung habe, warum ihn die Frau bei ihrem Auszug aus der Ehewohnung mitgenommen habe, ob der Kater an bestimmte Orte gebunden sei, wie sich seine nunmehrigen „Lebens- und Betreuungsverhältnisse“ bei der Frau (unter Berücksichtigung der behaupteten Bindung an eine weitere von ihr gehaltene Katze) darstellten und ob die Parteien in der Lage seien, sich um ihn in einem für das Tierwohl erforderlichen Ausmaß zu kümmern. Die von der Frau erhobene Beweisrüge zur Feststellung der intensiveren Beziehung des Mannes zum Kater sowie zur fehlenden Vereinbarung darüber, wer diesen bei der Trennung erhalten solle, erledigte das Rekursgericht nicht, weil „deren Relevanz für die rechtliche Beurteilung“ noch nicht feststehe.
Rechtliche Beurteilung
[10] Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs des Mannesist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig. Er ist im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.
[11] 1. Haustiere sind für die nacheheliche Aufteilung wie eine Sache zu behandeln. Dies gilt auch angesichts der programmatischen Bestimmung des § 285a ABGB, wonach Tiere keine Sachen sind, sie durch besondere Gesetze geschützt werden und die für Sachen geltenden Vorschriften auf Tiere nur insoweit anzuwenden sind, als keine abweichenden Regelungen bestehen. Denn solche abweichenden Regelungen bestehen im gegebenen Zusammenhang nicht. Während der Ehe erworbene „Familientiere“ unterliegen daher der Aufteilung nach den §§ 81 ff EheG. Anderes würde gemäß § 82 Abs 1 Z 2 EheG nur für in die Ehe eingebrachte oder dem persönlichen Gebrauch eines Ehegatten allein oder der Ausübung seines Berufs dienende Haustiere (wie etwa Rettungs-, Dienst- oder Therapiehunde) gelten (1 Ob 128/17f).
[12] Dass Tiere grundsätzlich der nachehelichen Aufteilung unterliegen, entspricht auch der Ansicht in der rechtswissenschaftlichen Literatur (vgl etwa Stabentheiner/ Pierer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 81 EheG Rz 31; B. C. Steiningerin Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 81EheG Rz 14; Bahn, Das Tier im Familien- und Erbrecht, TiRuP 2018/A, 63 [75]).
[13] 2. Die Vorschriften über die nacheheliche Aufteilung sind solche des ehelichen Güterrechts. Diesem liegt regelmäßig eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrunde. Die Folgen der Ehescheidung sollen in wirtschaftlicher Hinsicht in einer für beide Ehegatten möglichst ausgeglichenen Weise geregelt werden (RS0057523; RS0057852). Oberster Aufteilungsgrundsatz ist gemäß § 83 Abs 1 EheG die Billigkeit, wobei es vor allem auf Gewicht und Umfang der Beiträge der Ehegatten zur ehelichen Errungenschaft ankommt.
[14] 3. Für die Zuweisung eines Tiers ist daraus nichts zu gewinnen, wenn für die Ehegatten – wie hier – nicht dessen Vermögenswert im Vordergrund steht, sondern die gefühlsmäßige Bindung zu diesem. Eine an wertmäßigen Gesichtspunkten orientierte Entscheidung über dessen Zuweisung kommt in solchen Fällen nicht in Betracht. Wenngleich das Aufteilungsrecht keine konkreten Vorgaben für die nacheheliche Zuweisung von Haustieren enthält, so ergibt sich doch aus § 83 Abs 1 EheG, dass auch diese nach Billigkeit zu erfolgen hat. Dem Grundsatz der Billigkeit entspricht es in diesem Fall, mangels maßgeblicher wirtschaftlicher Kriterien für die Zuteilung des Tiers auf die stärkere oder schwächere emotionale Beziehung der Gatten zu diesem abzustellen. Dass diese Bindung von der Rechtsordnung grundsätzlich anerkannt wird, ergibt sich etwa aus § 250 Abs 1 Z 4 EO (Unpfändbarkeit von Haustieren, zu denen eine gefühlsmäßige Bindung besteht). Für die Abwägung, welcher Ehegatte eine intensivere Beziehung zu einem Tier hat, kann auch die während der Ehe erfolgte Sorge für dieses berücksichtigt werden. Führt eine billige Berücksichtigung der emotionalen Bindung der Ehegatten zum Tier zu einem klaren Ergebnis, ist dieses für dessen Zuweisung primär maßgeblich.
[15] 4. Von einer Zuteilung an jenen Ehegatten, der die stärkere Bindung zum Tier hat, wäre nur dann abzusehen, wenn dies mit dem Tierschutz unvereinbar wäre. Dies ergibt sich (auch) aus § 285a ABGB, wonach Tiere durch besondere Gesetze geschützt werden und die für Sachen geltenden Vorschriften (also auch das eheliche Güterrecht) nur insoweit anzuwenden sind, als keine abweichenden Regelungen bestehen. Die Berücksichtigung tierschutzrechtlicher Bestimmungen führt aber nicht dazu, dass in einem nachehelichen Aufteilungsverfahren Erwägungen wie in einem Obsorgeverfahren anzustellen wären (B. C. Steiningerin Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 81EheG Fn 51). Tiere sind auch nach Inkrafttreten des § 285a ABGB keine Rechtssubjekte (für viele etwa Eccher/Riss, KBB6 § 285a ABGB Rz 2), auf die personenrechtliche Vorschriften (allenfalls bloß sinngemäß) anzuwenden wären (1 Ob 160/98f). Entgegen dem Rekursgericht kommt es daher für die nacheheliche Aufteilung nicht darauf an, zu welchem Ehegatten das Tier die „engere gefühlsmäßige Beziehung“ hat.
