European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0170OB00012.21W.0408.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.831,68 EUR (darin enthalten 305,28 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens sowie die mit 3.723,80 EUR (darin enthalten 366,10 EUR USt und 1.526 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger begehrt (auf das Wesentliche reduziert) die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm binnen 14 Tagen den unter der URL https://www.facebook.com/ s*.mdbad/ abrufbaren Facebook-Account „@s*.mdbad“ bzw, falls der Accountname geändert wird, den an seine Stelle tretenden Account zu übertragen und ihm die Zugangsdaten wie insbesondere das Passwort und den Benutzernamen herauszugeben sowie die zur Übertragung allenfalls notwendigen Erklärungen abzugeben,
in eventu (gekürzt)
mit Wirkung zwischen den Streitteilen festzustellen, dass die Übernahme des Nutzungsrechts am genannten bzw an seine Stelle tretenden Account nichtig ist, und die Beklagte wie im Hauptbegehren schuldig zu erkennen,
in eventu (gekürzt)
die Übernahme des Nutzungsrechts am genannten bzw an seine Stelle tretenden Account gegenüber den Gläubigern der S* GmbH für unwirksam zu erklären und die Beklagte wie im Hauptbegehren schuldig zu erkennen.
[2] Der Kläger brachte in seiner (verbesserten) Klage in tatsächlicher Hinsicht zusammengefasst vor:
[3] Die S* GmbH (in der Folge: Schuldnerin) sei eine nach österreichischem Recht gegründete und im Firmenbuch des Erstgerichts eingetragene GmbH. Ihr Geschäftsführer sei Mag. K* K*. Ihre Hauptgesellschafterin sei zu rund 70 % die SN* GmbH, deren Gesellschafterin die P* GmbH und deren Gesellschafter wiederum Mag. K* sei.
[4] Die Beklagte sei eine nach deutschem Recht gegründete und im Handelsregister des Amtsgerichts 80333 München eingetragene GmbH. Ihre Gesellschafterin sei die P* GmbH, ihr Geschäftsführer Mag. K*. Die Beklagte sei damit eine „mittelbare Schwestergesellschaft“ der Schuldnerin. Sie sei eine Mag. K* zuzurechnende „Auffanggesellschaft“.
[5] Die Schuldnerin habe unter der Bezeichnung „S*“ Nahrungsergänzungsmittel für (Kraft‑)Sport im stationären Einzelhandel sowie im Internet verkauft. Sie habe unter anderem den – bereits im Jahr 2010 eingerichteten und ihr gehörenden – Facebook-Account „@s*.at“ betrieben. Dieser Account mit rund 90.000 Abonnenten habe Besucher über das Unternehmen der Schuldnerin informiert und potentielle Kunden auf deren Onlineshop www.s*.at verwiesen. Der Account habe die Kontaktdaten (Telefonnummer, E-Mail-Adresse) der Schuldnerin angeführt und diese im Impressum genannt. Auch alle Verlinkungen seien auf den Onlineauftritt der Schuldnerin www.s*.at erfolgt.
[6] Über das Vermögen der Schuldnerin sei mit Beschluss vom 5. 8. 2020 beim Erstgericht das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt worden.
[7] Der Geschäftsführer der Schuldnerin oder jemand in seinem Auftrag habe ohne Wissen und Zustimmung des Klägers den Facebook-Account @s*.at an die Beklagte im oder Ende Oktober 2020, jedenfalls nach Insolvenzeröffnung übertragen. Die Beklagte habe den Account ohne Zustimmung des Klägers übernommen. Der Name des Accounts habe plötzlich nicht mehr „@s*.at“ sondern „@s*mdbad“ gelautet. Im Impressum sei nicht mehr die Schuldnerin, sondern die Beklagte genannt. Der „neue“ Account verweise potentielle Kunden auf den Onlineshop der Beklagten www.s*.de. Der Kläger habe Anfang November 2020 Kenntnis darüber erlangt, dass die Beklagte den Facebookauftritt der Schuldnerin offenbar ohne Rechtsgrundlage übernommen habe und nunmehr unter dem neuen Account weiterführe. Mit dieser Übertragung seien vorläufig rund 90.000 Abonnenten der Schuldnerin an die Beklagte „übertragen“ worden, ohne dass diese eine Gegenleistung dafür erbracht oder es eine Rechtsgrundlage für die Übertragung gegeben hätte.
