European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00103.15A.0708.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.
Begründung:
Nachdem die Beklagten unter Hinweis darauf, dass Aktien der vormaligen I*****t AG im Jahr 2010 aufgrund einer Verschmelzung in Aktien der I*****z AG getauscht worden wären, und die Kläger aufgrund der Abspaltung der B***** AG von der I*****z im April 2014 B*****‑Aktien erhalten hätten, die Unbestimmtheit und Unschlüssigkeit ihres auf „Naturalrestitution“ gerichteten Begehrens geltend gemacht hatten, modifizierten die Kläger diesen Teil ihres Urteilsbegehrens so, dass sie die Zahlung von 101.200 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe zahlenmäßig bestimmt genannter Aktien der I*****z AG sowie der I*****t AG unter Angabe der jeweiligen ISIN‑Nummer begehrten. In eventu begehrten sie die Beklagten schuldig zu erkennen, ihnen 101.200 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 4. 2014 zu zahlen.
Das Erstgericht wies dieses (Teil‑)Hauptbegehren sowie das Eventualbegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. In seiner rechtlichen Beurteilung verwies es darauf, dass selbst nach den Ausführungen der Kläger eine Restitution der im modifizierten Klagebegehren genannten Aktien unmöglich sei, weil diese im Zuge einer Verschmelzung bzw Abspaltung umgetauscht worden seien. Ein Begehren, bei dem die Erbringung der Zug‑um‑Zug‑Leistung unmöglich sei, könne nicht exekutiert werden. Darüber hinaus bestehe beim Anlegerschaden kein Wahlrecht zwischen „Naturalersatz“ und Differenzanspruch, wenn die Wertpapiere ‑ wie hier ‑ von den Anlegern noch gehalten würden. Auch die Abweisung des Eventualbegehrens durch das Erstgericht sei daher zu Recht erfolgt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Kläger, die darin keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO ansprechen.
1. Entschließt sich der Geschädigte, die unerwünschte Anlage vorläufig noch zu behalten, besteht ein vereinfacht als „Naturalrestitution“ bezeichneter Anspruch, der auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen einen Bereicherungsausgleich durch Übergabe des noch vorhandenen Finanzprodukts an den Schädiger gerichtet ist (RIS‑Justiz RS0108267 [T15]; RS0120784 [T22]).
2. Auch die Zug‑um‑Zug‑Leistung muss im Sinn des § 7 Abs 1 EO genau bezeichnet sein (RIS‑Justiz RS0002046; RS0002042; vgl auch RS0001518). Die Unbestimmtheit einer Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung steht der exekutiven Durchsetzung einer ‑ an sich bestimmten ‑ (Haupt‑)Leistung entgegen (8 Ob 514/80 = RIS‑Justiz RS0002042 [T1]; RS0001518 [T1]). Ohne ausreichende Spezifikation ist die begehrte „Naturalrestitution“ daher als unmöglich anzusehen und das darauf gerichtete Begehren abzuweisen (7 Ob 77/10i = SZ 2011/40).
3. Die Kläger räumen auch in ihrer außerordentlichen Revision ein, dass sich wegen der gesellschaftsrechtlichen Vorgänge in den Jahren 2010 und 2014 die ISIN‑Nummer sowie nach einem bestimmten Umtauschschlüssel auch die Stückzahl der von ihnen gehaltenen Wertpapiere geändert hat. Dadurch hat sich aber nicht nur die „Bezeichnung“ der Veranlagung geändert, wie sie meinen. Soweit ein Umtausch stattgefunden hat, sind andere Aktien an die Stelle der ursprünglich erworbenen Wertpapiere getreten. Insoweit ist eine Restitution jener Aktien, die sie in ihrem modifizierten Begehren Zug um Zug gegen Zahlung des Erwerbspreises angeboten haben und damit der mit der „Naturalrestitution“ in Anlagefällen angestrebte Bereicherungsausgleich selbst nach ihrer Darstellung unmöglich. Entgegen ihrer Ansicht begründet es daher keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts, wenn es die Abweisung des darauf gerichteten (Teil‑)Hauptbegehrens bestätigte. Dass sich die von den Klägern aufgrund der Verschmelzung bzw Abspaltung tatsächlich gehaltene Anlage aus der von den Beklagten vorgelegten Transaktionsliste ergeben mag, stellt keine ausreichende Spezifikation ihres Naturalrestitutionsbegehrens dar, sondern macht lediglich deutlich, dass sie ihr darauf gerichtetes Begehren ungeachtet des von den Beklagten bereits in der Klagebeantwortung erhobenen Einwands und der von diesen vorgelegten Urkunde sowie Erörterung durch das Erstgericht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht ausreichend bestimmt zu gestalten vermochten.
