Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. Dr. Bernhard K***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er von 17. Dezember 2007 bis 15. Dezember 2008 als Leiter der unter anderem für Gewerberecht zuständigen Abteilung der Bezirkshauptmannschaft Freistadt mit dem Vorsatz, die Republik Österreich und mehrere, im Urteil namentlich genannte, Anrainer an ihrem konkreten Recht auf Schutz vor Lärm, Staub und Geruch durch ordnungsgemäßen Vollzug gewerberechtlicher Vorschriften zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich missbraucht, dass er es unter bewusster Verletzung des § 360 Abs 1 iVm § 366 Abs 1 Z 3 (§§ 74 Abs 2 Z 2, 78 Abs 1 und 81 Abs 1 GewO 1994) unterließ, den Betrieb der konsenslos durch Umbau und Aufstockung des Mühlengebäudes sowie durch Erneuerung der darin untergebrachten Getreidereinigungs- und Mühlenanlage geänderten Betriebsanlage der P***** GmbH durch Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zur Schließung der Betriebsanlage und Erlassung eines darauf gerichteten Bescheids zu unterbinden.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider konnte die zeugenschaftliche Vernehmung von Dr. Heinz S***** zum Beweis dafür, „dass die Verfahrensführung des Angeklagten im AVG und in der gültigen Verwaltungspraxis, speziell in der Dienstbetriebsordnung der OÖ Landesbehörden“ und „im Controlling-Leitbild der OÖ Landesregierung als gedeckt angesehen wurde“ und die inkriminierte Vorgangsweise „der damals gültigen Praxis entsprochen hat und im Besonderen als vertretbare Rechtsauffassung angesehen wurde“ (ON 94 S 42), ohne Schmälerung von Verteidigungsrechten unterbleiben. Das Erstgericht ging nämlich zu Gunsten des Beschwerdeführers ohnehin von einer derartigen Praxis oberösterreichischer Verwaltungsbehörden (mit bescheidmäßigen Verfügungen im Sinn des § 360 Abs 1 zweiter Satz GewO zuzuwarten, wenn ein Antrag auf nachträgliche Genehmigung einer ‑ geänderten ‑ Betriebsanlage vorliegt) aus (US 10 f; vgl ON 94 S 43; RIS-Justiz RS0099135). Im Übrigen sind rechtliche Einschätzungen nicht Gegenstand des Zeugenbeweises (RIS-Justiz RS0097540).
Mit der Aussage des Zeugen Dr. Hans Z***** haben sich die Tatrichter beweiswürdigend auseinandergesetzt (US 11), weshalb der von der Mängelrüge erhobene Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ins Leere geht. Schon wegen des Gebots zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) war das Erstgericht nicht verhalten, diese ‑ zudem großteils aus rechtlichen Ausführungen bestehenden ‑ Depositionen im Urteil wiederzugeben (RIS-Justiz RS0098377).
Soweit die Mängelrüge im Zusammenhang mit der behaupteten Verwaltungspraxis in Oberösterreich die Feststellung des Inhalts „des Protokolls der Bezirkshauptleutekonferenz vom 30. 06. 2009 sowie die Stellungnahme der Bürgermeister des Bezirksgerichtes Freistadt“ fordert, übersieht sie, dass nur entscheidende Tatsachen festzustellen sind, wozu die rechtliche (ex-post) Beurteilung des inkriminierten Verhaltens durch andere (mit dem gegenständlichen Verwaltungsverfahren zudem nicht befasste) Beamte jedenfalls nicht zählt.
Bei der Wiedergabe der in § 360 Abs 1 GewO normierten Handlungspflicht der Gewerbebehörde (US 8) handelt es sich um keine Tatsachenfeststellung, weshalb der behauptete Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen dieser Urteilspassage und der Konstatierung, der Beschwerdeführer habe am 13. Dezember 2007 eine Verfahrensanordnung erlassen, in welcher die P***** GmbH aufgefordert wurde, „den Betrieb der noch nicht gewerbebehördlich genehmigten Betriebsanlagenteile“ einzustellen und so „unverzüglich“ (und nicht ‑ wie in der genannten Bestimmung vorgesehen ‑ innerhalb einer „angemessenen“ Frist) „den der Rechtsordnung entsprechenden Zustand herzustellen“ (US 5 iVm ON 33 S 139) ist daher nicht Gegenstand einer Mängelrüge (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 343, 393 und § 288 Rz 19). Im Übrigen bedeutet „unverzüglich“ nichts anderes als „ohne unnötigen Aufschub“, weshalb der P***** GmbH die zur Durchführung der aufgetragenen Leistung notwendige Zeit jedenfalls zur Verfügung gestanden wäre (VwGH 2000/04/0156; 87/17/0170 ua; Grabler/ Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO3 § 360 Rz 16; vgl allgemein zum Begriffsverständnis RIS-Justiz RS0034708, RS0081091).
Dem Beschwerdeführer war aber nach den Feststellungen infolge entsprechender Mitteilung durch Verantwortliche der P***** GmbH bereits unmittelbar nach Erlass dieser Verfahrensanordnung bewusst, dass diese nicht würde erfüllt werden (US 5 und 13). Daraus erwuchs seine Pflicht ‑ ohne weiteres Zuwarten ‑ gemäß § 360 Abs 1 zweiter Satz GewO durch bescheidmäßige Verfügung den gesetzmäßigen Zustand herzustellen. Der in der Verfahrensanordnung ausgesprochenen Frist kommt daher keine entscheidende Bedeutung zu.
Diese Konstatierungen übergeht die Rechtsrüge (Z 9 lit a), soweit sie der Sache nach einen Rechtsfehler mangels Feststellungen zur genauen Dauer der mit der genannten Verfahrensanordnung eingeräumten Frist moniert. Die Behauptung, „für die nach den Umständen des Einzelfalls angemessene Handlungsfrist“ könne „denktheoretisch auch nicht der Zeitraum eines Jahres schon von Vornherein ausgeschlossen werden“, vernachlässigt im Übrigen den Charakter der in Rede stehenden Befugnisse als provisorische Sicherungsmaßnahmen (vgl § 360 Abs 5 GewO; VwGH 2000/04/0156; Gruber/Paliege-Barfuß, GewO7 § 360 Anm 3).
Der Einwand, es sei „rechtsirrig“, „den Deliktszeitraum mit einem Jahr, nämlich mit der Erlassung des Genehmigungsbescheides vom 15. 12. 2008 zu begrenzen“, ist unverständlich. Bei Begehung durch Unterlassen endet der Tatzeitraum grundsätzlich (erst) mit dem Entfall der Handlungspflicht (hier mit dem Erlass des Genehmigungsbescheids, der die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 360 Abs 1 zweiter Satz GewO ‑ ex nunc ‑beseitigt) ungeachtet einer bereits früher eingetretenen Strafbarkeit (Marek in WK2 § 57 Rz 7).
Die weitere Rechtsrüge bekämpft die ‑ übrigens mängelfrei begründeten ‑ Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 9 iVm US 10 ff), wonach dem Beschwerdeführer bewusst gewesen sei, dass bei einem Vorgehen nach § 360 Abs 1 (zweiter Satz) GewO keine Interessenabwägung (etwa im Hinblick auf den möglichen Verlust von Arbeitsplätzen) anzustellen sei (vgl VwGH 2004/04/0041; 2000/04/0156) und es sich bei der Entscheidung über den Antrag auf nachträgliche Genehmigung der geänderten Betriebsanlage nicht um eine Vorfrage im Sinn des § 38 AVG gehandelt habe, nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung. Im Übrigen steht das Verfahren über einen derartigen Antrag einer bescheidmäßigen Stilllegung von Maschinen oder Schließung (von Teilen) des Betriebs nicht entgegen, weshalb mit einer solchen Maßnahme nicht die Entscheidung über die nachträgliche Genehmigung, die solcherart keine Vorfrage (§ 38 AVG) darstellt, abzuwarten ist (VwGH 99/04/0162; 93/04/0099 ua; Gruber/Paliege-Barfuß, GewO7 § 360 Anm 6; Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO3 § 360 Rz 20; zum Begriff der Vorfrage Thienel/Zeleny Verwaltungsverfahren18 § 38 AVG Anm 2; Hengstschläger/Leeb AVG § 38 Rz 2). Das Vorliegen eines der in § 360 Abs 1 erster Satz GewO genannten Ausnahmetatbestände behauptet der Beschwerdeführer übrigens (zu Recht) nicht.
Vor diesem Hintergrund erweisen sich die weiteren Feststellungen zur subjektiven Tatseite, der Beschwerdeführer habe die Schwierigkeiten, die einer baldigen (nachträglichen) Genehmigung entgegengestanden seien, gekannt (US 11), als überschießend und damit einer Anfechtung entzogen (RIS-Justiz RS0118585).
Weshalb sich aus dem „Management- und Unternehmenskonzept des Landes Oberösterreich für eine wirkungsorientierte Landesverwaltung“ (ON 92 S 5 ff) und der „Dienstbetriebsordnung für die OÖ. Landesbehörden“ (ON 92 S 29 ff) im Verhältnis zu den genannten, zwingenden Anordnungen der Gewerbeordnung eine „Pflichtenkollision“ für den Beschwerdeführer ergeben haben soll, macht die weitere Rechtsrüge nicht deutlich. Im Ergebnis bekämpft dieses Vorbringen, ebenso wie die Behauptung eines „Erlaubnistatbestandsirrtums“ (gemeint offenbar: eines Tatbildirrtums in Form eines Irrtums über den sozialen Bedeutungsgehalt eines normativen Tatbestandsmerkmals [vgl RIS-Justiz RS0088950]), lediglich die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 8 ff). Ein „Missbrauchsmotiv“ ist weder für die Schuld- noch für die Subsumtionsfrage von Bedeutung und war daher nicht festzustellen (RIS-Justiz RS0088761).
Der Hinweis auf die „monokratische Struktur einer Bezirkshauptmannschaft in ihrer Konsequenz, dass nämlich Bescheide immer im Namen des Bezirkshauptmanns auszufertigen sind“, übergeht die Konstatierung, wonach der Beschwerdeführer im Tatzeitraum Stellvertreter des Bezirkshauptmanns und Leiter der unter anderem für Gewerberecht zuständigen Abteilung war (US 2 und 8). Selbst das Erfordernis einer Genehmigung durch den Vorgesetzten würde im Übrigen an der Tatbildlichkeit des vorgeworfenen Verhaltens nichts ändern (vgl Marek/Jerabek, Korruption und Amtsmissbrauch4 § 302 Rz 31 mwN).
Warum es entscheidend sein soll, dass sich die Immissionen durch die (nicht genehmigte) Änderung der Betriebsanlage tatsächlich verstärkt haben, lässt die Rechtsrüge nicht erkennen. Mit Blick auf den vom Tatbestand geforderten Schädigungsvorsatz genügen die Feststellungen, der Beschwerdeführer habe in der Annahme, dass „die Mühlenanlage umgebaut bzw vergrößert wurde und damit eine Emissionserhöhung verursacht wurde“, und im Bewusstsein der Nichterfüllung der von ihm erlassenen Verfahrensanordnung (US 5 ff) die für einen solchen Fall von § 360 Abs 1 zweiter Satz GewO zwingend vorgeschriebene Vorgangsweise unterlassen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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