[16] 5. Vorschriften zur Haltung von Tieren enthält das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (TSchG).
[17] Hervorzuheben ist dessen § 12 Abs 1, wonach jede Person zum Halten von Tieren berechtigt ist, die zur Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und der darauf gegründeten Verordnungen in der Lage ist und über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt. § 13 Abs 1 TSchG regelt die Grundsätze der Tierhaltung und erlaubt diese, wenn davon ausgegangen werden kann, dass sie das Wohlbefinden des Tiers nicht beeinträchtigt. Nach dessen Abs 2 haben das Platzangebot, die Bewegungsfreiheit, die Bodenbeschaffenheit, die bauliche Ausstattung, das Klima (Licht und Temperatur), die Betreuung und Ernährung sowie die erforderlichen Sozialkontakte des Tiers dessen Bedürfnissen angemessen zu sein. Gemäß Abs 3 leg cit sind Tiere so zu halten, dass ihre Körperfunktionen und ihr Verhalten nicht gestört werden und ihre Anpassungsfähigkeit nicht überfordert wird.
[18] Konkretere Voraussetzungen für die Haltung (unter anderem) von Katzen normiert die 2. Tierhaltungsverordnung der Bundesministerin für Gesundheit (BGBl II 486/2004 idgF). Ziffer 2 der Anlage 1 dieser Verordnung sieht dafür bestimmte Mindestanforderungen vor, unter anderem betreffend die Versorgung, Beschäftigungs- und Rückzugsmöglichkeiten sowie die Sauberkeit der Räume, in denen eine Katze gehalten wird.
[19] 6. Nach den – allerdings von der Frau bekämpften – erstinstanzlichen Feststellungen hatte der Mann die intensivere Beziehung zum Kater. Er leistete für diesen die „Erziehungsarbeit“ und spielte mit ihm. Anhaltspunkte für tierschutzrechtliche Bedenken (iSd TSchG oder der genannten Verordnung) einer Haltung durch den Mann bestehen nicht. Solche zeigt auch die Revisionsrekursgegnerin nicht auf. Ihrer Behauptung, das Tierwohl würde durch einen neuerlichen Ortswechsel beeinträchtigt werden, ist ihr eigenes Vorbringen entgegenzuhalten, wonach bisherige Ortswechsel keine „Irritationen“ beim Kater hervorgerufen hätten und dieser keine „Ortsgebundenheit“ zeige. Das Erstgericht stellte außerdem (disloziert in der rechtlichen Beurteilung) fest, dass der Kater bei einem neuerlichen Ortswechsel keinem wesentlichen Stress ausgesetzt wäre. Auf das Argument der Frau, im Aufteilungsverfahren sei auch das in einem Obsorgeverfahren maßgebliche Kriterium der „Erziehungs- und Betreuungskontinuität“ zu berücksichtigen, muss aus genannten Gründen (vgl Pkt 4) nicht eingegangen werden. Ob der Kater eine gefühlsmäßige Beziehung zur zweiten von ihr gehaltenen Katze aufgebaut hat, spielt für die Aufteilungsentscheidung keine Rolle, weil damit kein tierschutzrechtlich maßgeblicher Umstand angesprochen wird. Eine Ausgleichszahlung kommt mangels behaupteten Vermögenswerts des Katers sowie der beim Mann verbliebenen Katze nicht in Betracht.
[20] 7. Aus dargelegten Gründen kommt es entscheidend auf die im Rekurs bekämpfte Feststellung zur intensiveren emotionalen Beziehung des Mannes zum Kater an, deren Rüge vom Rekursgericht unbehandelt blieb. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückzuverweisen (RS0043371 [T11]; zum Außerstreitverfahren etwa 2 Ob 170/22x). Dieses wird sich auch mit der Beweisrüge zur Feststellung auseinanderzusetzen haben, dass keine Vereinbarung darüber getroffen worden sei, wer den Kater bei der Trennung bekommen solle. Denn eine (wirksame; vgl § 97 EheG) Einigung der Ehegatten schlösse eine Entscheidung des Gerichts aus (RS0046057; 1 Ob 225/19y).
[21] 8. Die tragenden Erwägungen der Entscheidung lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die Zuweisung eines der nachehelichen Aufteilung unterliegenden (Haus‑)Tiers an einen der Ehegatten hat nach Billigkeit zu erfolgen. Dabei kommt es mangels erkennbarer Vermögensinteressen maßgebend darauf an, welcher Gatte die stärkere emotionale Beziehung zum Tier hat. Davon wäre nur abzuweichen, wenn eine solche Zuweisung mit tierschutzrechtlichen Bestimmungen unvereinbar wäre.
[22] 9. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 78 Abs 1 AußStrG.
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