[8] Der Kläger als Verkäufer und die M* GmbH als Käuferin hätten am 11. 11. 2020 einen Kaufvertrag unterfertigt, der am 12. 11. 2020 vom Insolvenzgericht genehmigt worden sei. Der Kaufgegenstand erfasse auch den Facebook-Account, dessen Werbewert im Kaufpreis Berücksichtigung gefunden habe.
[9] Die Facebook Ireland Ltd habe der Übertragung an die Beklagte nicht zugestimmt. Die Übertragung verletze aus diesem Grund auch die Facebook-Nutzungsbestimmungen.
[10] Die Beklagte behaupte, dass der Facebook-Account bereits vor Insolvenzeröffnung an sie übertragen worden sei. Für den Fall des Zutreffens dessen brachte der Kläger vor, dass der Gesellschaftsvertrag der Beklagten vom 5. 3. 2020 stamme und die Eintragung im Handelsregister B des Amtsgerichts München unmittelbar danach erfolgt sei, weshalb die Übertragung des Accounts zwischen 5. 3. 2020 und 5. 8. 2020 (Insolvenzeröffnung) erfolgt sein müsse.
[11] Für den Fall, dass sich herausstellen sollte, dass der Facebook-Account von der Schuldnerin an ihre am 23. 3. 2015 gegründete deutsche Tochtergesellschaft J* GmbH und von dieser an die Beklagte übertragen wurde, brachte der Kläger vor, dass die Übertragung des Accounts von der J* GmbH an die Beklagte zwischen 5. 3. 2020 und 5. 8. 2020 erfolgt sei, zumal die beklagte Partei davor noch nicht gegründet gewesen sei, und dass Mag. K* auch Geschäftsführer der J* GmbH sei, sodass die Beklagte die Tatsachen, die den Anfechtungsanspruch des Klägers gegen die J* GmbH begründeten, bei Übertragung des Accounts von der Schuldnerin an sie gekannt habe.
[12] Alle Übertragungen seien in Benachteiligungsabsicht der Schuldnerin erfolgt. Die Beklagte – sowie gegebenenfalls auch die J* GmbH – habe aufgrund der Personenidentität in Gestalt von Mag. K* von derselben gewusst.
[13] Rechtlich stützt sich der Kläger ausdrücklich auf alle erdenklichen Rechtsgrundlagen, insbesondere § 2 Abs 2 und § 3 Abs 1 IO, §§ 28 f IO, § 1041 ABGB und §§ 82 f GmbHG, für die internationale Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichts auf Art 6 Abs 1 EuInsVO und – hinsichtlich §§ 82 f GmbHG als Anspruchsgrundlage – auf Art 7 Nr 1 EuGVVO 2012.
[14] Die Beklagte wandte – soweit hier von Interesse – das Fehlen der internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ein. Sie bestritt, dass sich aus dem klägerischen Tatsachenvorbringen die internationale Zuständigkeit Österreichs ergebe.
[15] Das Erstgericht verwarf die Einrede der internationalen Unzuständigkeit. Die internationale Zuständigkeit Österreichs für das Hauptbegehren sei gegeben. Um unter Art 6 EuInsVO zu fallen müssten Klagen ihren Entstehungsgrund in einem Insolvenzverfahren bzw im Insolvenzrecht haben. Dies treffe auf den Hauptanspruch zu, der auf eine unzulässige Veräußerung nach Insolvenzeröffnung gestützt sei. Die relative Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts ergebe sich aus der IO. Ansprüche, die der Masseverwalter gestützt auf § 3 IO geltend mache, hätten ihren Entstehungsgrund im Insolvenzrecht und seien, da sie den Schutz der Masse nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bezweckten, insolvenznahe. Für das auf § 83 GmbHG gestützte (erste) Eventualbegehren sei das angerufene Gericht nach Art 7 Nr 1 EuGVVO 2012 zuständig, weil auf das Verbot der Einlagenrückgewähr gestützte Ansprüche als (gesellschafts‑)vertraglich im Sinne dieser Bestimmung zu qualifizieren seien. Die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts für das auf einen Anfechtungsanspruch gestützte (zweite) Eventualbegehren ergebe sich aus Art 6 Nr 1 (aE) EuInsVO.
