OGH 1Ob581/95

OGH1Ob581/956.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Kurt F*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Helmut P*****, wider die beklagte Partei ***** Gesellschaft der *****regGenmbH, Wien 3., Baumanngasse 10, vertreten durch Dr.Walter Haindl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Rechnungslegung und Zahlung (Streitwert 90.000 S), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 21.April 1995, GZ 3 R 46/95-11, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 22.Dezember 1994, GZ 39 Cg 24/94-8, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs und die Revisionsrekursbeantwortung werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Gemeinschuldner arbeitet(e) als "Alleinunterhalter (Pianist) und Berufskomponist". Aufgabe der beklagten Partei ist es nach dem Inhalt ihrer Statuten vor allem, die ihr von Mitgliedern und Tantiemenbezugsberechtigten überlassenen Aufführungs-, Vortrags- und Senderechte durch einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb treuhändig zu verwalten. Am 17.März 1977 beantragte der Gemeinschuldner unter Verwendung eines Formulars der beklagten Partei die "Zulassung als Tantiemenbezugsberechtigter". Vorbereitende Gespräche hatten nicht stattgefunden. Nicht festgestellt werden kann, daß dem Antragsformular die Statuten der beklagten Partei und die Satzungen ihres Rechtsschutzbüros (R.S.B.) nicht angeschlossen waren. Die ersten drei Absätze des vom Gemeinschuldner schließlich unterfertigten Antragsformulars lauteten wie folgt:

"Ich ersuche um Zulassung als Tantiemenbezugsberechtigter der ***** Gesellschaft der ***** reg.Genossenschaft m.b.H., Wien.

Für den Fall der Zulassung erkläre ich, die mir bekannten und in einem Exemplar übergebenen Statuten der Gesellschaft, soweit sie die Tantiemenbezugsberechtigten betreffen, ferner die Satzungen des Rechtsschutzbüros (§§ 25 und 26 der Statuten) und die Richtlinien für soziale Zuwendungen (§ 11 Abs 13 der Statuten) vorbehaltlos anzuerkennen.

Hinsichtlich der Satzungen des Rechtsschutzbüros unterwerfe ich mich hiermit insbesondere dem Rechtsschutzbüro als Rechtskommission und den Sprüchen des Rechtsschutzbüros als Schiedsgericht und als Disziplinarkommission."

Mit Schreiben vom 18.April 1977 teilte die beklagte Partei dem Gemeinschuldner mit, daß ihr Vorstand in der Sitzung am 14.April 1977 beschlossen habe, ihn als Tantiemenbezugsberechtigten aufzunehmen. Für den Zeitraum vom 1.März bis 31.Oktober 1991 verweigerte die beklagte Partei die Auszahlung von Tantiemen an den Gemeinschuldner und behauptete, er habe "Veranstaltungen zum Teil fingiert bzw die Aufführung eigener Werke in zu hohem Ausmaß angegeben".

Die "Satzungen des Rechtsschutzbüros (R.S.B.)" enthalten auszugsweise folgende Bestimmungen:

"Allgemeine Bestimmungen

§ 2

Bezüglich der in diesen Satzungen festgelegten Rechte und Pflichten sind die Tantiemenbezugsberechtigten den Mitgliedern der ***** gleichzuhalten.

Schiedsrichterliches Verfahren

§ 15

(1) Jedes Mitglied der ***** ist

a) .......

b) verpflichtet, die Entscheidung einer aus dem Mitgliedschaftsverhältnis (Vertragsverhältnis) entspringenden Rechtsstreitigkeit zwischen dem Antragsteller und der *****oder zwischen dem Antragsteller und einem anderen Mitglied der *****

durch das R.S.B. als Schiedsgericht im Sinne des 4.Abschnittes der Zivilprozeßordnung vom 1.August 1895, BGBl Nr. 113, zu beantragen.

(2) ....

(3) Falls dem Antrag nach Absatz 1 Punkt a oder b stattgegeben wird, hat das R.S.B. als Schiedsgericht im Sinne der Z.P.O. zusammenzutreten.

(4) Die betreffenden Mitglieder der ***** (Parteien) sind über Verlangen des Schiedsgerichtes verpflichtet, vor Eingehen in das schiedsrichterliche Verfahren einen besonderen Schiedsvertrag zu unterzeichnen."

Der Kläger begehrte, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm über die vom Gemeinschuldner im Zeitraum vom 1.März bis 31.Oktober 1991 "erbrachten Aufführungen und demzufolge zustehenden Tantiemen nach den geltenden Statuten und Verteilungsbestimmungen Rechnung zu legen" und "den aufgrund der Rechnungslegung sich als Tantiemenbezug ergebenden Geldbetrag zuzüglich 4 % Zinsen seit Klagsbehändigung zu bezahlen". Vorgebracht wurde - soweit für das Revisionsrekursverfahren noch von Interesse - im wesentlichen:

Die Weigerung der beklagten Partei, für die künstlerische Tätigkeit des Gemeinschuldners Tantiemen zu bezahlen, beruhe auf unrichtigen Behauptungen. Eine gültige Vereinbarung für ein schiedsgerichtliches Verfahren bestehe nicht.

