Spruch:
Die Rückabwicklung von den Konkursgläubigern gegenüber unwirksamen Rechtshandlungen des Gemeinschuldners hat nach Bereicherungsrecht zu erfolgen
Hat eine Bank von einem Kunden, über dessen Vermögen der Konkurs eröffnet wurde, Beträge mit dem gleichzeitig durchgeführten Auftrag erhalten, damit Zahlungen an Dritte zu leisten, kann der Masseverwalter keinen Rückforderungsanspruch gegen die Bank erheben
OGH 14. 12. 1983, 1 Ob 768/83 (KG Wels R 804/82; BG Gmunden 2 C 119/82)
Text
Die beklagte Bank räumte Ing. Ingmar G mit Kontokorrentkreditverträgen vom 1. 6. 1979 und 4. 8. 1980 einen Kredit über 12 Mio. S ein, der auf verschiedenen Liegenschaften hypothekarisch sichergestellt wurde. Auf Grund eines Girovertrages zwischen Ing. Ingmar G und der beklagten Partei wurden alle ihn betreffenden Ein- und Ausgänge auf dem Konto 6500 der beklagten Partei gebucht. Über das Vermögen des Ing. Ingmar G wurde mit Beschluß des KG W vom 22. 12. 1981, S 61/81, der Konkurs eröffnet. Das Konkursedikt wurde am selben Tag an der Gerichtstafel des KG W angeschlagen. Am 22. 12. 1981 brachte eine Angestellte des Gemeinschuldners einen Betrag von 91 000 S und zwei Barschecks über 20 000 S und 21 751 S zur beklagten Partei mit dem Auftrag des Gemeinschuldners, damit fällige Gehälter seiner Angestellten für November 1981 in der Gesamthöhe von 132 653.80 S zu überweisen. Diese Beträge wurden auf dem Konto 6500 gutgeschrieben, gleichzeitig wurden die Überweisungen durchgeführt. Am 23. 12. 1981 wurden dem Girokonto 6500 Überweisungen zugunsten des Gemeinschuldners in der Höhe von 1105 S, 59 164.76 S und 3137.43 S gutgebucht. Die Überweisungsaufträge waren jeweils vor dem 22. 12. 1981 von den Überweisenden an ihre jeweiligen Hausbanken erteilt worden.
Der klagende Masseverwalter begehrt die Zuerkennung des Betrages von 196 158.19 S. Die Eingänge ab Konkurseröffnung fielen gemäß § 1 Abs. 1 KO in die Masse. Bei den Forderungen auf fällige Gehälter habe es sich um keine Masseforderungen gehandelt.
Die beklagte Partei wendete ein, Ing. Ingmar G habe sie am 22. 12. 1981 ersucht, mit dem übergebenen Bargeld und den Schecks die fälligen Löhne seiner Angestellten anzuweisen. Zu diesem Zeitpunkt habe die beklagte Partei noch keine Kenntnis von der Konkurseröffnung oder Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners gehabt. Die beklagte Partei habe bloß die Zahlungen an die Angestellten des Gemeinschuldners weitergeleitet, die Beträge seien ihr daher nicht zugute gekommen. Bei den drei Gutschriften vom 23. 12. 1981 handle es sich um Banküberweisungen, die bereits vor dem 22. 12. 1981 vom Konto der jeweiligen Auftraggeber abgebucht worden seien. Diese Beträge fielen daher nicht in die Konkursmasse.