[16] Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass die internationale Unzuständigkeit des Erstgerichts zur Verhandlung und Entscheidung ausgesprochen und die Klage zurückgewiesen wird. Der Kläger stütze sein Hauptbegehren auf den Verwendungsanspruch des § 1041 ABGB; als Eigentümer verlange er die Übertragung des Facebook-Accounts in Natur, weil dieser von der Beklagten ohne Geschäftsführung zu deren Nutzung verwendet worden sei. Diese materiell-rechtliche Grundlage werde durch §§ 2 und 3 Abs 1 IO nicht verändert, wonach Rechtshandlungen des Schuldners nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welche die Insolvenzmasse betreffen, den Gläubigern gegenüber unwirksam seien. Auch ohne Insolvenzeröffnung hätte die Schuldnerin gegenüber der Beklagten den Verwendungsanspruch, wenn die Beklagte den Facebook-Account zu ihrem Nutzen rechtsgrundlos verwende. Die Klageangaben über das Hauptbegehren begründeten daher keine internationale Zuständigkeit eines österreichischen Gerichts nach Art 6 Nr 1 EuInsVO als sogenanntes Annexverfahren. Die internationale Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichts sei damit zu verneinen.
[17] Der Anspruch auf Einlagenrückgewähr gemäß § 83 GmbHG sei ein eigenständiger (kapital‑)gesellschaftsrechtlicher Anspruch, der unter Art 7 Nr 1 EuGVVO 2012 falle, weshalb für das auf diesen Anspruch gestützte erste Eventualbegehren die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts zu bejahen wäre; der Erfüllungsort liege nämlich bei gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten am Sitz der Gesellschaft (hier der Schuldnerin), was mit dem Bestreben des EuGH, mitgliedschaftliche Streitigkeiten auch über die Zwangszuständigkeit in Art 24 Nr 2 EuGVVO 2012 hinaus am Sitz der Gesellschaft zu bündeln, im Einklang stehe.
[18] Dass die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts auch für das auf insolvenzrechtliche Anfechtungstatbestände gestützte zweite Eventualbegehren gegeben wäre, ergebe sich aus Art 6 Abs 1 (aE) EuInsVO.
[19] Die für die Eventualbegehren zu bejahende internationale Zuständigkeit des Erstgerichts ändere aber an der Rekursentscheidung nichts: Werde nämlich in einer Klage ein Hauptbegehren mit einem aus einem anderen Sachverhalt abgeleiteten Eventualbegehren verbunden, so sei der Zuständigkeitsprüfung nur das Sachvorbringen zum Hauptbegehren zugrunde zu legen. Auch wenn das Hauptbegehren nicht auf Geldleistung laute, werde das erste Eventualbegehren im Gegensatz zum Hauptbegehren aus dem Verhältnis zwischen der schuldnerischen Gesellschaft und deren mittelbar verbundenen Gesellschaftern P* GmbH sowie Mag. K* abgeleitet. Ein mit einem auf Herausgabe gerichteten Hauptbegehren und einem (etwa im Sinn des § 39 Abs 1 IO) auf Ersatz des Interesses gestellten Eventualbegehren vergleichbarer Fall liege deshalb nicht vor. Das zweite Eventualbegehren leite der Kläger aus seinem Sachvorbringen zu den von ihm nach der IO geltend gemachten Anfechtungstatbeständen ab; es beruhe daher ebenso auf einem in Bezug auf das Hauptbegehren anderen Sachverhalt.
[20] Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit insgesamt über 30.000 EUR und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels einer Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.
[21] Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers mit einem auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses gerichteten Abänderungsantrag. Als Rechtsmittelgrund wird unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.
[22] Die Beklagte beantragt in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
[23] Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil sich die rekursgerichtliche Entscheidung nicht im Einklang mit den vom EuGH entwickelten Leitlinien zur Auslegung des § 6 EuInsVO befindet (vgl RS0117100 und Lovrek in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 IV/1 [2019] § 502 ZPO Rz 59). Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[24] 1. Für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit sind im Normalfall die Klageangaben maßgebend (vgl RS0050455). Dies gilt schon deshalb auch hier, weil der Beklagte lediglich bestritt, dass sich aus dem Klagevorbringen rechtlich die (internationale) Zuständigkeit des Erstgerichts ergebe.
[25] 2. Die maßgebliche Bestimmung der Verordnung (EU) 2015/848 vom 20. 5. 2015 über Insolvenzverfahren (in der Folge: EuInsVO) lautet:
„Artikel 6
Zuständigkeit für Klagen, die unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen
(1) Die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet das Insolvenzverfahren nach Artikel 3 eröffnet worden ist, sind zuständig für alle Klagen, die unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen [1. Kriterium; Anm] und in engem Zusammenhang damit stehen [2. Kriterium; Anm], wie beispielsweise Anfechtungsklagen.