Die beklagte Partei erhob die Einrede der "Unzulässigkeit des ordentliches Rechtsweges" wegen des Vorliegens einer rechtswirksamen Schiedsgerichtsvereinbarung und wendete im übrigen ein, dem Gemeinschuldner stünden "für offenbar fingierte Veranstaltungen" keine Tantiemen zu.

In der Verhandlung vom 7.Juli 1994 beantragte der Kläger, "die Klage im Sinne des § 261 Abs 6 ZPO an das Rechtsschutzbüro der Beklagten zu überweisen", falls das Gericht seine Unzuständigkeit aussprechen sollte (ON 7 Seite 2).

Das Erstgericht wies die Klage zurück und den Überweisungsantrag ab.

Es vertrat rechtlich im wesentlichen die Ansicht:

Ein Schiedsvertrag sei gemäß § 577 Abs 3 ZPO schriftlich zu errichten. Diese Voraussetzung sei erfüllt. Indem sich der Gemeinschuldner den Statuten der beklagten Partei schriftlich unterworfen und diese seinem Ersuchen um Zulassung als Tantiemenbezugsberechtigter entsprochen habe, sei ein wirksamer Schiedsvertrag durch Brief und Gegenbrief zustande gekommen. Wegen des Vorliegens einer gültigen Schiedsvereinbarung sei die Klage zwar nicht wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges, jedoch wegen sachlicher Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes zurückzuweisen. Der Überweisungsantrag des Klägers sei dagegen abzuweisen, da das Rechtsschutzbüro der beklagten Partei als Schiedsgericht gemäß § 15 Abs 3 seiner Satzungen erst nach der Stattgebung eines Entscheidungsantrages zusammentrete. Sei aber ein Schiedsgericht für den Einzelfall "noch überhaupt nicht zusammengesetzt", scheide eine Überweisung gemäß § 261 Abs 6 ZPO aus. Der Kläger habe auch nicht bekanntgegeben, "an wen und welche Adresse eine solche Überweisung zu richten wäre".

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Es erwog im wesentlichen:

Im Schrifttum sei bisher die Frage der Zulässigkeit einer Überweisung der Klage vom ordentlichen Gericht an ein Schiedsgericht gemäß § 261 Abs 6 ZPO unterschiedlich beantwortet worden. Während Petschek (Anm zu OLG Wien ZBl 1934/21) für eine Überweisung auch an ein Gelegenheitsschiedsgericht gemäß §§ 577 ff ZPO eintrete, lehne Fasching (Kommentar III 213) nicht nur eine Überweisung an Gelegenheitsschiedsgerichte, sondern auch an institutionelle Schiedsgerichte gemäß § 599 ZPO als unzulässig ab. Die Rechtsprechung halte dagegen die Überweisung an ein Schiedsgericht nur dann für zulässig, wenn dieses im Zeitpunkt der Überweisung bereits bestanden habe, was für erst zu bildende Schiedsgerichte - seien es auf Schiedsvertrag beruhende oder noch nicht zusammengetretene institutionelle - nicht zutreffe (OLG Wien ZBl 1934/21). Daran sei festzuhalten, weil gerade wegen der beschränkten Anfechtbarkeit einer Überweisung gemäß § 261 Abs 6 ZPO eine restriktive Anwendung geboten sei, "um die Sicherheit der Rechtsverfolgung auch vor dem Schiedsgericht zu garantieren". Habe - wie im vorliegenden Fall - ein Schiedsgericht erst auf Antrag zusammenzutreten und einen Beschluß über die Annahme des Rechtsschutzgesuches zu fassen, könne von einem "bestehenden Schiedsgericht" keine Rede sein; nach Wortlaut und Sinn des § 261 Abs 6 ZPO sei aber ein bereits existentes Gericht Voraussetzung für eine Klageüberweisung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist unzulässig.

