European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00128.21M.1012.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.369,16 EUR (darin enthalten 394,86 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Klägerin strebt die „Auflösung“ zweier mit der Beklagten abgeschlossener Kreditverträge wegen behaupteter Willensmängel an.
[2] Die Beklagte bestritt das Vorliegen von Willensmängeln und hielt der Klägerin entgegen, dass sie ihre Zahlungsverpflichtungen aus den Kreditverträgen mit vollstreckbarem Notariatsakt dem Grunde und der Höhe nach anerkannt habe. Die Kreditforderungen seien auch im – mittlerweile aufgehobenen – Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin bindend festgestellt worden. Die nunmehrige Anfechtung der Kreditverträge stehe dazu in einem „unlösbaren Widerspruch“. Das Klagebegehren sei „unzulässig“, es liege eine „res judicata“ vor. Die Klage sei rechtsmissbräuchlich, weil damit nur eine Verzögerung der Verwertung einer zugunsten der Beklagten verpfändeten Liegenschaft eines Dritten angestrebt werde.
[3] Das Berufungsgericht bestätigte die klageabweisende erstinstanzliche Entscheidung mit der Begründung, dass dem Klagebegehren sowohl das in Form eines vollstreckbaren Notariatsakts erklärte Schuldanerkenntnis als auch die Forderungsfeststellung im Insolvenzverfahren entgegenstehe. Die ordentliche Revision sei mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[4] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[5] 1. Eine behauptete Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens kann in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden, wenn sie – wie hier – schon vom Berufungsgericht verneint wurde (vgl RIS‑Justiz RS0042981). Soweit die Klägerin eine Nichtigkeit des Berufungsverfahrens gemäß § 477 Abs 1 Z 9 ZPO behauptet, ist ein Begründungsmangel im Sinn dieser Bestimmung, der nur bei einem gänzlichen Fehlen der Gründe, nicht aber bei einer bloß mangelhaften Begründung vorläge (RS0042206), nicht erkennbar.
[6] 2. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Von der Revisionswerberin behauptete erstinstanzliche Verfahrensfehler wurden bereits vom Berufungsgericht verneint und können in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden (RS0042963).
[7] 3. Die Beweiswürdigung kann im
Revisionsverfahren nicht angefochten werden (RS0043371). Bei der angestrebten „Ersatzfeststellung“, „das gegenständliche Schuldanerkenntnis sei nichtig und ungültig“, handelt es sich zudem um eine rechtliche Beurteilung.
[8] 4.1. Jede gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs setzt ein Rechtsschutzbedürfnis voraus (RS0038062), dessen Fehlen zur Abweisung des Sachantrags führt (RS0038062 [T2; T13]; RS0037297 [T8]). Bei einem – wie hier erhobenen (RS0014815 [T5; T6; T10]) – Rechtsgestaltungsbegehren wird das Rechtsschutzbedürfnis zwar regelmäßig vermutet, im Zweifel muss es aber behauptet und nachgewiesen werden (RS0038085). Nach der Judikatur ist das mangelnde Rechtsschutzinteresse nicht von Amts wegen, sondern nur über Einwand des Beklagten wahrzunehmen (vgl 7 Ob 519/84; 4 Ob 129/90; 9 ObA 10/97d = RS0038062 [T5]).
[9] 4.2. Die Beklagte hielt der Klage – wie dargestellt – entgegen, dass sie „unzulässig“ sei, weil die Klägerin ihre Verpflichtungen aus den Kreditverträgen anerkannt habe und diese außerdem im Insolvenzverfahren bindend festgestellt worden seien. Die nunmehrige Vertragsanfechtung stehe dazu in einem „unlösbaren Widerspruch“ und diene nur der Verzögerung der Rechtsdurchsetzung. Damit sprach sie das fehlende Rechtsschutzbedürfnis inhaltlich ausreichend bestimmt an. Die Klägerin hielt dem nichts Konkretes entgegen. Sie legte insbesondere nicht dar, inwieweit der angestrebten Rechtsgestaltung im Hinblick auf das mit vollstreckbarem Notariatsakt erfolgte – und gerichtlich unangefochten gebliebene – Anerkenntnis der Kreditforderungen, dessen Wirksamkeit sie mit keinen tragfähigen Argumenten bekämpft, sowie deren Feststellung als (vom Masseverwalter anerkannte) Konkursforderung – die mangels Bestreitung durch die Klägerin nach Konkursaufhebung Bindungswirkung entfaltet (vgl RS0064720) – praktische Bedeutung zukommen sollte. Dies ist auch nicht zu erkennen.
[10] 5. Die Kostenentscheidung, bei der ein geringfügiger Rundungsfehler im Kostenverzeichnis korrigiert wurde, beruht auf den §§ 41 Abs 1 und 50 Abs 1 ZPO.
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