(2) Steht eine Klage nach Absatz 1 im Zusammenhang mit einer anderen zivil- oder handelsrechtlichen Klage gegen denselben Beklagten, so kann der Verwalter beide Klagen bei den Gerichten in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat, oder – bei einer Klage gegen mehrere Beklagte – bei den Gerichten in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet einer der Beklagten seinen Wohnsitz hat, erheben, vorausgesetzt, die betreffenden Gerichte sind nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 zuständig.
Unterabsatz 1 gilt auch für den Schuldner in Eigenverwaltung, sofern der Schuldner in Eigenverwaltung nach nationalem Recht Klage für die Insolvenzmasse erheben kann.
(3) Klagen gelten für die Zwecke des Absatzes 2 als miteinander im Zusammenhang stehend, wenn zwischen ihnen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung zweckmäßig ist, um die Gefahr zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen.“
[26] 3. Art 6 Nr 2 und 3 eröffnet für den (Insolvenz‑)Verwalter die Möglichkeit einer Klagenhäufung in jenem (anderen) Mitgliedstaat, in welchem der Beklagte ansässig ist. Da die Beklagte ihren Sitz in Deutschland hat, kann die internationale Zuständigkeit Österreichs nicht auf Art 6 Nr 2 oder 3 EuInsVO gestützt werden. Diese Vorschriften sind daher für den vorliegenden Zuständigkeitsstreit ohne Interesse.
[27] 4.1. Ob eine Klage iSv Art 6 Nr 1 EuInsVO „unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgeht“ (1. Kriterium) bestimmt sich nicht nach dem prozessualen Kontext, in dem diese Klage steht, sondern nach ihrer Rechtsgrundlage. Es ist zu prüfen, ob der der Klage zugrunde liegende Anspruch oder die Verpflichtung den allgemeinen Regeln des Zivil- und Handelsrechts entspringt oder aber den abweichenden Sonderregeln für Insolvenzverfahren (EuGH C‑535/17 Rn 28 mwN [zur vorherigen Verordnung unter Anmerkung in Rn 27, dass die zu ihr ergangene Rspr des EuGH durch Art 6 der neuen Verordnung „bestätigt“ – gemeint: kodifiziert (Lind/Richter in KLS [2019] Art 6 EuInsVO Rz 1; Mankowski in Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015 [2016] Art 6 Rz 1) – wurde]; ebenso bereits zB 3 Ob 202/16a [Pkt 2.]).
[28] Die Tatsache, dass eine Klage nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens von dem im Rahmen dieses Verfahrens bestimmten Insolvenzverwalter erhoben wurde und dass dieser im Interesse der Gläubiger handelt, führt noch nicht zu einer wesentlichen Änderung der Art einer Klage, die von einem Insolvenzverfahren unabhängig ist und materiell-rechtlich weiterhin dem allgemeinen Recht unterliegt (idS EuGH C‑535/17 Rn 29 f). So leiten sich Klagen wegen der Erfüllung von Verpflichtungen aus einem Vertrag, der vom Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen wurde, nicht unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren ab (ErwGr 35 Satz 3 zur EuInsVO). Ebenso ist die auf einen Anspruch aus unerlaubter Handlung gestützte Klage eines Insolvenzverwalters nicht erfasst, wenn sie ihre Grundlage in den allgemeinen Regeln des Zivil- und Handelsrechts und nicht in den abweichenden Sonderregeln für Insolvenzverfahren hat (vgl EuGH C‑535/17 Rn 33 f). Liegt einer deliktischen Schadenersatzklage demgegenüber die Verletzung von Pflichten zugrunde, die ihren Ursprung in Sonderregeln für Insolvenzverfahren finden, so geht sie „unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervor“ (EuGH C‑649/16 Rn 36). Es genügt also, dass die Entscheidung über den Anspruch auch von insolvenzrechtlichen Sonderregeln abhängt (Konecny, Aktuelles zu insolvenznahen Verfahren, in Jaufer/Nunner-Krautgasser/Schummer, Unternehmens-sanierung mit Auslandsbezug [2019] 73 [78]; Lind/Richter in KLS, IO [2019] Art 6 EuInsVO Rz 22; vgl auch Koller, Die internationale Zuständigkeit für Annexverfahren und das Kollisionsrecht der Insolvenzanfechtung im Spiegel jüngster Entwicklungen, in Konecny, Insolvenz-Forum 2017 [2018] 37 [42]: „nicht bloß“).
[29] 4.2. Ob ein „enger Zusammenhang“ iSv Art 6 Nr 1 EuInsVO besteht (2. Kriterium), entscheidet sich nach der Enge des Zusammenhangs zwischen der gerichtlichen Klage und dem Insolvenzverfahren (EuGH C‑649/16 Rn 37; EuGH C‑535/17 Rn 30).