Stellt der Kläger einen Antrag gemäß § 261 Abs 6 ZPO, so hat er sich damit für den Fall, daß der Einrede der Unzuständigkeit und dem Überweisungsantrag stattgegeben wird, diesem Beschluß im vorhinein unterworfen (Arb 9320; EvBl 1968/307; Neumann, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen4 [1928] 968). Auch damit zusammenhängend soll also der in § 261 Abs 6 ZPO geregelte Rechtsmittelausschluß einen Zwischenstreit über die Zuständigkeit verhindern, wenn durch die erfolgte Überweisung die Grundlagen für die umgehende Fortführung des Verfahrens geschaffen sind. Spricht dagegen das Gericht seine Unzuständigkeit aus, ohne dem Überweisungsantrag stattzugeben, dann ist diese Entscheidung anfechtbar (Fasching, Kommentar III 218). Soweit jetzt Fasching (ZPR2 Rz 218) und Rechberger (in Rechberger, Kommentar zur ZPO Rz 3 zu § 230 a) unter Berufung auf die Entscheidung OLG Wien WR 115 die Ansicht vertreten, es sei nur die Zurückweisung des Überweisungsantrages wegen Unzulässigkeit bekämpfbar, nicht aber auch dessen Abweisung, ist ihnen nicht zu folgen. Wenn auch in der zitierten Entscheidung des OLG Wien von einer "Zurückweisung" des Überweisungsantrages die Rede ist, läßt sich daraus nicht schließen, die Abweisung eines Überweisungsantrages falle unter den in § 261 Abs 6 ZPO geregelten Rechtsmittelausschluß. Hervorgehoben wird der für jede Form der Erledigung des Überweisungsantrages verallgemeinerungsfähige Grundsatz, daß der Rechtsmittelausschluß nur der Verhinderung eines Zwischenstreits über die Zuständigkeit diene, wenn eine angeordnete Überweisung die umgehende Verfahrensfortführung ermögliche. Allein diesen Zweck hat die aus dem Überweisungsantrag abzuleitende Erklärung des Klägers, sich einer Unzuständigkeitsentscheidung im vorhinein zu beugen. Der Rechtsmittelausschluß kann daher insoweit auch nur auf einen solchen Tatbestand bezogen werden. Dagegen macht es für das durch die Klage zum Ausdruck gebrachte Rechtsschutzbegehren keinen Unterschied, ob der Überweisungsantrag des Klägers ab- oder zurückgewiesen wird; ist nämlich der Überweisungsantrag nicht erfolgreich, so entfallen damit - unabhängig von der Entscheidungsform - die Grundlagen für eine umgehende Verfahrensfortführung. Soweit sich Rechberger (aaO) für die nach seiner Ansicht erforderliche Differenzierung zwischen Zurück- und Abweisung des Überweisungsantrages auch auf die Entscheidung RZ 1985/72 beruft, wurde der darin vertretene Standpunkt in späteren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs nicht mehr aufrechterhalten; danach ist ein Überweisungsbeschluß nur dann anfechtbar, wenn er den Bestimmungen des § 261 Abs 6 ZPO derart widerspricht, daß der Zweck des dort verfügten Rechtsmittelausschlusses nicht mehr erfüllt wird (8 Ob 607/91; SZ 61/265).

Der erkennende Senat kommt daher - zusammenfassend - zum Ergebnis, daß im vorliegenden Fall sowohl der Ausspruch auf Klagezurückweisung als auch jener auf Abweisung des vom Kläger gestellten Überweisungsantrages im Beschluß vom 22.Dezember 1994 anfechtbar war. Damit ist aber für den Kläger im Ergebnis nichts gewonnen. Er bekämpfte nämlich im Rekursverfahren lediglich die durch das Erstgericht ausgesprochene Abweisung seines Überweisungsantrages, während der Ausspruch auf Klagezurückweisung in Rechtskraft erwuchs. Wies aber das Erstgericht den Überweisungsantrag ab und bestätigte das Rekursgericht - wie hier - diese Entscheidung, so kann dessen Bestätigung gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nicht mehr mittels Revisionsrekurses angefochten werden, weil Gegenstand des Rekursverfahrens nur die Abweisung des Überweisungsantrages, nicht jedoch der Beschluß auf Klagezurückweisung war. Das wurde vom Obersten Gerichtshof für den vergleichbaren Fall der Abweisung eines Überweisungsantrags gemäß der § 261 Abs 6 ZPO nachgebildeten Regelung des § 230a ZPO (8 Ob 607/91; RZ 1985/72) auch schon wiederholt ausgesprochen (7 Ob 622/93; 8 Ob 571/93).

Der Revisionsrekurs des Klägers erweist sich daher trotz der den Obersten Gerichtshof gemäß § 526 Abs 2 ZPO nicht bindenden Zulassung durch das Gericht zweiter Instanz als unzulässig, weshalb seine Zurückweisung auszusprechen ist.

Die beklagte Partei erhielt eine Gleichschrift des Revisionsrekurses am 1.Juni 1995 zugestellt. Die erst am 28.Juni 1995 zur Post gegebene Revisionsrekursbeantwortung ist als verspätet zurückzuweisen, weil sich die aus § 521a Abs 1 Z 3 und Abs 2 ZPO für den ersten Anwendungsfall ergebende Rechtsmittelfrist von vier Wochen nur auf einen Beschluß des Rekursgerichtes bezieht, mit dem eine Klagezurückweisung nach Eintritt der Streitanhängigkeit bestätigt wurde. Im vorliegenden Fall war aber die vom Erstgericht ausgesprochene Klagezurückweisung nicht Gegenstand des Rekursverfahrens.

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