OGH 1Ob2115/96b

OGH1Ob2115/96b26.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Edith K*****, und 2. Helga J*****, beide vertreten durch Dr.Arnold Köchl und Mag.Christian Köchl, Rechtsanwälte in Villach, wider die beklagte Partei Mag.Dr.Waltraud C*****, vertreten durch Dr.Konrad Kuderna, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgerichts vom 14.März 1996, GZ 2 R 91/96-9, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Feldkirchen in Kärnten vom 13.Februar 1996, GZ 2 C 2137/95-4, abgeändert sowie der Rekurs und die Rekursbeantwortung der beklagten Partei zurückgewiesen wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß, der in seinem Punkt 1. als unangefochten unberührt bleibt, wird in seinen Punkten 2. und 3. als nichtig aufgehoben; dem Rekursgericht wird in diesem Umfang die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.

Text

Begründung

Zwischen den Parteien ist strittig, wem das Fischereirecht an einem bestimmten Grundstück zusteht. Im Vormerkblatt für den Fischereikataster des Landes Kärnten ist das Fischereirecht der Klägerinnen je zur Hälfte vorgemerkt und zufolge Bescheids der zuständigen Bezirkshauptmannschaft vom 8.November 1995 auch für die Beklagte vorläufig vorgemerkt. Im Gutsbestandsblatt einer näher bezeichneten Liegenschaft der Beklagten ist ersichtlich gemacht: „Das ausschließliche Fischereirecht an GSt .... gemeinschaftlich mit ...“ (nicht die Klägerinnen).

Die Klägerinnen begehrten gegenüber der nicht im Sprengel des Erstgerichts wohnhaften Beklagten, gestützt auf den Gerichtsstand nach § 81 JN, a) die Feststellung, daß der Beklagten als Eigentümerin der näher bezeichneten Liegenschaft das Fischereirecht nicht zustehe, sowie b) daß die Ersichtlichmachung des Fischereirechts auf der Liegenschaft der Beklagten gelöscht werde. Vorgetragen wurde dazu ua, beim strittigen Fischereirecht handle es sich um eine Grunddienstbarkeit.

Die Beklagte wendete die örtliche Unzuständigkeit ein und beantragte aus im einzelnen angeführten Gründen die Abweisung des Klagebegehrens.

Die Klägerinnen beantragten „für den Fall der rechtskräftigen Zurückweisung der Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit“ die Überweisung der Rechtssache an das „nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Innere Stadt Wien (1030 Wien) zuständige Bezirksgericht“ (ON 3 AS 19).

Das Erstgericht sprach seine örtliche Unzuständigkeit aus und überwies die Rechtssache gemäß § 261 Abs 6 ZPO an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf, trug dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens auf (Punkt 2.) und wies den Rekurs der Beklagten gegen die unterlassene Kostenentscheidung (Punkt 1.) und deren Rekursbeantwortung (Punkt 3.) zurück; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht vertrat die zweite Instanz, soweit hier relevant, die Auffassung, der bloß bedingt gestellte und daher wirkungslose Überweisungsantrag der Klägerinnen ziehe nicht den Rechtsmittelausschluß des § 261 Abs 6 ZPO nach sich; inhaltlich sei der Rekurs der Klägerinnen berechtigt, weil das Fischereirecht auf der im Eigentum der Beklagten stehenden Liegenschaft ersichtlich gemacht, daher als Grunddienstbarkeit anzusehen und gemäß § 81 JN die Lage des dienenden Grundstücks im Sprengel des Erstgerichts entscheidend sei. Die Rekursbeantwortung der Beklagten sei unzulässig, weil nur in den im § 521a ZPO erschöpfend aufgezählten Fällen der Rekurs zweiseitig sei und die erstgerichtliche Entscheidung nicht auf Klagszurückweisung laute, sondern den Ausspruch über die Unzuständigkeit und die Überweisung der Rechtssache enthalte. Dieser Fall sei im § 521a ZPO als Voraussetzung für die Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens nicht genannt.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil der Wahrnehmung einer Nichtigkeit erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtssicherheit zukommt (RZ 1991/75; 1 Ob 565/93 ua, zuletzt 5 Ob 533/94; Fasching, Lehrbuch2 Rz 1891), rechtzeitig und berechtigt.

