Spruch:
Die gesetzliche Vertretungsmacht des Ehemannes nach § 1238 ABGB wird durch eine nachträgliche, nicht den Grad des völligen Verlustes der Vernunft im Sinne des § 865 Satz 1 ABGB erreichende Beschränkung der Geschäftsfähigkeit der Frau ohne deren Widerspruch nicht vor der Bestellung eines Kurators im Entmündigungsverfahren beendet
Im Rahmen der gesetzlichen Bevollmächtigung zur Vertretung seiner Gattin ist der Ehemann berechtigt, für sie einen Girovertrag mit einer Bank abzuschließen. Eine Verpfändung des Frauenvermögens für die eigenen Schulden des Mannes ist dagegen durch § 1238 ABGB nicht gedeckt
OGH 6. Juli 1973, 7 Ob 89/73 (OLG Wien 2 R 217/72. HS Wien 9 Cg 97/67)
Text
Die Klägerin begehrt von der beklagten Bank mit der am 8. Mai 1967 eingebrachten Klage die Auszahlung jenes Betrages, der auf einem im Frühjahr 1964 auf ihren Namen begrundeten Girokonto infolge von Zahlungseingängen in den Jahren 1964 bis 1966 unter Ausschaltung unberechtigter Abhebungen ihres Ehemannes als ihr Guthaben erliegen müsse, und stützt die Klage hilfsweise auf den Rechtsgrund der Nichtigkeit der zwischen den Streitteilen geschlossenen Verträge infolge ihrer Geschäftsunfähigkeit.
Das Erstgericht gab der Klage hinsichtlich des Teilbetrages von 102.662.80 S statt und wies das Mehrbegehren von 275.360 S ab. Nach seinen Feststellungen waren die Klägerin und ihr Ehemann, Majer M mit dem einzigen Komplementär der Beklagten, Simon A seit Jahren bekannt. Im Frühjahr 1964 eröffnete die Beklagte ohne schriftlichen Vertrag auf Ersuchen des Mannes der Klägerin zum Zwecke der Übernahme von Wiedergutmachungsleistungen der Landesrentenbehörde Düsseldorf für die Klägerin ein Konto. Am 30. April 1964 langte über, das deutsche Bankhaus A in München ein Wiederqutmachungsbetrag von 7000 US-$ für die Klägerin bei der Beklagten ein, sowie in der Folge monatliche Überweisungen, die immer auf ihr Konto gutgeschrieben wurden. Die Zahlungseingänge in den Jahren 1964 bis 1966 betrugen insgesamt 378.049.50 S. Davon behob der Ehegatte der Klägerin ohne deren Vollmacht und Kenntnis, sondern mit gefälschten Unterschriften der Klägerin, einschließlich eines Ankaufes von 400 US-$ insgesamt in bar 275.360 S. Unter Berücksichtigung einer Abschlußpost von 26.70 S zum 31. Dezember 1964 betrug demnach der Guthabensaldo der Klägerin am 8. Juni 1966 noch 102.662.80 S. Der Mann der Klägerin hat die behobenen Beträge nicht an sie ausgefolgt, sondern für sein Geschäft verwendet. Auch Bankauszüge, aus denen die Abhebungen ersichtlich waren, unterschlug der Mann der Klägerin. Erst nachdem sein Geschäft notleidend geworden war, erfuhr sie von den Abhebungen. Die Klägerin war seit Anfang 1964 von einer Geistesschwäche minderen Grades befallen, die es ihr unmöglich machte, die Folgen der Eröffnung eines Bankkontos und die Tragweite der vorliegenden Bankgeschäfte zu beurteilen.Nicht erwiesen ist, daß die Klägerin der Beklagten gegenüber jemals die Verfügungsberechtigung ihres Ehegatten bestätigte. Dieser stand mit der Beklagten auch selbst in geschäftlicher Verbindung, schuldete ihr schließlich Ende 1966 einen Betrag von 258.742.80 S und bot der Beklagten hiefür eine Sicherstellung aus dem Guthaben auf dem Konto seiner Frau mündlich an. Eine buchmäßige Abdeckung aus dem Guthaben der Klägerin für die Schulid ihres Gatten erfolgte jedoch erst am 24. März 1970.
Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes konnte zufolge der beschränkten Geschäftsfähigkeit der Klägerin weder durch schriftlichen noch durch mündlichen Vertrag ein Bankkonto eröffnet werden oder durch konkludente Handlungen ein Vertrag zustande kommen. Deshalb seien die allgemeinen Bankbedingungen nicht anwendbar und der fehlende Widerspruch der Klägerin gegen die an sie gesendeten Bankauszüge bedeutungslos. Der Ehemann sei aber gemäß § 1238 ABGB zu den Abhebungen von dem von der beklagten Partei einseitig zugunsten der Klägerin eröffneten Konto berechtigt gewesen, zumal die Beklagte auf den äußeren Tatbestand vertrauen durfte. Die Abhebungen vom Konto wirkten daher gegen die Klägerin. Dagegen sei die Verpfändung des Guthabens von der vermuteten Vollmacht nicht gedeckt gewesen, so daß der Klägerin die Forderung auf Auszahlung des Restguthabens von 102.662.80 S zustehe.