4. Das Gericht darf die Parteien mit seiner Rechtsansicht nicht überraschen (dazu
RIS‑Justiz RS0037300). Daher wurde in der Entscheidung 7 Ob 105/05z festgehalten, dass der klagenden Partei auch noch im Berufungsverfahren Gelegenheit zur Vornahme einer Verbesserung ihres Begehrens zu geben ist, wenn diese sonst durch das berufungsgerichtliche Urteil überrascht wäre. Davon kann hier aber schon deshalb keine Rede sein, weil eine Erörterung ihres Begehrens mit den Klägern bereits im Verfahren erster Instanz erfolgte. Das übersehen diese, wenn sie geltend machen, sie hätten ihr (Teil‑)Hauptbegehren bereits in der Berufung schlüssig gestellt und dazu aus der Entscheidung 7 Ob 105/05z ableiten, dass darin kein Verstoß gegen das Neuerungsverbot gelegen sei. Dass nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bereits im Berufungsverfahren erfolglos geltend gemachte Verfahrensmängel erster Instanz nicht revisibel sind (für viele RIS‑Justiz RS0042963), erkennen die Kläger selbst. Davon abzugehen, bietet ihr Rechtsmittel ungeachtet ihrer Verweise auf anders lautende Literaturmeinungen keinen Anlass. Unklar bleibt im Übrigen, warum bei der gegebenen Sachlage die Erlassung eines Teilurteils und dessen Bestätigung durch das Berufungsgericht den Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO verwirklichen soll. Der von den Klägern zur Stützung ihrer diesbezüglichen Auffassung zitierten Entscheidung 2 Ob 623/52 (SZ 25/220) lag ein völlig anders gearteter Sachverhalt zugrunde.
5. Mit ihrem Eventualbegehren fordern die Kläger den Kaufpreis zurück und berufen sich dazu auf die Entscheidung 1 Ob 251/11k, die sie in ihren Aussagen grundlegend verkennen. Wenn darin ausgesprochen wird, dass der Anleger jedenfalls dann Geldersatz verlangen kann, wenn der Berater den Naturalersatz (Ersatz des Erwerbspreises gegen Rückstellung der erworbenen Werte) ablehnt oder Schadenersatz überhaupt verweigert, bedeutet dies keineswegs, er könne die von ihm erworbene Anlage weiter halten und die Beklagten müssten dennoch den vollen Kaufpreis rückerstatten. Diese Auffassung würde zur Bereicherung, nicht aber zum Ausgleich des aus der behaupteten Schlechtberatung resultierenden Schadens führen. Daher wird gerade der Fall, dass der Anleger das Erworbene noch hat, in der Entscheidung 1 Ob 251/11k als Beispiel dafür angeführt, dass der rechnerische Schaden nicht beziffert werden kann. Für einen solchen Fall wird die Möglichkeit erörtert, dass der Anleger ein auf Feststellung der Geldersatzpflicht gerichtetes Begehren erheben könne. Ein Feststellungsbegehren haben die Kläger aber gar nicht erhoben. Es erübrigt sich daher auch auf die von ihnen behauptete Divergenz zur Entscheidung 8 Ob 66/14k einzugehen. Richtig ist zwar, dass in der zuletzt genannten Entscheidung darauf hingewiesen wird, dass eine „Naturalrestitution“ untunlich sein könne, wenn eine sofortige Rückabwicklung etwa wegen der Kombination von Fremdwährungskredit und Tilgungsträger unmöglich oder unzumutbar sei, doch folgt auch daraus nur, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzungen das für ein Feststellungsbegehren geforderte besondere rechtliche Interesse vorliegen kann. Ein Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises, ohne dass die erworbene Anlage als Gegenleistung angeboten werden müsste, kann auch aus dieser Entscheidung nicht abgeleitet werden. Entgegen ihrer Auffassung bedurfte es daher auch keiner weitergehenden Feststellungen zur möglichen Untunlichkeit der „Naturalrestitution“, wobei ohnedies nicht nachvollzogen werden kann, aus welchen Erwägungen das Unterbleiben von Feststellungen zu einem Vorbringen, das nicht die Kläger, sondern die Beklagten erstatteten, die Nichtigkeit der Berufungsentscheidung nach sich ziehen soll.
6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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