Die Beklagte erhob die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit und zielte damit auf die Zurückweisung der Klage ab. Die Klägerinnen beantragten „für den Fall der rechtskräftigen Zurückweisung der Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit“ die Überweisung der Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Innere Stadt Wien. Die - offenbar verstümmelte - Wendung im Antrag „(1030 Wien) zuständige Bezirksgericht“ läßt Zweifel daran, an welches Gericht überwiesen werden solle, nichts übrig.

Stellt der Kläger einen Antrag gemäß § 261 Abs 6 ZPO idF der ZVN 1983, so hat er sich damit für den Fall, daß der Einrede der Unzuständigkeit und dem Überweisungsantrag stattgegeben wird, diesem Beschluß im vorhinein unterworfen (Arb 9320; EvBl 1968/307; zuletzt 1 Ob 581/95 mwN). Gerade auch deshalb soll der in § 261 Abs 6 fünfter Satz ZPO angeordnete Rechtsmittelausschluß einen Zwischenstreit über die Zuständigkeit verhindern, wenn durch die erfolgte Überweisung die Grundlagen für die umgehende Fortführung des Verfahrens geschaffen sind. Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht zu Unrecht die im § 261 Abs 6 ZPO umschriebenen Voraussetzungen für eine Überweisung der Rechtssache angenommen, weil - wie die zweite Instanz zutreffend erkannte - der Antrag bedingt gestellt war. Der Rechtsmittelausschluß des § 261 Abs 6 ZPO gilt nach ständiger Rechtsprechung dann nicht, wenn die Überweisung ohne gesetzliche Grundlage erfolgte (EvBl 1974/289 = RZ 1974/89; EvBl 1981/220 = Arb 9.964 ua; zuletzt 4 Ob 1639/95; vgl RZ 1985/72 zu § 230a ZPO; Rechberger in Rechberger, § 230a ZPO Rz 3, § 261 ZPO Rz 12, je mwN), wenn er also den Bestimmungen des § 261 Abs 6 ZPO derart widerspricht, daß der Zweck des dort verfügten Rechtsmittelausschlusses nicht mehr erfüllt wird (SZ 61/265; 1 Ob 581/95 ua; Simotta, der Überweisungsantrag nach § 230a ZPO in JBl 1988, 366 f mit Beispielen). Ein bedingter Überweisungsantrag kann als unzulässige Prozeßhandlung nicht die im § 261 Abs 6 ZPO vorgesehenen Rechtsfolgen auslösen und ist so zu behandeln, als sei er nicht gestellt worden (Arb 9.821; EvBl 1968/307; EvBl 1958/278; RIS-Justiz RS0040186). Dazu zählt auch der - wie hier - nur für den Fall der Rechtskraft der Unzuständigkeitsentscheidung gestellte Überweisungsantrag (EvBl 1974/289 mwN; Arb 9.821). Von dieser Auffassung abzugehen, besteht kein Anlaß. War demnach der Überweisungsantrag der Klägerinnen nicht zu beachten, hätte das Rekursgericht über die vom Erstgericht als berechtigt beurteilte Einrede der von der Beklagten erhobenen örtlichen Unzuständigkeit entscheiden müssen.