Infolge Berufung beider Parteien bestätigte das Berufungsgericht das Ersturteil. Es übernahm die Feststellungen als unbedenklich und trat der Rechtsansicht des Erstrichters bei.
Der Oberste Gerichtshof gab weder der Revision der Klägerin noch derjenigen der Beklagten Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Bei Erledigung der beiderseitigen Rechtsrügen ist zweckmäßigerweise zunächst die von der Beklagten bekämpfte Beurteilung der Untergerichte zu überprüfen, daß wegen der fehlenden Geschäftsfähigkeit der Klägerin ein Vertrag über die Eröffnung eines Girokontos nicht zustande gekommen sei. Im Zusammenhang damit wird der Umfang der gesetzlichen Vertretungsmacht des Ehemannes nach § 1238 ABGB zu erörtern sein.
Der Beklagten ist zuzugeben, daß die Eröffnung eines Girokontos bei einer Bank im heutigen Wirtschaftsleben nicht außerhalb der normalen Verwaltung eines Vermögens steht. Durch den Girovertrag verpflichtet sich die Bank gegenüber ihrem Kunden, die ihr aufgetragenen Zahlungen durch buchmäßige Umschreibung zu bewirken, also Leistungen zum Zwecke der bargeldlosen Zahlung für den Kunden anzunehmen oder zu erbringen (Schinnerer, Bankverträge Nachtrag 1969, 43, SZ 38/169). Das Girokonto hat demnach nur die Bedeutung der bargeldlosen Abwicklung der Vermögensverwaltung an Stelle einer baren Durchführung der Einzelgeschäfte. Es bestehen keine Bedenken, so wie dem gesetzlichen Vertreter eines Minderjährigen (Schinnerer, Bankverträge I, 19 f., 27), auch dem Ehemann im Rahmen seiner gesetzlichen Bevollmächtigung zur Vertretung der Gattin (§§ 1034, 1238 ABGB) den Abschluß eines Kontovertrages einzuräumen. Selbst wenn die Bankpraxis sich im allgemeinen zum eigenen Schutz mit einer Erklärung des Ehemannes nicht begnügen sollte, liegt hier der Sonderfall persönlicher Bekanntschaft des Komplementärs einer Privatbank mit beiden Ehegatten vor, so daß Bedenken im Einzelfall nicht im Wege standen.
Zu prüfen bleibt allerdings, ob die Verwaltungsvollmacht des Ehemannes durch den vorherigen Eintritt der beschränkten Geschäftsfähigkeit der Klägerin schon beendet war. Dies ist zu verneinen. Die dem Ehemann durch § 1238 ABGB eingeräumte Verwaltungs- und Vertretungsmacht ist nicht einmal fiktiv rechtsgeschäftlich, sondern wird durch gesetzlichen Dispositivrechtssatz bis zum Widerspruch der Frau eingeräumt (Weiß in Klang[2] V, 829, Ehrenzweig[2] II/2, 170). Allerdings wird nur die Verwaltung des der eigenberechtigten Frau gehörigen freien Vermögens an den eigenberechtigten Mann überwiesen (Klang V, 829). Aber dies ist, wie sich auch aus dem Zitat bei Klang (Pfaff, JBl. 1887, 450) ergibt, auf den Fall der noch nicht eigenberechtigten Frau bezogen und erklärt sich insoweit zwanglos aus § 260 ABGB, nach dessen derzeit noch geltender Fassung es von der Beurteilung des Gerichtes abhängt, ob die Kuratel betreffend die Minderjährige, die sich verehelicht, dem Ehegatten abgetreten wenden soll. Wenn dagegen eine eigenberechtigte Frau, deren Vermögen nach § 1238 ABGB bereits in die Verwaltung des Ehemannes gekommen ist, nachträglich teilweise geschäftsunfähig wird, besteht mindestens bis zum Ausspruch der Entmündigung (SZ 12/219) kein Grund für ein Erlöschen der gesetzlichen Verwaltungs- und Vertretungsmacht des Ehegatten, so daß ein Widerspruch von ihrem gesetzlichen Vertreter ausgehen muß (Weiß in Klang[2] V, 830). Eine Notwendigkeit, vor der Bestellung eines anderen gesetzlichen Vertretens jede Rechtshandlung des Mannes für die Ehefrau (siehe hier: durch Jahre) zum Nachteil der Verkehrssicherheit zu hindern oder nur mit schwebender Wirksamkeit auszustatten, besteht umso weniger, als durch die nachfolgende Handlungsfähigkeit des Machtgebers auch ein vertragliches Vollmachtsverhältnis, das gültig zustande gekommen ist, nicht berührt wind (Klang[2] IV/1, 874, SZ 13/71, 24/244, EvBl. 1968/60; vgl. auch Klang[2] V, 833 und SZ 10/33). Der Oberste Gerichtshof gelangt daher zu dem Ergebnis, daß die gesetzliche Vertretungsmacht des Ehegatten nach § 1238 ABGB durch die nachträgliche Beschränkung der Geschäftsfähigkeit der Frau, die jedoch den Grad des völligen Verlustes der Vernunft im Sinne des § 865 erster Satz ABGB nicht erreichte, ohne Widerspruch der Frau nicht vor der Bestellung eines Kurators im Entmündigungsverfahren beendet wurde.