[30] 4.3. Die in Art 6 Nr 1 (aE) EuInsVO exemplarisch genannten Anfechtungsklagen sind das „klassische Beispiel“ (Lind/Richter in KLS [2019] Art 6 EuInsVO Rz 25), der „paradigmatische Fall“ (Undritz in Schmidt, EuInsVO [2020] Art 6 Rz 7; Knof in Hirte/Vallender, Insolvenzordnung15 [2020] Art 6 Rz 7) einer insolvenznahen Klage.
[31] Nach der deutschen Lehre fallen parallel zu den jedenfalls erfassten Anfechtungsklagen auch wegen der Unwirksamkeit von Verfügungen des Schuldners infolge insolvenzbedingter Verfügungsbeschränkungen erhobene Klagen unter Art 6 Nr 1 EuInsVO (Prager/Keller, Der Entwicklungsstand des Europäischen Insolvenzrechts, WM 2015, 805 [807]; Kolmann/Keller in Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch6 [2020] § 129 Rz 114; Hänel in Vallender, EuInsVO [2020] Art 6 Rz 59; Tashiro in Braun, InsO8 [2020] Art 6 EuInsVO Rz 24).
[32] 4.4. Gemäß § 2 Abs 2 IO wird durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen. Gemäß § 3 Abs 1 Satz 1 IO sind Rechtshandlungen des Schuldners nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welche die Insolvenzmasse betreffen, den Insolvenzgläubigern gegenüber unwirksam. Einer Anfechtung bedarf es dazu nicht (Schubert in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze [6. Lfg 1999] § 3 KO Rz 18, 31). Die Rechtshandlung ist auch gegenüber dem zur Wahrung der gemeinsamen Interessen der Gläubiger berufenen Insolvenzverwalter unwirksam (vgl Schubert aaO Rz 3, 25).
[33] Unter Rechtshandlungen, die die Masse betreffen, sind nicht nur Rechtsgeschäfte, sondern alle Handlungen, die rechtliche Wirkungen hervorbringen, zu verstehen (RS0068855 [T1]). Auch eine deliktische Handlung, die Auswirkungen auf die Insolvenzmasse zeitigt, fällt hierunter (Schubert § 3 KO Rz 3 mwN).
[34] Streitgegenständlichist die Klagebehauptung, der Geschäftsführer der Schuldnerin selbst oder jemand in seinem Auftrag hätte den Facebook-Account der Schuldnerin ohne Einverständnis des Klägers der Beklagten „übertragen“ und diese habe den Account „übernommen“. Der Kläger bringt in erster Linie vor, die Übertragung sei nach Insolvenzeröffnung erfolgt.
[35] Selbst wenn, wie vom Kläger vorgebracht, die Übertragung des Facebook-Accounts der Schuldnerin an die Beklagte rechtsgrundlos erfolgt ist, so stellt sie doch eine die Insolvenzmasse schädigende Handlung dar, weshalb sie – wie bereits zutreffend vom Erstgericht erkannt – „Rechtshandlung“ im Sinn des § 3 Abs 1 IO ist. Diese Rechtshandlung ist nach § 3 Abs 1 IO den Gläubigern gegenüber und damit auch gegenüber dem zur Wahrung von deren gemeinsamen Interessen berufenen Masseverwalter unwirksam, ohne dass es einer Anfechtung bedarf.
[36] 4.5. Geht der Masse durch eine im Sinn von § 3 Abs 1 IO unwirksame „Rechtshandlung“ des Schuldners eine Sache verloren, so kann diese zurückgefordert werden (aus der Rspr zB 2 Ob 544/88 und 8 Ob 524/94 sowie die sogleich genannten Autoren). Unklar ist, worauf sich diese Rückforderung rechtlich exakt stützt.
[37] Bartsch/Heil (Grundriss des Insolvenzrechts4 [1983] Rz 189), Holzhammer (Insolvenzrecht5 [1996] 16) und Dellinger/Oberhammer/Koller (Insolvenzrecht4 [2018] Rz 269) lehren, der Masseverwalter könne das vom Schuldner Geleistete zurückfordern, ohne aber die Rechtsgrundlage dafür zu nennen.
[38] Schubert (§ 3 KO Rz 19, 31) meint, der Masseverwalter könne den Massegegenstand „mit der Eigentumsklage“ zurückfordern.
[39] Buchegger (in Bartsch/Pollak/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht4 I § 3 Rz 26) vertritt die Auffassung, es bestimme sich ausschließlich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, ob ein gegen den anderen Teil gerichteter Rückstellungsanspruch dinglicher oder obligatorischer Natur sei und ob der andere, wenn Naturalrestitution nicht möglich oder nicht tunlich ist, zur Schadenersatzleistung in Geld verpflichtet sei.
[40] Nach der Entscheidung 1 Ob 768/83 (SZ 56/186) hat die Rückabwicklung von nach § 3 KO relativ unwirksamen Vermögensverschiebungen „nach Bereicherungsgrundsätzen“ zu erfolgen. Im Anschluss daran wird in 8 Ob 524/94 formuliert, die Masse sei berechtigt, „die Rückgabe aus dem Grunde der Bereicherung […] zu fordern“.
[41] Gleichgültig ob man von einem Bereicherungsanspruch auf Rückgabe der der Masse entzogenen Sache, von einer rei vindicatio nach § 366 ABGB oder von einem sonstigen zivilrechtlichen Anspruch auf Rückabwicklung oder Wiedergutmachung ausgeht, stützt sich der Anspruch jedenfalls gerade auch darauf, dass über das Vermögen des Schuldners ein Insolvenzverfahren eröffnet worden war und dadurch der Schuldner gemäß § 2 Abs 2 IO der Befugnis, über das insolvenzverfangene Vermögen zu verfügen, verlustig ging und die von ihm dennoch getätigte Vermögensverschiebung im Sinn von § 3 Abs 1 IO unwirksam ist. Weil die Entscheidung über den Anspruch – was für eine Bejahung von Art 6 Abs 1 EuInsVO hinreicht – auch von insolvenzrechtlichen Sonderregeln abhängt, liegt ein insolvenznaher Anspruch im Sinn von Art 6 Nr 1 EuInsVO vor (iglS zum dt Recht Limbach, Nichtberechtigung des Dritten zum Empfang einer der Insolvenzmasse zustehenden Leistung: Zuständigkeit, Qualifikation und Berücksichtigung relevanter Vorfragen, IPrax 2012, 320 [321]).
[42] 4.6. Für dieses Ergebnis spricht auch folgender Größenschluss:
[43] Weil – siehe Punkt 4.3. und 6. – der Insolvenzverwalter aufgrund der expliziten Anführung von Anfechtungsklagen in Art 6 Nr 1 EuInsVO im Mitgliedstaat der Insolvenzeröffnung eine Rechtshandlung des Schuldners gerichtlich anfechten und die aufgrund dieser Rechtshandlung getätigten Leistungen des Schuldners zurückverlangen kann, muss ihm das Zurückverlangen von vom Schuldner getätigter Leistungen vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in welchem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, erst recht möglich sein, wenn die Rechtshandlung des Schuldners, weil sie nach Insolvenzeröffnung vorgenommen wurde, bereits ex lege unwirksam ist.
[44] 4.7. Für das erzielte Ergebnis spricht letztlich auch ErwGr 5 der EuInsVO, nach dem im Interesse eines ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarkts „verhindert werden [muss], dass es für Beteiligte vorteilhafter ist, Vermögensgegenstände oder Gerichtsverfahren von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu verlagern, um auf diese Weise eine günstigere Rechtsstellung zum Nachteil der Gesamtheit der Gläubiger zu erlangen“. Es kann nicht Intention der EuInsVO gewesen sein, dass die ex lege unwirksame Verbringung eines Vermögensgegenstands in einen anderen Mitgliedstaat nach Insolvenzeröffnung zur Folge hätte, dass der Insolvenzverwalter in diesem anderen Staat auf Herausgabe klagen müsste.
[45] 4.8. Zusammengefasst ist bereits aufgrund der Leitlinien des EuGH, aber auch zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen innerhalb der EuInsVO die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts für das von einer Übertragung des Facebook-Accounts nach Insolvenzeröffnung an die Beklagte ausgehende Hauptbegehren zu bejahen. Da das erzielte Ergebnis mit den zitierten Leitlinien des EuGH zur Auslegung von Art 6 Nr 1 EuInsVO im Einklang steht, erübrigt sich die Einholung einer Vorabentscheidung.
[46] Nicht geteilt wird aus den genannten Gründen vom Senat die in Pkt 2.4. der Entscheidung 8 Ob 85/16g ohne erkennbare Berücksichtigung von Art 6 Nr 1 EuInsVO oder der dieser Vorschrift zugrundeliegenden Rechtsprechung des EuGH vertretene Ansicht, gelinge es dem Schuldner, massezugehöriges Vermögen ins Ausland zu verbringen, so führe dies zur „Notwendigkeit der Prozessführung im Ausland“ (was der 8. Senat als Argument dafür brachte, § 78 IO über insolvenzgerichtliche Sicherungsmaßnahmen weit auszulegen und solche Sicherungsmaßnahmen auch in der Fallkonstellation des § 3 Abs 1 IO – in welcher die Rechtshandlungen des Schuldners ohnehin ex lege unwirksam sind – zu ermöglichen).
[47] 5.1. Für die internationale Zuständigkeit zur Entscheidung des – erkennbar auf das Verbot der Einlagenrückgewähr gestützten – ersten Eventualbegehrens scheidet eine Qualifikation als insolvenznahe iSd Art 6 Nr 1 EuInsVO aus (RS0125896 [T3]), das Begehren ist aber als gesellschaftsvertraglich iSd Art 7 Nr 1 EuGVVO 2012 (Brüssel Ia‑VO) zu qualifizieren (6 Ob 202/19b [Pkt 2.2. bis 2.5.] = ecolex 2020/225 [Planitzer] = GesRZ 2020, 337 [Aburumieh] = RS0108473 [T21]; Simotta in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze2 V/1 [2008] Art 5 EuGVVO Rz 58; Czernich in Czernich/Kodek/Mayr, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht4 [2015] Art 7 Rz 16, 82; Paulus in Geimer/Schütze/Hau, Internationaler Rechtsverkehr [52. EL] Nr 538 B Vor I Art 7 Rz 38; Leible in Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionrecht5 I [2021] Art 7 Brüssel Ia‑VO Rz 26; Gottwald in MünchKommZPO6 III [2022] Art 7 Brüssel Ia‑VO Rz 6).
[48] 5.2. Nach Art 7 Nr 1 lit a EuGVVO 2012 kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden „wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre“.
[49] Für andere Verträge als – in Art 7 Nr 1 lit b EuGVVO 2012 geregelte – Kauf- oder Dienstleistungs-verträge – und somit für den hier vorliegenden gesellschaftsvertragsrechtlichen Anspruch – hat, haben – so wie hier – die Parteien keinen Erfüllungsort vereinbart, die Bestimmung des Erfüllungsorts nach herrschender Auffassung nach der sich aus dem Kollisionsrecht ergebenden materiellen lex causae zu erfolgen (4 Ob 11/11b [Pkt 6]; Czernich aaO Rz 86; Simotta, Glosse zu 8 Ob 56/11k in GesRZ 2011, 374 [376 f]; Leible aaO Rz 49; Gottwald aaO Rz 41).
[50] Die Rom I-VO ist aufgrund der in ihrem Art 1 Nr 2 lit f enthaltenen Bereichsausnahme für „Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht“ auf den vorliegenden gesellschaftsvertragsrechtlichen Anspruch nicht anwendbar. Die gesellschaftsrechtliche Beziehung der Gesellschaft zu ihren Mitgliedern unterliegt dem Personalstatut der Gesellschaft, dies ist nach § 10 IPRG das Recht des Staates, in dem die Gesellschaft den tatsächlichen Sitz ihrer Hauptverwaltung hat (6 Ob 148/21i [Rz 35]). Aufgrund des Sitzes der schuldnerischen Gesellschaft in Graz kommt zur Bestimmung des Erfüllungsorts materielles österreichisches Recht zur Anwendung.
[51] 5.3. Nach § 905 Abs 1 Satz 1 ABGB hat der Schuldner zwar grundsätzlich an seinem Wohnsitz zu erfüllen, etwas anderes kann sich aber aus einer Verabredung und – dazu subsidiär – aus der Natur oder dem Zweck des Geschäfts ergeben (zB Aichberger-Beig/Stabentheiner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 [ErgBd 2017] § 905 ABGB Rz 26). Eine Regelung (Verabredung) des Erfüllungsorts ist dem Klagevorbringen nicht zu entnehmen, es ist aber anerkannt, dass – zumal ein Gesellschaftsvertrag auf die Errichtung einer Gesellschaft mit bestimmtem Sitz abzielt – der Natur des Vertrags nach gesellschaftsvertragsrechtliche Ansprüche grundsätzlich am Sitz der Gesellschaft zu erfüllen sind (Römermann in Dostal, Münchener Anwaltshandbuch Gmbh-Recht4 [2018] § 26 Rz 451; Krüger in MünchKommBGB8 II [2019] § 269 Rz 32; St. Lorenz in Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BGB4 I [2019] § 269 Rz 28). Dies gilt auch für aus einer Verletzung des Verbots der Einlagenrückgewähr resultierende Ansprüche (vgl Leible aaO Rz 26). Soweit der Anspruch auf (im Wesentlichen) „Herausgabe“ des Facebook-Accounts auf das Verbot der Einlagenrückgewehr gestützt wird, ist für ihn – zumal auch Leistungen an Schwestergesellschaften unter das Verbot der Einlagenrückgewehr fallen (Bauer/Zehetner in Straube/Ratka/Rauter, WK‑GmbHG § 82 Rz 84) – das Erstgericht international zuständig. Diese Zuständigkeit umfasst auch das vom Kläger miterhobene Begehren auf Feststellung, dass die Übernahme des Nutzungsrechts am Account nichtig ist (vgl RS0108473 [T2, T3] sowie Schmaranzer in Burgstaller/Neumayr, Internationales Zivilverfahrensrecht [2009] Art 5 EuGVVO Rz 33; Czernich aaO Rz 87).
[52] 5.4. Von der internationalen Zuständigkeit Österreichs für das Eventualbegehren ging grundsätzlich auch bereits das Rekursgericht aus. Es berief sich aber auf Scheuer (in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 I § 41 JN Rz 14 [aE]), die unter Berufung auf Oberlandesgericht Wien AZ 3 R 153/96h und AZ 3 R 154/96f die Ansicht vertritt, werde in einer Klage ein Hauptbegehren mit einem aus einem anderen Sachverhalt abgeleiteten Eventualbegehren verbunden, so sei der Zuständigkeitsprüfung nur das Sachvorbringen zum Hauptbegehren zugrunde zu legen. Auf die Frage der Richtigkeit dessen (vgl dazu Geroldinger in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 III/1 [2017] § 227 ZPO Rz 88) muss nicht eingegangen werden, ist doch entgegen der Ansicht des Rekursgerichts Österreich nach Art 6 Nr 1 EuInsVO für das Hauptbegehren und nach Art 7 Nr 1 EuGVVO für das erste Eventualbegehren international zuständig.
[53] 6. Der Kläger bringt – was zulässig ist: vgl RS0037470 – eventualiter vor, die Übertragung sei bereits vor Insolvenzeröffnung erfolgt, ficht diese folgerichtig – weil § 2 Abs 2 und § 3 Abs 1 IO hier nicht greifen – insolvenzrechtlich an und begehrt als zweites Eventualbegehren (gekürzt) Unwirksamerklärung und Rückübertragung. Es liegt eine „Anfechtungsklage“ im Sinn des Art 6 Nr 1 (aE) EuInsVO vor. Unter einer solchen versteht nämlich die EuInsVO – was aus der Rechtsprechung des EuGH zur Behandlung von Anfechtungsklagen nach der vorherigen Verordnung zu folgern ist – nicht nur Klagen mit einem auf Unwirksamerklärung einer schuldnerischen Rechtshandlung gerichteten Begehren, sondern auch wenn „im Wege einer solchen Anfechtung“ ein Begehren auf Rückforderung einer Leistung gestellt wird (vgl EuGH C‑339/07 Rz 12 und 17 iVm Rz 28; für Österreich siehe nur § 39 Abs 1 IO und König/Trenker, Anfechtung6 [2020] Rz 2.15). Auch für das zweite Eventualbegehren ist demnach Österreich international zuständig; im Übrigen gelten die Ausführungen zu Pkt 5.4. auch hier.
[54] 7. Da die internationale Zuständigkeit Österreichs (sowohl in Hinsicht auf das Haupt- als auch die Eventualbegehren) gegeben ist, war der die Einrede der internationalen Unzuständigkeit verwerfende erstgerichtliche Beschluss wiederherzustellen. Trotz gegebener Spruchreife über die Einrede der internationalen Unzuständigkeit in Bezug auf die Eventualbegehren aus der Erwägung, dass die internationale Zuständigkeit für das Hauptbegehren vorliege und sich dieses womöglich auch als berechtigt erweise, nicht zu entscheiden, widerspräche jedenfalls in der vorliegenden Konstellation einer gänzlichen Zurückweisung der Klage wegen internationaler Unzuständigkeit durch das Rekursgericht dem Postulat der Prozessökonomie (vgl Geroldinger in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 III/1 [2017] § 227 ZPO Rz 93).
[55] Die Entscheidung über die Kosten zweiter und dritter Instanz im vorliegenden echten Zwischenstreit über die genannte Einrede beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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