European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00203.19P.1119.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 860,58 EUR (darin 143,43 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Auch wenn das Berufungsgericht aussprach, dass die Revision zulässig sei, muss die Revisionswerberin eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht sie – wie hier – nur Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen (vgl RS0102059; RS0048272 [T11]).
Die Klägerin leitete ihr Zahlungsbegehren aus der Nichterfüllung eines mit der Beklagten abgeschlossenen Vertrags ab, in dem sie sich (unter anderem) zur Erstellung einer Homepage für die Beklagte verpflichtet hatte. Diese hält der Klage auch in dritter Instanz entgegen, dass sie vom Vertrag wegen Verzugs der Klägerin mit der mangelfreien Erbringung ihrer Leistung zurückgetreten sei. Außerdem sei der Vertrag wegen
Irrtums sowie arglistiger Täuschung darüber, dass die Beklagte die Homepage nach Ablauf der zweijährigen Vertragslaufzeit nicht weiter nutzen könne, unwirksam.
Zum behaupteten Vertragsrücktritt wegen Verzugs der Klägerin geht die Revision, die insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (vgl RS0043603 [T2, T8]) und die Argumente zur behaupteten Leistungsstörung mit jenen zu den angeblichen Wurzelmängeln vermengt, nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, wonach die Klägerin die Homepage bis zum vereinbarten Fertigstellungstermin entsprechend den Vorgaben der Beklagten erstellt und inhaltliche sowie gestalterische Änderungswünsche zeitnahe umgesetzt hat. Sie legt auch nicht dar, worin die behaupteten „gravierenden Mängel“ bestünden.
Dafür, dass die Beklagte vorsätzlich – durch Unterlassung der ihrer Ansicht nach gebotenen Aufklärung – darüber getäuscht wurde, dass sie die zu erstellende Homepage nach Vertragsbeendigung nicht weiter nutzen dürfe, ergibt sich aus den Feststellungen kein Anhaltspunkt. Dass „allgemeine Äußerungen“ von Mitarbeitern der Klägerin „zur Verschleierung wesentlicher Umstände beigetragen“ hätten, lässt keine Täuschung über konkrete Gegebenheiten erkennen.
Zur Irrtumsanfechtung zeigt die Revisionswerberin ebenfalls keine zu korrigierende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts auf. Soweit sie den Standpunkt einnimmt, dass sich aus dem Vertrag die Berechtigung zur Nutzung der Homepage auch nach Vertragsablauf ergebe, steht dies einem behaupteten Irrtum darüber entgegen. Da die Beklagte aus einem solchen Vertragsverständnis aber ohnehin keinen erkennbaren Einwand gegen das Klagebegehren ableitet, muss auf die dazu in der Revision ins Treffen geführten Argumente (etwa dass sich die Berechtigung zur „Nachnutzung“ der Homepage aus einer Qualifikation der Verpflichtung der Klägerin zu deren Erstellung als Werkleistung ergebe) nicht eingegangen werden.
Soweit die Revisionswerberin ihrer Irrtumsanfechtung die Prämisse zugrundelegt, dass sie bei richtigem Vertragsverständnis – entgegen ihrer Vorstellung bei Vertragsabschluss – nach Vertragsbeendigung nicht über die Website verfügen dürfe, ist zwar davon auszugehen, dass eine vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung einen Geschäftsirrtum grundsätzlich veranlassen kann (vgl RS0108051). Es besteht aber keine allgemeine Rechtspflicht, den Vertragspartner über alle Umstände aufzuklären, die für seine Willensbildung von Bedeutung sein könnten. Eine solche Pflicht wäre nur dann anzunehmen, wenn der andere Teil nach den Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs eine Aufklärung erwarten darf (RS0014811), etwa wenn sonst der Vertragszweck gefährdet wäre oder ein Schaden droht (vgl RS0014811 [T5]). Die Schutzpflicht endet an der Grenze objektiver Vorhersehbarkeit einer Gefährdung der Interessen des Gegners (RS0014811 [T4]). Ob und in welchem Umfang eine Aufklärungspflicht besteht, ist stets eine Frage des Einzelfalls (vgl RS0014811 [T12]).
Das Berufungsgericht verneinte eine Aufklärungspflichtverletzung mit der Begründung, der Beklagten hätte aufgrund des Vertrags klar sein müssen, dass sie „nur zur zeitlich limitierten Nutzung der Systemleistungen berechtigt sei und nach Ablauf der Vertragslaufzeit keinen Anspruch auf Übernahme der programmierten Website haben würde“. Dies bedarf angesichts des Umstands, dass der Vertrag befristet abgeschlossen und der vereinbarte „Systemumfang“ (auch die Homepage) nur zur Nutzung zur Verfügung gestellt wurde und außerdem – worauf die Beklagte in erster Instanz selbst hinwies – klar war, dass die Website auf konzerneigenen Servern (der Klägerin) „gehostet“ werde, keiner Korrektur. Aufgrund welcher konkreten Umstände die Revisionswerberin dennoch – für die Klägerin erkennbar – davon ausgegangen sei, die Homepage nach Vertragsbeendigung weiter nutzen zu dürfen, legt sie nicht überzeugend dar. Schließlich wird der selbständig tragfähigen Begründung des Berufungsgerichts, wonach die Kausalität des behaupteten Irrtums für den Vertragsabschluss nicht nachgewiesen wurde, nur entgegengehalten, dass die Negativfeststellung auf einer unrichtigen Beweiswürdigung beruhe, was in dritter Instanz aber nicht mehr geltend gemacht werden kann (vgl RS0043371).
Soweit die Revisionswerberin darin eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO erblickt, dass es das Berufungsgericht unterließ, die einzelnen Vertragspflichten der Klägerin jeweils dem Dienst- oder Werkvertrag(‑srecht) zuzuordnen, wird nicht dargelegt, welche konkreten Rechtsfolgen aus einer solchen (umfassenden) Einordnung abgeleitet werden. In Wahrheit handelt es sich dabei um eine bloß abstrakte Rechtsfrage, deren Beantwortung nicht Aufgabe des
Obersten Gerichtshofs ist (RS0111271), was in der Revision durch die Behauptung eines (bloß) „allgemeinen Interesse der rechtssuchenden Bevölkerung bzw der Verbraucher [wobei die Beklagte Unternehmerin ist] an der Aufklärung über den Charakter der Elemente dieser Verträge“ noch unterstrichen wird.
Die im Rechtsmittel ins Treffen geführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu III ZR 79/09 befasst sich zwar – im Zusammenhang mit der vereinbarten Vorleistungspflicht des Kunden – mit der rechtlichen Einordnung von „Internet-System-Verträgen“ (wobei der Bundesgerichtshof davon ausging, dass die Herstellung einer Homepage nicht – wie beim Werklieferungsvertrag – als Lieferung einer beweglichen Sache zu verstehen ist); was sich daraus für den Standpunkt der Beklagten zur behaupteten Leistungsstörung und zu den eingewandten Willensmängeln ergeben soll, lässt die Revision jedoch nicht erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0035979 [T16]).
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