Dem rechtswirksamen Zustandekommen eines Girovertrages zwischen den Streitteilen, wobei die Klägerin gemäß § 1238 ABGB durch ihren Ehemann vertreten wurde, steht entgegen der in ihrer Revision vertretenen Rechtsansicht auch nicht der Umstand im Wege, daß es sich bei den Geldern, die auf ihr Konto bei der Beklagten einlangten, um monatliche Rentenbeträge handelte, die der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland als Wiedergutmachung für rassische Verfolgung zuerkannt worden waren. Insbesondere für die Nachzahlung von rund 180.000 S am 30. April 1964 kann nämlich nicht zweifelhaft sein, daß es sich um ein der Verwaltung durch den Ehemann zugängliches Stammkapital (§ 1239 ABGB) handelte, das nicht mit laufendem Arbeitseinkommen im Sinne der Entscheidung EvBl. 1968/417 vergleichbar ist. Aber auch die weiteren Eingänge an Rentenzahlungen sind, zumal sie nicht zum laufenden Unterhalt der Klägerin notwendig waren, als freies Vermögen der Ehefrau anzusehen, das den Gegenstand der gesetzlichen Vertretungsmacht des Ehemannes nach § 1238 ABGB bildete, weil dazu alles Vermögen gehört, das nicht durch Ehepakten gebunden ist (Weiß in Klamg[2] V, 828f., Ehrenzweig[2]11/2, 170). Ist somit entgegen der Ansicht der Untergerichte und der Klägerin der Girovertrag zwischen den Streitteilen wirksam zustande gekommen, dann gelten für ihn auch die in der "Wiener Zeitung" bekanntgemachten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditinstitute. Es bedarf nicht mehr der von den Untergerichten angestellten Erwägungen über die Wirksamkeit der einzelnen Abhebungen durch den Ehemann der Klägerin im Rahmen des § 1238 ABGB, weil die an sie abgesendeten Kontoauszuge laufend wenigstens an ihn als den gesetzlichen Vertreter in der Verwaltung des Frauenvermögens zugegangen sind und durch den unterlassenen Widerspruch nach Punkt 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen anerkannt wurden. Eine Schlechtgläubigkeit der Beklagten bezüglich der Berechtigung des Ehemannes der Klägerin zu den Abhebungen war nicht einmal behauptet worden; sie ergab sich auch nicht aus den Feststellungen der Untergerichte und hätte sich schließlich nicht einmal aus der Parteiaussage des Komplementärs der Beklagten schließen lassen können, daß ihm ein Geldbedarf des Ehemannes der Klägerin bekannt war, daß sie etwas von der Wiedergutmachung (aber nicht diese selbstÜ) ihren Kindern schenken wollte und daß der Mann der Klägerin nicht sehr kreditwürdig erschien.
Die Unterschlagung der vom Ehemann der Klägerin in deren Namen behobenen Gelder und der von Wer Beklagten hierüber an die Anschrift der Klägerin zugestellten Bankauszüge geht somit nicht zu ihren Lasten, sondern zu Lasten der Klägerin, die ihren Regreß bei dem hinsichtlich des Stammkapitals des Frauenvermögens rechnungspflichtigen Ehemann nehmen mag. Die teilweise Klagsabweisung durch die Untergerichte kann nicht als rechtsinnig erkannt werden.
Aber auch die teilweise Klagsstattgebung im Umfange des erst während des Rechtsstreites zur Tilgung einer Schuld des Ehemanns der Klägerin verwendeten Guthabens des klägerischen Kontos in Ausnützung einer Verpfändungszusage des Mannes der Klägerin entspricht der Rechtslage. In diesem Umfang kommt der Beklagten ein Vertrauen auf die gesetzliche Vertretungsmacht nach § 1328 ABGB nicht mehr zugute, weil eine Verpfändung des Frauenvermögens für eigene Schulden durch die gesetzliche Vertretungsmacht des Ehemannes nach § 1238 ABGB nicht gedeckt ist (Klang [2] V, 836), die Punkte 6 und 22 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditinstitute diesen Mangel nicht heilten und im Zeitpunkte der Umbuchung die Klägerin bereits längst von allen Depotvereinbarungen zurückgetreten war.
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