OGH 1Ob139/20b

OGH1Ob139/20b23.9.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch die Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH, Wien, sowie die Nebenintervenientin auf Seite der klagenden Partei P* GmbH, *, vertreten durch Dr. Michael Böhme, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei K* AG, *, Schweiz, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH, Wien, sowie die Nebenintervenientinnen auf Seite der beklagten Partei 1. E* AG, *, Schweiz, vertreten durch Dr. Peter Gatternig und Mag. Karl Gatternig, LL.M., Rechtsanwälte in Wien, und 2. F* AG, *, Schweiz, vertreten durch Dr. Herbert Gartner, Rechtsanwalt in Wien, wegen 2.078.060,93 EUR sA sowie Feststellung (Streitwert 50.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 1.393.070 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. April 2020, GZ 1 R 163/19a‑340, mit dem das Teilzwischenurteil des Handelsgerichts Wien vom 20. August 2019, GZ 20 Cg 68/06p‑333, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E129364

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei sowie der Nebenintervenientin auf Seite der klagenden Partei deren jeweils mit 5.141,09 EUR (darin 856,85 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

2.1. Das Berufungsgericht ging zutreffend davon aus, dass eine unbewegliche Sache im Sinn des § 933 ABGB (aufgrund des Vertragsabschlusses am 20. 11. 2001 in der Fassung vor dem Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetz BGBl I 2001/48) vorliegt, wenn der Vertragsgegenstand in der Herstellung einer unbeweglichen Sache besteht, Leistungen an einer solchen vorgenommen werden oder eine an sich bewegliche Sache durch dem Veräußerer obliegende Arbeiten zu einem (unselbständigen) Bestandteil einer unbeweglichen Sache gemacht wird (vgl RS0018787; RS0018734). Zu der den Anwendungsbereich der Vorschriften über den Warenkauf regelnden Bestimmung des § 381 Abs 2 UGB geht der Oberste Gerichtshof davon aus, dass es dann, wenn die herzustellende Sache an sich beweglich, aber zum festen Einbau in eine unbewegliche Sache bestimmt ist, grundsätzlich um die Herstellung einer unbeweglichen Sache geht, sofern vereinbarungsgemäß der (Sach-)Schuldner die bewegliche Sache mit der unbeweglichen in eine feste Verbindung bringt (3 Ob 153/16w). Ist eine bewegliche Sache nach dem Vertrag dazu bestimmt, durch eine nicht mehr dem Übergeber obliegende Tätigkeit Bestandteil einer unbeweglichen Sache zu werden, soll die feste Verbindung mit dieser also durch den Übernehmer erfolgen, betrifft der Vertragsinhalt hingegen eine bewegliche Sache, sodass die kürzere Gewährleistungsfrist des § 933 ABGB zur Anwendung kommt (vgl RIS‑Justiz RS0018847).

2.2. Im Einzelfall ist die Rechtsprechung zur Frage, ob ein Werk gewährleistungsrechtlich eine bewegliche oder unbewegliche Sache betrifft, kasuistisch. Als unbewegliche Sachen betreffende Gewerke wurden beispielsweise die Errichtung eines Kachelofens (3 Ob 194/57 = EvBl 1957/257), die Lieferung und der Einbau sanitärer Anlagen und einer Zentralheizung (5 Ob 141/62 = HS 3161/38), von Zaunstehern und daran befestigten Zaunelementen (1 Ob 142/01s) sowie von Fenstern und Türen (2 Ob 260/05g) angesehen, wohingegen etwa die Lieferung bzw Herstellung einer „mit einbetonierten Schrauben aufzustellenden“ Erdnussförderanlage (1 Ob 727/83; der Oberste Gerichtshof nahm dort allerdings ausdrücklich auf SZ 47/118 [= 3 Ob 195/74] Bezug, wo die Verbindung der beweglichen Sachen [Gaskühler und ein „Schmidtkessel“] mit einer unbeweglichen Sache [Industrieanlage] durch den Übernehmer erfolgte; ob dies auch im Sachverhalt der Entscheidung 1 Ob 727/83 der Fall war, kann dieser nicht klar entnommen werden) oder die Lieferung und Montage einer gebrauchten Tanzfläche (7 Ob 559/87) als Leistungen betreffend bewegliche Sachen qualifiziert wurden. In dem zu 7 Ob 642/85 gefassten Aufhebungsbeschluss sah es der Oberste Gerichtshof für die Einordnung eines Werks als eine bewegliche oder unbewegliche Sache betreffend als maßgeblich an, auf welche konkrete Art die dort gelieferten und durch dem Übergeber zuzurechnende Personen montierten Siloautomaten mit einer unbeweglichen Sache (Silos) verbunden wurden, insbesondere ob eine Absonderung der Automaten eine Beeinträchtigung oder Änderung der Substanz oder des Wesens der Anlage zur Folge hätte.

