OGH 1Ob126/23w

OGH1Ob126/23w20.9.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei L*, vertreten durch die Linsinger & Partner Rechtsanwälte OG in St. Johann im Pongau, zuletzt wegen Unterlassung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 6. Juni 2023, GZ 22 R 139/23d‑19, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00126.23W.0920.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin ist Eigentümerin von Grundstücken, über die ein öffentlicher Wanderweg führt. Sie traf den Beklagten auf ihrem Grundstück 498/1 an, als er mit einer Hacke Entwässerungsrillen am Weg säuberte. Dabei kam es zu einer Auseinandersetzung, wobei die Klägerin behauptet, vom Beklagten angegriffen und verletzt worden zu sein.

[2] Die Klägerin begehrt, dem Beklagten das Betreten ihrer Grundstücke neben dem Grundstück 498/1 auch bestimmter anderer Grundstücke zu untersagen und ihn zur Wiederherstellung des vorigen Zustands des Wegs durch Entfernung der von ihm gegrabenen Rillen und Quergräben zu verpflichten. Außerdem habe er es zu unterlassen, die Klägerin „körperlich zu attackieren und tätlich anzugreifen“. Für ihre Verletzung stehe ihr ein Schmerzengeld von 500 EUR zu.

[3] Der Beklagte verpflichtete sich mit gerichtlichem (Teil‑)Vergleich, es zu unterlassen, die Klägerin körperlich zu attackieren und tätlich anzugreifen; außerdem dazu, die Wartung der „Rillen und Quergräben“ künftig durch Dritte (familienfremde Personen) bzw den Tourismusverband durchführen zu lassen. Die Klägerin schränkte ihr Klagebegehren daraufhin auf das Unterlassen des Betretens ihrer Grundstücke ein.

[4] Das Erstgericht wies das eingeschränkte Klagebegehren ab. Das Betreten des Wanderwegs durch den Beklagten habe sich im Rahmen des Gemeingebrauchs gehalten. Er sei dazu ebenso wie zur Vornahme von Erhaltungsarbeiten am Weg auch aufgrund eines Viehtriebsrechts berechtigt gewesen. Ob er außer dem Grundstück 498/1 weitere Grundstücke der Klägerin betreten habe, habe nicht festgestellt werden können. Auf den konkreten Ablauf der Auseinandersetzung zwischen den Parteien komme es nicht an, weil diese kein Betretungsverbot rechtfertigen würde.

[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine solche Rechtsfrage auf:

[7] 1. Das Erstgericht begründete die Klageabweisung mit Ausnahme des Grundstücks 498/1 auch damit, dass der Klägerin der Beweis, dass der Beklagte diese betreten habe, nicht gelungen sei. Dies wurde von ihr nicht bekämpft. Mit Ausnahme des Grundstücks 498/1 (auf das sich die weiteren Ausführungen beziehen) bedarf die Klageabweisung daher schon aus diesem Grund keiner Korrektur (RS0118709).

[8] 2. Die Klägerin stützte das angestrebte Betretungsverbot in erster Instanz nur auf einen Eigentumseingriff des Beklagten, nämlich das Betreten des über ihr Grundstück verlaufenden Wegs sowie dessen Beschädigung. Ein Vorbringen, dass und weshalb auch der von ihr behauptete körperliche Angriff diesen Unterlassungsanspruch begründe, hat sie nicht erstattet. Folgerichtig war in erster Instanz nach Abschluss des Teilvergleichs nur mehr strittig, ob der Beklagte über ein Recht zum Betreten des Grundstücks verfügte. Auf dieser Grundlage kann die Argumentation der Revision, der Unterlassungsanspruch könne auch aus dem Recht auf körperliche Unversehrtheit abgeleitet werden, als unbeachtliche Neuerung keine erhebliche Rechtsfrage begründen.

[9] 3. Dass der Beklagte den Weg im Rahmen des Gemeingebrauchs betreten durfte, zieht die Revisionswerberin nicht mehr in Zweifel. Die Abweisung des auf ein umfassendes Betretungsverbot gerichteten Klagebegehrens begegnet daher keinen Bedenken. Ob der Beklagte den Weg auch aufgrund des Viehtriebsrechts betreten durfte, muss nicht geprüft werden.

[10] 4. Der Beklagte wäre auch zu keiner im Vergleich zum angestrebten Betretungsverbot eingeschränkten Unterlassung von Benutzungen des Wegs (insbesondere im Rahmen von „Erhaltungsarbeiten“) zu verpflichten gewesen:

[11] Die bei erfolgter Zuwiderhandlung vermutete Wiederholungsgefahr kann dadurch ausgeschlossen werden, dass gewichtige Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Beklagte ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (RS0012087; RS0080065 [T14, T21]). Solche Anhaltspunkte sind etwa anzunehmen, wenn der Störer einen den ganzen Unterlassungsanspruch umfassenden, an keine Bedingungen geknüpften Vergleich anbietet und keine Bedenken gegen die Ernstlichkeit seines Willens bestehen, künftig von gleichartigen Handlungen Abstand zu nehmen (RS0079899; RS0012087 [T9]). Dadurch, dass sich der Beklagte mit vollstreckbarem Vergleich verpflichtete, die „Wartung“ des Wegs künftig – gemeint offenkundig – nur durch Dritte (familienfremde Personen) durchführen zu lassen, entfiel die Gefahr, dass er solche Arbeiten künftig (selbst) vornehmen werde. Damit ist auch einem darauf beschränkten Unterlassungsausspruch der Boden entzogen.

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