European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00186.22T.1122.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.552,07 EUR (darin enthalten 258,68 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger begehrte, beide Beklagte schuldig zu erkennen, die Verkehrszeichen „Einfahrt verboten“, mit der in deren Mitte jeweils eingefügten Aufschrift „Privatgrund“, von den jeweils in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken zu entfernen, die Erstbeklagte darüber hinaus zu verurteilen, auch ein Zusatzschild mit der Aufschrift „Nicht erlaubtes Befahren ist Besitzstörung und wird ausnahmslos zur Anzeige gebracht!“, von ihrem Grundstück zu entfernen, das Anbringen solcher Verkehrszeichen oder ähnliche Störungshandlungen zu unterlassen sowie das Begehen und Befahren ihrer Grundstücke durch den Kläger zu dulden, und erhob dazu ein (rechtskräftig abgewiesenes) Eventualbegehren. Er (bzw seine Rechtsvorgänger) würde(n) seit mehr als 30 Jahren über einen Weg, der über diese Grundstücke führe, zu seiner Liegenschaft fahren. Dieser Weg, der damals noch anders bezeichnet worden sei, sei bereits 1968 durch Bescheid der Gemeinde für öffentlich im Sinne des Kärntner Straßengesetzes (K-StrG) erklärt worden. In diesem Bescheid habe die Behörde festgestellt, dass der Weg sowohl über das Grundstück des Zweitbeklagten als auch über jenes der Erstbeklagten führe. Erstmals im Sommer 2015 habe er beobachtet, dass auf dem Grundstück des Zweitbeklagten am Beginn des Wegs das Verkehrszeichen „Einfahrt verboten“ mit der Aufschrift „Privatgrund“ aufgestellt worden sei. Im Frühjahr des Jahres 2017 habe die Erstbeklagte im östlichen Bereich ihres Grundstücks ein weiteres Verkehrszeichen mit einer solchen Aufschrift sowie ein Zusatzschild mit dem Inhalt „Nicht erlaubtes Befahren ist Besitzstörung und wird ausnahmslos zur Anzeige gebracht!“ angebracht. Es handle sich um einen für öffentlich erklärten Weg, sodass dessen Benutzung jedermann, daher auch ihm, zustehe.
[2] Die Beklagten wendeten unter anderem ein, dass der für öffentlich erklärte Weg nicht über ihre Grundstücke verlaufe.Selbst wenn die Benutzung des Wegs für die Öffentlichkeit freigegeben worden sein sollte, werde dadurch ihr Privateigentum an den Straßen und Grundflächen nicht berührt, sodass sie die Bedingungen für die Benützung des Wegs festlegen könnten.
[3] Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren statt. Es ging in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass der Weg über die Grundstücke der Beklagten, wenn damals auch noch unter anderer Bezeichnung, mit Bescheid des Bürgermeisters vom 19. 9. 1968 für öffentlich erklärt und über seine gesamte Streckenlänge als Geh- und Fahrweg (zur Benützung mit allen Fahrzeugen) gewidmet worden sei. Etwa 2017 habe der Ehemann der Erstbeklagten mit deren Zustimmung auf deren Grundstück eine Verbotstafel mit der zentrierten Aufschrift „Privatgrund“ sowie der Zusatztafel „Nicht erlaubtes Befahren ist Besitzstörung und wird ausnahmslos zur Anzeige gebracht!“ aufgestellt. Der Zweitbeklagte habe ein solches Verkehrsschild (jedoch ohne Zusatztafel) auf seinem Grundstück entweder im Jahr 2016 oder 2017 angebracht. Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass es sich um einen öffentlichen Weg, der als Geh- und Fahrweg gewidmet sei, handle, der unabhängig von den tatsächlichen Eigentumsverhältnissen von jedermann mit Fahrzeugen aller Art benutzt werden dürfe. Das Aufstellen von Fahrverbotstafeln iSd § 52 lit a Z 1 StVO durch die Beklagten widerspreche dieser Widmung, weil so suggeriert werde, dass die Benutzung nicht erlaubt sei.
[4] Das Berufungsgericht erklärte das Ersturteil für nichtig und wies die Klage über das Hauptbegehren wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Das Eventualbegehren wies es rechtskräftig ab. Der Kläger habe zu seinem Hauptbegehren geltend gemacht, dass der Weg zur öffentlichen Straße erklärt worden sei, und sich damit auf den Gemeingebrauch berufen. Der Gemeingebrauch, der auch an Sachen im Privateigentum bestehen könne, werde als eine Art öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit verstanden. Über Bestand und Umfang des Gemeingebrauchs sowohl am öffentlichen Gut als auch an Sachen im Privateigentum entscheide die Verwaltungsbehörde, die auch für die ungehinderte Ausübung des Gemeingebrauchs zu sorgen habe. Derjenige, der in der Ausübung des Gemeingebrauchs gestört werde, könne Abhilfe daher nur von der zuständigen Verwaltungsbehörde verlangen, weil sein Anspruch auf öffentlichem Recht beruhe. Der Rechtsweg für die vom Kläger mit seinem Hauptbegehren geltend gemachten Ansprüche sei daher unzulässig.
[5] Der von den Beklagten beantwortete Rekurs des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[6] 1. Die Zulässigkeit des Rechtswegs ist eine absolute Prozessvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens bis zur Rechtskraft der Entscheidung auch von Amts wegen wahrzunehmende (RIS-Justiz RS0046249 [T4]). Da sich das Berufungsgericht mit dem zur Klagezurückweisung führenden Nichtigkeitsgrund erstmals auseinandergesetzt hat, steht dem Kläger der (Voll‑)Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zu. Sein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof unterliegt damit nicht den Beschränkungen des § 528 ZPO (RS0116348; RS0043861).
[7] 2. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs sind der Wortlaut des Klagebegehrens und der Klagesachverhalt (die Klagebehauptungen) maßgebend, also die Natur und das Wesen des geltend gemachten Anspruchs (RS0045584; RS0005896; ua). Danach ist zu beurteilen, ob ein privatrechtlicher Anspruch iSd § 1 JN erhoben wurde, über den die Zivilgerichte zu entscheiden haben (RS0045584 [T16]; RS0045718 [T13]).
[8] 3. Als Gemeingebrauch wird die jedermann unter gleichen Bedingungen ohne besondere behördliche Bewilligung und ohne Zustimmung des über die betroffene Liegenschaft Verfügungsberechtigten zustehende Freiheit verstanden, bestimmte Sachen entsprechend ihrer Zweckbestimmung bzw im Rahmen der Üblichkeit zu verwenden (RS0009781 [T5]; RS0009760). Der Gemeingebrauch besteht nicht nur am „öffentlichen Gut“, sondern kann auch am Privateigentum begründet werden (8 Ob 20/14w mwN).
[9] 3.1. Der Kläger wendet sich nicht grundsätzlich gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass er sein Hauptbegehren nach den maßgeblichen Klagebehauptungen auf den Gemeingebrauch stützt. Er meint aber, eine Unzulässigkeit des Rechtswegs liege auch in einem solchen Fall nur vor, wenn eine positive Gesetzesvorschrift die Verwaltungsbehörde ausdrücklich ermächtige, über Störungen und Eingriffe zu entscheiden und Abhilfe zu schaffen. Eine solche Ermächtigung finde sich in den maßgeblichen Vorschriften des K-StrG 2017 nicht.
[10] 3.2. Über Störungen und Eingriffe in den Gemeingebrauch öffentlicher Wege entscheidet nach der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs die Verwaltungsbehörde unter Ausschluss des Rechtswegs auch dann, wenn der Grund, über den der Weg verläuft, im Privateigentum steht (RS0029753). Auch wenn die Störung von einem Privaten ausgeht, kann der Einzelne, der in der Ausübung des Gemeingebrauchs gestört wird, Abhilfe nur von der zuständigen Verwaltungsbehörde verlangen, weil sein Anspruch aus einem öffentlichen Recht abgeleitet wird (RS0009811; 1 Ob 126/09z). Der Rechtsweg zur Geltendmachung von darauf gestützten Feststellungs-, Unterlassungs- und/oder Beseitigungsansprüchen ist damit ausgeschlossen (RS0012140 [T1]; 1 Ob 227/19t; 5 Ob 46/20f).
[11] 3.3. In dritter Instanz ist nicht mehr strittig, dass es sich bei dem über die Grundstücke der Beklagten verlaufenden Weg um eine öffentliche Straße gemäß § 1 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 lit b K-StrG handelt. § 72 Abs 1 lit b K‑StrG stellt jede Behinderung des Gemeingebrauchs einer öffentlichen Straße unter Strafe. Eine solche Behinderung macht der Kläger aber geltend, sodass seine Argumentation, das öffentliche Recht sehe keine Abhilfe gegen eine Beeinträchtigung des von ihm aus dem Gemeingebrauch abgeleiteten Nutzungsrechts vor, weswegen der Rechtsweg zulässig sein müsse, schon deswegen ins Leere gehen muss. Hinzu kommt, dass das unbefugte Anbringen von Einrichtungen zur Regelung des Verkehrs (wie unter anderem Straßenverkehrszeichen) nach § 31 Abs 1 StVO verboten ist und als Verwaltungsübertretung unter Strafe steht (§ 99 Abs 2 lit e StVO).
[12] Auch nach der von ihm zur Untermauerung seines Standpunkts genannten Entscheidung 7 Ob 344/63 ist es Sache der Verwaltungsbehörde, darüber zu wachen, dass niemand in der bestimmungsgemäßen Benützung einer öffentlichen Straße behindert wird und allenfalls Abhilfe zu schaffen. Auf welche Weise das zu geschehen hat, ergibt sich aus den verwaltungsrechtlichen Bestimmungen, sodass entgegen der Ansicht des Klägers aus der genannten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs keinesfalls geschlossen werden kann, ohne ausdrücklichen gesetzlichen Auftrag an die Verwaltungsbehörde, den Gemeingebrauch störende, vom privaten Grundstückseigentümer angebrachte Verbotsschilder zu beseitigen, sei der Rechtsweg für Unterlassungs- und/oder Beseitigungsansprüche, wie sie in der Klage geltend gemacht sind, eröffnet.
[13] 4. Da für das vom Kläger erhobene Hauptbegehren keine Entscheidungskompetenz der Gerichte besteht, kommt seinem Rekurs keine Berechtigung zu.
[14] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Der im Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Rechtswegs unterlegene Kläger hat den Beklagten die Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.
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