2.3. Gemäß § 297 ABGB gehören zu den unbeweglichen Sachen jene, die auf Grund und Boden in der Absicht aufgeführt werden, dass sie stets darauf bleiben sollen. Ein „Gebäude“ im Sinn dieser Bestimmung (dieser Begriff wird teilweise synonym zu jenem des „Bauwerks“ verwendet: vgl etwa 3 Ob 35/86; teilweise wird letzterer aber auch als Überbegriff gebraucht: vgl etwa 7 Ob 31/06v) ist alles, was auf Grund gebaut und mit diesem fest verbunden ist (RS0009921 [T1]). Dazu zählen nicht nur Häuser, sondern auch andere „Bauten“, wie etwa Umfassungsmauern, Holzzäune, Eisengitter, ständige Flaggenmasten, Aussichtswarten, Maschinenschuppen, Scheunen oder Transformatorenhäuser. Auch Fertigteilhäuser, Fertigteilschwimmbecken und Fertigteilgaragen werden dem Begriff des Gebäudes nach § 297 ABGB zugeordnet (RS0009921). Sie sind grundsätzlich unselbständige Bestandteile der Liegenschaft und daher wie diese sachenrechtlich unbeweglich. Voraussetzung für die Qualifikation einer Sache als Gebäude (Bauwerk) im Sinn des § 297 ABGB ist einerseits deren (grund-)feste Verbindung mit der Liegenschaft („erd-, mauer-, niet- und nagelfest“) und andererseits, dass der Gegenstand seiner Zweckbestimmung nach nicht an einen anderen Ort bewegt werden soll (vgl RS0009921 [T2]). Darauf, ob ein auf einer Liegenschaft errichtetes Bauwerk ohne erhebliche Beeinträchtigung der Substanz mit geringem Aufwand wieder abgetragen werden kann, kommt es grundsätzlich nicht an (vgl 3 Ob 35/86; 7 Ob 31/06v), was auch damit begründet wurde, dass Bauwerke vielfach aus Fertigteilen bestehen (7 Ob 513/87). Entscheidend für die Einordnung einer Sache als grundsätzlich sonderrechtsunfähiges (und daher unbewegliches) Bauwerk im Sinn des § 297 ABGB ist die Verkehrsauffassung (vgl etwa 7 Ob 222/00y; 7 Ob 31/06v mwN). Konkret qualifizierte der Oberste Gerichtshof etwa – neben den in RS0009921 genannten Beispielen – ein „abtragbares“ Blockhaus (3 Ob 35/86), eine mit der Aufstellungsfläche nicht untrennbar verbundene und ohne Beschädigung entfernbare Fertigteilgarage (vgl 7 Ob 513/87), einen auf einem Betonfundament und nicht etwa auf Rädern – stehenden Würstelstand (4 Ob 533/91), einen einbetonierten Starkstromleitungsmast (vgl den Hinweis in 7 Ob 222/00y) sowie eine „Schirmbar“ (7 Ob 31/06v) als Bauwerke im Sinn des § 297 ABGB.

2.4. Im vorliegenden Fall plante und errichtete die Beklagte für die Klägerin eine 140 Tonnen schwere, 28 Meter lange, sechs Meter breite und 18 Meter hohe Hochregalanlage. Sämtliche Verbindungen zwischen der von der Klägerin errichteten Bodenplatte und den 444 Regalstehern wurden mit Dübeln hergestellt. Die 12 Fußpunkte der (zusätzlichen) „Aussteifungstürme“ wurden zum Teil ebenfalls mit der Bodenplatte verdübelt, einzelne Punkte zusätzlich auch mit einbetonierten Trägern verschweißt, die ihrerseits mit im Erdreich eingelassenen Stahlbetonpfählen (mit Spezialmörtel umgossene Verbundanker) verbunden sind. Ohne die Verschweißung wäre das Hochregal (bei dem es sich um eine geschraubte Stahlkonstruktion handelt) nicht standfähig. Die Montage des Hochregals und dessen Verbindung mit dem Grund und Boden bzw der von der Klägerin (in ihrem Auftrag von einem Dritten) errichteten Fundamentplatte erfolgte vereinbarungsgemäß durch die Beklagte.