Nach § 521a Abs 1 Z 3 ZPO ist der Rekurs gegen einen Beschluß, mit dem eine Klage nach Eintritt der Streitanhängigkeit zurückgewiesen oder ein Antrag auf Zurückweisung der Klage verworfen wurde, dem Gegner des Rekurswerbers durch das Prozeßgericht erster Instanz zuzustellen. Der Rekursgegner kann in diesen Fällen binnen einer Notfrist von vier Wochen ab der Zustellung des Rekurses beim Prozeßgericht erster Instanz eine Rekursbeantwortung anbringen. Zwar ist das Rekursverfahren überall dort, wo nichts Gegenteiliges angeordnet ist, einseitig (2 Ob 60/95; EFSlg 44.131 ua; Kodek in Rechberger, § 521a ZPO Rz 1; Fasching aaO Rz 1966), eine Erweiterung auf andere, im § 521a ZPO nicht genannte Fälle wird aber dann als durch Analogie erforderlich angesehen, wenn sich die Rekurse gegen Beschlüsse wenden, durch die in der Hauptsache entschieden wird oder die über die Zulässigkeit des Verfahrens absprechen (Fasching aaO Rz 1966). Das wird damit begründet, daß das Fehlen der Möglichkeit, Gegenargumente ins Treffen zu führen, besonders in jenen Fällen, in denen in einer kontradiktorischen Sache zwar eine Endentscheidung ergeht, diese aber infolge ihrer Entscheidungsart als Beschluß nur mit Rekurs angefochten werden kann, unerträglich sei (vgl RZ 1986/48 unter Hinweis auf die Materialien). Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht die von der Beklagten erhobene Einrede der örtlichen Unzuständigkeit als berechtigt erachtet; eine solche Entscheidung unterfällt an sich § 521a Abs 1 Z 3 ZPO. Zur dort der Zweiseitigkeit des Rekurses vorausgesetzten Klagszurückweisung kam es nur deshalb nicht, weil das Erstgericht - zu Unrecht - den von den Klägerinnen unwirksamerweise gestellten Überweisungsantrag nach § 261 Abs 6 ZPO als wirksam ansah und der bekämpften Anordnung nur deshalb keine verfahrensbeendende Wirkung zukam. Dementsprechend sprach auch die zweite Instanz inhaltlich über die Unzuständigkeitseinrede ab. In einem solchen Fall muß nach den Wertungen des Gesetzgebers und der Rechtsprechung (vgl die Beispiele bei Kodek aaO § 521a ZPO Rz 3) das Rekursverfahren zweiseitig gestaltet sein:

Spricht das Erstgericht - etwa, wie hier, infolge einer Einrede des Beklagten - seine örtliche Unzuständigkeit aus und überweist es, obwohl der vom Kläger gestellte Überweisungsantrag bedingt und deshalb unwirksam ist, sodaß er als nicht gestellt zu beurteilen ist, die Rechtssache an das seiner Auffassung nach nicht offenbar unzuständige Gericht, ist das darüber abgeführte Rekursverfahren iSd § 521a Abs 1 Z 3 ZPO zweiseitig.

Durch die Verletzung der Bestimmung über die Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens gemäß § 521a Abs 1 Z 3 ZPO dadurch, daß das Rekursgericht, ohne der Beklagten Gelegenheit zur Beantwortung des Rekurses zu geben, über diesen Rekurs meritorisch entschied, wurde ihr die Möglichkeit zur Beteiligung am Rechtsmittelverfahren und damit das rechtliche Gehör durch einen ungesetzlichen Vorgang iS des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO entzogen (RZ 1986/48; 5 Ob 533/94 ua; RIS-Justiz RS0042158; Fasching aaO Rz 703). Obgleich es sich um die Berücksichtigung bloßer Rechtsausführungen handelt, darf der Oberste Gerichtshof aus Anlaß des Revisionsrekurses nicht in der Sache selbst entscheiden: Die Grundsätze des „fair trial“ (Art 6 MRK) verlangen es vielmehr, daß schon die zweite Instanz auf die Ausführungen des Rechtsmittelgegners Bedacht zu nehmen hat. Ob daher hier die Voraussetzungen des § 81 JN vorliegen, kann vom Obersten Gerichtshof derzeit noch nicht beantwortet werden.

Das Revisionsrekursverfahren ist zweiseitig, weil das Rekursgericht keinen Aufhebungsbeschluß (MietSlg 41/38), sondern ungeachtet der Textierung mit der inhaltlichen Verwerfung der von der Beklagten erhobenen Einrede der örtlichen Unzuständigkeit eine abändernde Entscheidung traf.

Die Entscheidung zweiter Instanz wurde am 11.April 1996 zugestellt, das Rechtsmittel am 3.Mai 1996 und damit nach Ablauf der 14tägigen Rechtsmittelfrist des § 521 Abs 1 ZPO erhoben. Da § 521a ZPO auf den vorliegenden Fall aber anzuwenden ist, ist das Rechtsmittel demnach rechtzeitig.

Der Kostenvorbehalt fußt auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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