Das Erstgericht sprach der klagenden Partei einen Betrag von 63 504.39 S zu, das Mehrbegehren wies es ab. Mit der Konkurseröffnung sei der Girovertrag gemäß § 26 Abs. 1 KO erloschen. Dies habe zur Folge, daß am Tage der Eröffnung des Konkurses das Girokonto abzurechnen gewesen sei. Dabei hätte sich ein Debetsaldo von 11 182 863.88 S ergeben. Die von der beklagten Partei am Tage der Konkurseröffnung übernommenen und dem Girokonto gutgeschriebenen Rechnungsbeträge von 132 751 S seien am selben Tag weisungsgemäß an die Arbeitnehmer des Gemeinschuldners bis auf den Differenzbetrag von 97.20 S überwiesen worden, sodaß sich der Kontostand zugunsten des Gemeinschuldners nur um diesen Differenzbetrag geändert habe. Die beklagte Partei habe diese Disposition gutgläubig durchgeführt, zumal sie ihren Sitz nicht am Ort des Konkursgerichtes habe und daher auf Mitteilungen im amtlichen Teil der Wiener Zeitung angewiesen sei. Da auch eine Benachrichtigung nach § 77 Abs. 3 KO erst nach dieser Disposition erfolgt sein könne, sei von der Gutgläubigkeit der beklagten Partei auszugehen, sodaß die vorgenommenen Überweisungen bei der Erfassung des Kontostandes zu berücksichtigen seien. Dies führe dazu, daß lediglich der Differenzbetrag von 97.20 S der Masse zufalle. Die weiteren Einzahlungen am 23. 12. 1981 in der Höhe von 63 407.19 S seien nur zur Abdeckung des Saldos, nicht jedoch über Auftrag des Gemeinschuldners gutgläubig zur Abdeckung von dessen Verbindlichkeiten verwendet worden. Die beklagte Partei könne sich daher nicht mehr auf Gutgläubigkeit berufen, sodaß gemäß § 1 KO diese Beträge als Massevermögen anzusehen seien; eine weitere kontokorrentmäßige Verrechnung sei infolge des Erlöschens des Kontokorrentvertrages auf Grund der Konkurseröffnung nicht mehr zulässig gewesen. Die Tatsache, daß die am 23. 12. 1981 auf das Konto eingelangten Zahlungen von den einzelnen Schuldnern bereits vor der Konkurseröffnung zur Überweisung in Auftrag gegeben worden seien und ihr Konto daher vor der Konkurseröffnung belastet worden sei, habe keinen Einfluß auf die Wirkung des § 1 KO, die zur Folge habe, daß das gesamte Vermögen, das der Exekution unterworfen sei, zur Konkursmasse werde.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Streitteile - den Zuspruch eines Betrages von 97.20 S sA ließ die beklagte Partei unbekämpft - nicht Folge. Es sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Der Giro- und Kontokorrentkreditvertrag sei mit Beginn des 22. 12. 1981 erloschen. Nach Beendigung des Girovertrages sei die beklagte Partei nicht mehr berechtigt gewesen, Geldbeträge für den Gemeinschuldner entgegenzunehmen. Es lägen bei den Gehaltsüberweisungen zwar Rechtshandlungen des Gemeinschuldners vor, die die Konkursmasse beträfen und die dem Vertragspartner gegenüber zwar wirksam, den Konkursgläubigern gegenüber aber unwirksam wären, der Giro- und Kontokorrentkreditvertrag sei jedoch bereits erloschen gewesen, sodaß durch die Überbringung des Bargeldbetrages von 91 000 S und zweier Barschecks von 20 000 S und 21 751 S an die beklagte Partei mit dem Auftrag, die fälligen Gehälter der Angestellten des Gemeinschuldners für November 1981 in der Höhe von 132 653.80 S auszubezahlen, keine Rechtshandlungen des Gemeinschuldners mit der beklagten Partei mehr vorlägen, sondern lediglich eine manipulative Tätigkeit der Bank zur Auszahlung der Gehälter. Der Masseverwalter könne daher den aus Massemitteln bezahlten Betrag von 132 653.80 S von der beklagten Partei nicht zurückfordern. Was den Betrag von 63 407.19 S betreffe, so sei zwar die Zahlung erfolgt und der Verzug des Schuldners beendet, sobald die geschuldete Leistung bei der vom Gläubiger bezeichneten Bank einlange, da ab diesem Zeitpunkt für den Gläubiger die Verfügungsmöglichkeit bestehe; es stehe jedoch nur fest, daß die Beträge in der Höhe von zusammen 63 407.19 S von den jeweiligen Einzahlern noch vor dem 22. 12. 1981 an ihre Hausbank mit dem Auftrag zur Überweisung auf das Konto des Gemeinschuldners bei der beklagten Partei gegeben worden seien, die Beträge selbst aber erst am 23. 12. 1981, also nach der Konkurseröffnung, auf dem Konto des Gemeinschuldners bei der beklagten Partei gutgebucht worden seien. Es sei von der beklagten Partei nicht behauptet worden, daß der Betrag von 63 407.19 S schon vor der Konkurseröffnung bei ihr eingelangt gewesen sei. Es liege also ein Vermögen vor, das der Gemeinschuldner erst während des Konkurses erlangt habe, sodaß es in die Konkursmasse falle und vom Masserverwalter mit Erfolg begehrt werden könne.
Der Oberste Gerichtshof wies die Revision der beklagten Partei zurück und gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision der beklagten Partei ist unzulässig. Gemäß § 502 Abs. 3 ZPO ist die Revision gegen ein bestätigendes Urteil des Berufungsgerichtes unzulässig, wenn der davon betroffene Streitgegenstand oder Teil des Streitgegenstandes an Geld oder Geldeswert den Betrag von 60 000 S nicht übersteigt. Wenn in einer Klage mehrere Ansprüche geltend gemacht werden, ist bei Beurteilung, inwieweit sie Gegenstand einer bestätigenden Entscheidung des Berufungsgerichtes waren, zu prüfen, ob diese mehreren Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (MietSlg. 34 768 ua., Fasching, Ergänzungsband 97). Ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang zwischen Forderungen besteht, wenn jeder der mehreren Ansprüche für sich unabhängig von dem anderen nicht bestehen kann oder wenn die Forderungen aus einer gemeinsamen Tatsache oder aus einem gemeinsamen Rechtsgrund entstanden sind. Für den rechtlichen Zusammenhang gilt dabei als Kriterium, daß die Ansprüche aus einer Gesetzesstelle abgeleitet werden und miteinander in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (SZ 47/13; SZ 45/117 uva.). Ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht aber nicht, wenn jede der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches Schicksal haben kann oder wenn ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den mehreren Ansprüchen nicht besteht (MietSlg. 34 768).
Ein Girovertrag ist eine Vereinbarung zwischen einer Bank und einem Kontoinhaber, durch die sich die Bank verpflichtet, Leistungen, die dem bargeldlosen Zahlungsverkehr dienen - also die Gutschrift eingehender Beträge, die Besorgung von Überweisungen, die Entgegennahme von Einzahlungen und die Leistung von Zahlungen -, durch buchmäßige Umschreibungen zu bewirken (EvBl. 1976/79; SZ 46/70; SZ 38/169; Schinnerer - Avancini, Bankverträge[3], I 76;
Canaris, GroßkommHGB[3], III/3, 2. Bearbeitung Rdz. 300;
Schlegelberger - Hefermehl[5], Rdz. 13 Anhang § 365 HGB). Allein die Tatsache, daß Leistungen verschiedener Schuldner am selben Tag bei einer Bank einlangten und daher das gleiche rechtliche Schicksal haben könnten, erzeugt noch keinen tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang.
Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Rechtshandlungen des Gemeinschuldners nach der Konkurseröffnung, welche die Konkursmasse betreffen, sind den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam (§ 3 Abs. 1 KO). Anweisungen als Rechtsgeschäfte fallen unter den Begriff der Rechtshandlung (Bartsch - Pollak[3], I 47; Jaeger KO[8], I 137; Mentzel - Kuhn - Uhlenbruck, Konkursordnung[9], 132). Der Zeitpunkt der Konkurseröffnung bestimmt sich nach § 2 KO mit dem Beginn des Tages, an dem das Konkursedikt an der Gerichtstafel des Konkursgerichtes angeschlagen wird (Bartsch - Pollak aaO 49). Gleichgültig ist es, ob die Konkurseröffnung dem Dritten, mit dem der Gemeinschuldner das Rechtsgeschäft abschloß oder dem gegenüber er eine sonstige Rechtshandlung vornahm, bekannt war oder ob sie ihm ohne sein Verschulden unbekannt blieb. Die Unwirksamkeit ist nicht die Folge des schuldhaften Verhaltens des Gemeinschuldners oder des Dritten, sondern der durch die Konkurseröffnung eingetretenen Verfügungsunfähigkeit des Gemeinschuldners (Bartsch - Pollak aaO 50; Jaeger aaO 147; Mentzel - Kuhn - Uhlenbruck aaO 135). Die Unwirksamkeit der Rechtshandlung gegenüber dem Konkursgläubigern bewirkt, daß der von der Rechtshandlung betroffene Gegenstand der Masse erhalten bleibt (Petschek - Reimer - Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht 459). Der Masseverwalter kann das vom Gemeinschuldner Geleistete zurückfordern (Bartsch - Heil, Grundriß[4], Rdz. 189; Wegan, Insolvenzrecht 94). Wären vom Gemeinschuldner nach Konkurseröffnung der beklagten Partei Beträge zur Verminderung des Debets aus dem dem Gemeinschuldner gewährten Kredit übergeben worden, hätte sich die vorgenommene Vermögensverschiebung auf einen Bestandteil der Masse bezogen. Die beklagte Partei wäre dann verpflichtet, trotz der von ihr vorgenommenen Buchungen die ihr zugeflossenen Werte der Masse herauszugeben. Die Rückabwicklung von nach § 3 KO relativ unwirksamen Vermögensverschiebungen hat nach Bereicherungsgrundsätzen zu erfolgen (Jaeger aaO 147). Das Bereicherungsrecht hat die Aufgabe, ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen (SZ 54/148 ua.; Koziol - Welser[6], I 311). Hat eine Bank außerhalb des Konkurses von einem Kunden Beträge mit dem Auftrag erhalten, diese für Überweisungen an Dritte zu verwenden, darf sie die Einzahlung nur zur Durchführung des vom Kunden erteilten Auftrages entgegenehmen. Sie ist an die erteilte Weisung ohne Rücksicht auf den Stand des Kontos gebunden; es ist ihr also insbesondere verwehrt, die Einzahlung entgegenzunehmen, die Durchführung des Überweisungsauftrages aber abzulehnen und die eingehenden Gelder zur Rückführung des Debets des Kunden zu verwenden (EvBl. 1976/79; SZ 47/9; Canaris aaO Rdz. 341). Eine Veränderung des Kontostandes kann sich damit nicht ergeben. Es sind aber auch der beklagten Partei durch die als rechtliche Einheit zu betrachtenden, den Gläubigern gegenüber unwirksamen Rechtshandlungen des Gemeinschuldners vom 22. 12. 1982 der Masse keine Werte zugekommen. Es erfolgten nicht Zahlungen des Gemeinschuldners an die beklagte Partei zur Verminderung seines Debets, sondern zur Erfüllung von Verbindlichkeiten des Gemeinschuldners an seine Dienstnehmer, die auftragsgemäß von der beklagten Partei auch durchgeführt wurden. Da nicht nur die Einzahlung durch den Gemeinschuldner, sondern auch der gleichzeitig von ihm erteilte Überweisungsauftrag nach § 3 KO den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam war, kann die klagende Partei nicht den zweiten Teil des eine Einheit bildenden Auftrages des Gemeinschuldners ignorieren und die beklagte Partei so behandeln, als hätte sie einen Teil der Masse in Händen. War aber die beklagte Partei durch die Rechtshandlungen des Gemeinschuldners nicht bereichert, besteht der gegen sie erhobene Anspruch nicht zu Recht.
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