2.5. Dass das Berufungsgericht diesen Sachverhalt dahin beurteilte, dass der Werkvertrag die Errichtung einer unbeweglichen Sache im Sinn des § 933 ABGB zum Gegenstand hatte, bedarf keiner Korrektur. Den ihm bei der – nach der Verkehrsauffassung vorzunehmenden – Beurteilung, ob der Vertragsgegenstand eine bewegliche oder unbewegliche Sache betrifft, zustehenden Spielraum hat das Berufungsgericht schon deshalb nicht überschritten, weil das Hochregal – dessen Dimension jene eines durchschnittlichen Einfamilienhauses übersteigt (vgl RS0009819 = 7 Ob 169/75, wo eine Baukonstruktion auch aufgrund ihres Ausmaßes als unbeweglich angesehen wurde) – von der Beklagten mit dem Grundstück durch einbetonierte Bodenanker fest verbunden wurde, wodurch es erst seine Standfestigkeit erlangte und seine Funktion erfüllen konnte. Es bestanden für die Vertragsparteien auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die fest verankerte und rund 140 Tonnen schwere Anlage nicht am Ort ihrer Errichtung verbleiben sollte. Gegenteiliges wird von der Revisionswerberin auch nicht behauptet. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach nicht die das Hochregal umgebende, ihrem Witterungsschutz dienende Halle, sondern die sich darin befindliche (zwar mit dem Grundstück, jedoch nicht mit der sie umhüllenden Gebäudekonstruktion verbundene) Anlage „das Essentielle“ sei, kann nur dahin verstanden werden, dass das Gericht zweiter Instanz in dieser „den Kern“ des auf dem Grundstück errichteten Bauwerks erblickte. Diese Einschätzung, aus der sich ergibt, dass Vertragsgegenstand die Errichtung einer unbeweglichen Sache (eben eines Bauwerks im Sinn des § 297 ABGB) war, begegnet keinen Bedenken. Für diese spricht auch, dass das Hochregal was die Revisionswerberin nicht bezweifelt erdbebensicher errichtet werden sollte, sohin eine Eigenschaft vereinbart war, die typischerweise nur bei Gebäuden eine Rolle spielt.

2.6. Besteht der Vertragsgegenstand in der Herstellung eines mit dem Grundstück verbundenen Bauwerks, ist dem Einwand der Revisionswerberin, der Beurteilung des Hochregals als unbewegliche Sache stehe entgegen, dass dieses als mobile Anlage (ähnlich einem „überdimensionierten Ikea‑Regal“) ohne wesentlichen Substanzverlust und mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand demontiert und an anderer Stelle wieder errichtet werden könne, aber der Boden entzogen. Auch auf die in der Revision erhobene Behauptung eines sekundären Feststellungsmangels zur Frage, ob für solche Hochregale ein Gebrauchtmarkt besteht, muss mangels rechtlicher Relevanz nicht eingegangen werden.

3.1. Dass die fehlende Erdbebensicherheit der Hochregalanlage einen (Sach‑)Mangel darstellt, bezweifelt die Revisionswerberin nicht. Dass sich dieser bisher nicht auf die tatsächliche Verwendung der Anlage ausgewirkt hat, ändert nichts daran, dass das Hochregal für eine Verwendung am Betriebsstandort der Klägerin ungeeignet ist, muss sie doch damit rechnen, dass es einem Erdbeben nicht standhalten würde. Die Gebrauchstauglichkeit ist daher ungeachtet des Umstands, dass das Hochregal von der Klägerin seit der Übergabe benutzt wurde, beschränkt. Dass die von der Klägerin „beigestellte“ Fundamentplatte fehlerhaft errichtet wurde und es daher zu einer Verformung des Hochregals kam, hat nach den Feststellungen keinen Einfluss auf die fehlende Erdbebensicherheit. Die Revisionswerberin geht auch selbst von zwei voneinander unabhängigen Mängeln (Fehlern) aus. Der von ihr angestrebte – auf die „Beistellung eines ungeeigneten Stoffs“ im Sinn des § 1168a ABGB gestützte (vgl RS0021932) – Entfall der Gewährleistungsansprüche der Klägerin scheitert daher schon daran, dass die fehlende Erdbebensicherheit des Hochregals nicht durch einen der Sphäre der Klägerin zuzurechnenden „Umstand“ verursacht wurde, sodass es hinsichtlich dieses von der fehlerhaften Errichtung der Fundamentplatte gar nicht betroffenen Mangels bei der Gewährleistungspflicht zu bleiben hat (vgl 2 Ob 52/03s).

3.2. Soweit die Revisionswerberin einen (nicht näher bezifferten) Ausgleich jener Vorteile der Klägerin anstrebt, die ihr dadurch entstehen, dass sie sich durch eine Verbesserung des Hochregals (durch Neuherstellung) dessen sonst – durch die Verformung aufgrund der fehlerhaften Fundamentplatte – erforderliche Reparatur erspart und die Anlage außerdem eine längere Lebensdauer aufweist, ist ihr zu entgegnen, dass ein solcher Vorteilsausgleich bei der – hier zu beurteilenden – Gewährleistung nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung ausgeschlossen ist (RS0018699). Im Übrigen könnte der nach jüngerer (zur Rechtslage nach der WGN 1989 ergangener) Rechtsprechung (vgl RS0022788 [T3, T5]) bloß die Anspruchshöhe betreffende Einwand des Vorteilsausgleichs keinesfalls einen gänzlichen Ausschluss der Gewährleistung rechtfertigen und damit der Bejahung des Anspruchsgrundes nicht entgegengehalten werden.

4. Da die Revision keine weiteren substanziellen Argumente enthält, zeigt sie insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1 und 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat ebenso wie die auf ihrer Seite einschreitende Nebenintervenientin auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte