OGH 2Ob544/88

OGH2Ob544/8814.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Leopoldine N***, Bankangestellte, 1110 Wien, Simmeringer Hauptstraße 34-40/1/3/21, vertreten durch Dr. Heide Strauss, Rechtsanwalt in Gänserndorf, wider die beklagten Parteien

1.) Auto H***, Gesellschaft m.b.H., 2.) Georg H***, Angestellter, beide 1220 Wien, Wagramerstraße 170, wegen S 120.000,-- infolge Rekurses des Dr. Richard S***, Rechtsanwalt in Korneuburg, als zu 6 S 3/82 des Kreisgerichtes Korneuburg bestellten Masseverwalters im Konkurs des Zweitbeklagten, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 11. Februar 1988, GZ 3 R /88-10, womit die Berufung des Masseverwalters gegen das Versäumungsurteil des Handelsgerichtes Wien vom 28. April 1987, GZ 24 Cg 41/87-6, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung des Masseverwalters Dr. S*** aufgetragen. Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte mit ihrer am 19. Februar 1987 eingebrachten Klage, die Beklagten zur Bezahlung von S 120.000,-- s.A. zu verurteilen. Am 5. November 1986 habe sie von der Erstbeklagten einen PKW Golf Rabbit um S 120.000,-- gekauft. Sie habe den Kaufpreis dadurch entrichtet, daß sie ihren PKW Audi 100 Diesel mit S 170.000,-- in Zahlung gegeben habe, worauf ihr S 50.000,-- ausbezahlt worden seien. Über wiederholte Urgenz habe der Zweitbeklagte erklärt, er könne den PKW Golf nicht an die Klägerin ausliefern, weil er nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfüge. Die Klägerin habe daher ihren Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und die Rückerstattung des Kaufpreises von S 120.000,-- gefordert. Der Zweitbeklagte hafte zur ungeteilten Hand mit der Erstbeklagten, teils aufgrund persönlich übernommener Zahlungsverpflichtung, teils wegen Nichtabführung des Erlöses des PKW Audi an die Erstbeklagte. Der Zweitbeklagte habe bereits bei Weiterverkauf des PKW Audi damit gerechnet, daß er den PKW Golf Rabbit für die Klägerin nicht werde anschaffen können. Das Kreisgericht Korneuburg hatte am 26. Jänner 1982 zu 6 S 3/82-2 über das Vermögen des Zweitbeklagten den Konkurs eröffnet und Dr. Richard S***, Rechtsanwalt in Korneuburg, zum Masseverwalter bestellt.

Das Erstgericht fällte auf Antrag der Klägerin am 28. April 1987 ein klagsstattgebendes Versäumungsurteil.

Das Gericht zweiter Instanz wies die vom Masseverwalter des Zweitbeklagten gegen das Versäumungsurteil erhobene Berufung zurück, weil die Rechtsmittellegitimation des Masseverwalters nicht gegeben sei. Die gegen den Zweitbeklagten behauptete Forderung sei nach dem Vorbringen der Klägerin erst 1986 oder später entstanden. Sie sei daher keine Konkursforderung im Sinne des § 1 Abs 2 KO, weil zu diesen grundsätzlich nur solche vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Gemeinschuldner zählten, die im Zeitpunkt der Konkurseröffnung schon bestanden haben. Forderungen gegen den Gemeinschuldner, die erst während des Konkursverfahrens entstanden seien - und auch nicht zu den erschöpfend im § 46 KO erfaßten Masseforderungen gehörten -, seien keine Passiven der Konkursmasse und nähmen daher auch nicht am Konkursverfahren teil; weil sie das zur Masse gehörende Vermögen überhaupt nicht beträfen, seien sie nicht gegen den Masseverwalter, sondern nur gegen den - insoweit voll verfügungsberechtigten - Gemeinschuldner geltend zu machen. Nach dem Vorbringen der Klägerin liege auch keine Masseforderung im Sinne des § 46 KO vor. Auch der Masseverwalter behaupte keinen Tatbestand, aus dem sich seine Verpflichtung zur Bezahlung der von der Klägerin behaupteten Forderung als Masseforderung ergeben könnte. Durch die Geltendmachung des behaupteten Anspruches gegen den Gemeinschuldner selbst habe die Klägerin auch hinreichend zum Ausdruck gebracht, daß ihr Anspruch die Konkursmasse nicht betreffe, da sie aus derselben weder Befriedigung noch Sicherstellung begehrt habe. Der Masseverwalter sei daher zur Erhebung der Berufung nicht befugt; das Rechtsmittel sei gemäß §§ 471 Z 2, 473 Abs 1, 474 Abs 2 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes wendet sich der Rekurs des Masseverwalters mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung des Masseverwalters aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Der Masseverwalter führt aus, daß das angefochtene Versäumungsurteil keinen Hinweis darauf enthalte, daß es hinsichtlich des Zweitbeklagten, des Gemeinschuldners Georg H***, nur das nicht zu seiner Konkursmasse gehörige Vermögen betreffe und daß die Exekution aufgrund dieses Urteils daher nur auf dieses nicht zur Konkursmasse gehörige Vermögen eingeschränkt sei. Es könnte daher die Klägerin mit diesem Urteil sehr wohl auch auf Vermögen greifen, das zur Konkursmasse gehöre und dadurch aus der Konkursmasse unzulässigerweise Befriedigung erlangen, insbesondere dann, wenn es sich um ein Massevermögen handle, das der Masseverwalter mangels Kenntnis seiner Existenz noch nicht verwerten und der Konkurs-Bargeldmasse zuführen konnte, weil ihm etwa der Gemeinschuldner seine Existenz bisher verschwiegen habe. Die Klägerin habe sich mit dem angefochtenen Versäumungsurteil die Möglichkeit geschaffen, allenfalls auf zur Konkursmasse gehöriges Vermögen zu ihrer Befriedigung zu greifen. Als Masseverwalter und Vertreter der Konkursmasse des Georg H*** habe er ein rechtliches Interesse an der Beseitigung des angefochtenen Versäumungsurteiles und es komme ihm daher die Berufungslegitimation zu. Gemäß § 1 KO bestehe die Konkursmasse aus dem gesamten der Exekution unterworfenen Vermögen, das dem Gemeinschuldner zur Zeit der Konkurseröffnung gehöre oder das er während des Konkurses erlange. Darunter fielen nicht nur das Aktivvermögen, sondern auch die Forderungen, sodaß auch die mit der gegenständlichen Klage geltend gemachte Forderung nach dem klaren Gesetzeswortlaut zur Konkursmasse gehöre. Da außerdem die Geltendmachung ohne Beschränkung auf das konkursfreie Vermögen erfolgt sei ebenso wie der Zuspruch im angefochtenen Versäumungsurteil, handle es sich um eine Rechtsstreitigkeit zur Geltendmachung eines Anspruches (auch) auf das zur Konkursmasse gehörige Vermögen, der gemäß § 6 KO nach erfolgter Konkurseröffnung gegen den Gemeinschuldner nicht habe anhängig gemacht werden können. Vom Masseverwalter sei in der Berufung Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 5 ZPO geltend gemacht und auch ausdrücklich erklärt worden, die bisherige, ohne seine Mitwirkung erfolgte Prozeßführung des Gemeinschuldners nicht zu genehmigen. Nach der klaren Aktenlage sei diese Nichtigkeit gegeben und daher das angefochtene Urteil aufzuheben. Selbst wenn man aber der Rechtsansicht des Berufungsgerichts folgen würde, die gegenständliche Klagsführung gegen den Gemeinschuldner direkt sei an sich zulässig, hätte das Berufungsgericht der Berufung insofern stattgeben müssen, als es das angefochtene Urteil dahin abzuändern gehabt hätte, daß es hinsichtlich des Zweitbeklagten die Zahlungsverpflichtung und die Exekutionsmöglichkeit auf dessen konkursfreies Vermögen hätte einschränken müssen.

Diesen Ausführungen kommt im Ergebnis Berechtigung zu. Im vorliegenden Fall sind mit Rücksicht auf die Konkurseröffnung im Jahre 1982 die Bestimmungen der KO in der vor dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz geltenden Fassung anzuwenden. Gemäß § 1 KO wird durch Eröffnung des Konkurses das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Gemeinschuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Konkurses erlangt (Konkursmasse), dessen freier Verfügung entzogen. Er verliert damit nicht das Eigentum an den zur Konkursmasse gehörigen Vermögenswerten, aber er verliert die Verfügungsfähigkeit und damit auch die Prozeßfähigkeit hinsichtlich der Prozesse, welche die Masse betreffen.

Der Mangel der Verfügungsfähigkeit (Prozeßfähigkeit) des Gemeinschuldners bedeutet Nichtigkeit

(EvBl 1955 Nr. 296 = JBl 1955 S. 479 u.a.). Passivprozesse kann der Gemeinschuldner von der Konkurseröffnung angefangen mit Wirksamkeit für die Masse nicht mehr führen. Der Grund hiefür liegt in der nach § 1 KO eintretenden Beschränkung der Verfügungsfähigkeit des Gemeinschuldners und der daraus hervorgehenden Unwirksamkeit seiner Rechtshandlungen gegenüber den Konkursgläubigern. Er verliert zwar weder Rechtsfähigkeit noch Handlungsfähigkeit überhaupt, er kann nur nicht mit Wirkung für die Konkursgläubiger über die Masse verfügen. Auch im Prozeß bleibt der Gemeinschuldner parteifähig (rechtsfähig), ihm kommt die Sachlegitimation (Eigentum an der Masse) zu, nur hinsichtlich der Masse ist er nicht verfügungsfähig. Weil es sich hier um einen Mangel der Verfügungsfähigkeit handelt, ist dieser Mangel wie jener der Prozeßfähigkeit von Amts wegen zu beachten (§ 6 ZPO), allenfalls die Nichtigkeit des Verfahrens auszusprechen (Bartsch-Pollak3 I S. 69). Nach § 6 Abs 3 KO können Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, die das zur Konkursmasse gehörige Vermögen überhaupt nicht betreffen, auch während des Konkurses gegen den Gemeinschuldner und von ihm anhängig gemacht und fortgesetzt werden. Zu diesen Gemeinschuldnerprozessen gehören Streitigkeiten vermögensrechtlicher Natur, wenn der Streitgegenstand weder einen Aktiv- noch einen Passivbestandteil der Konkursmasse bildet. Auf Gemeinschuldnerprozesse hat demnach die Konkurseröffnung überhaupt keine Wirkung, sie werden durch die Konkurseröffnung nicht unterbrochen und es findet keine Vertretung des Gemeinschuldners durch den Masseverwalter statt (vgl. Bartsch-Pollak a.a.O., § 6 Anm. 14 II). Rechtshandlungen des Gemeinschuldners nach der Konkurseröffnung, welche die Konkursmasse betreffen, sind den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam (§ 3 Abs 1 KO). Gleichgültig ist es, ob die Konkurseröffnung dem Dritten, mit dem der Gemeinschuldner das Rechtsgeschäft abschloß oder dem gegenüber er eine sonstige Rechtshandlung vornahm, bekannt war oder ob sie ihm ohne sein Verschulden unbekannt blieb. Die Unwirksamkeit ist nicht die Folge des schuldhaften Verhaltens des Gemeinschuldners oder des Dritten, sondern der durch die Konkurseröffnung eingetretenen Verfügungsunfähigkeit des Gemeinschuldners (Bartsch-Pollak2 I 50; Jaeger aaO 147;). Die Unwirksamkeit der Rechtshandlung gegenüber den Konkursgläubigern bewirkt, daß der von der Rechtshandlung betroffene Gegenstand der Masse erhalten bleibt (Petschek-Reimer-Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht 459). Der Masseverwalter kann das vom Gemeinschuldner Geleistete zurückfordern (SZ 56/186; Bartsch-Heil, Grundriß4, Rz 189; Wegan, Insolvenzrecht 94).

Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet, kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes die Rechtsmittellegitimation des Masseverwalters gegen das Versäumungsurteil des Erstgerichtes nicht allein schon deshalb verneint werden, weil die mit der Klage gegen den Gemeinschuldner geltend gemachte Forderung erst nach der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Zweitbeklagten entstanden ist, zumal im Klagebegehren die Einschränkung der Exekution auf das konkursfreie Vermögen nicht zum Ausdruck gebracht wurde. Sollte nämlich das nach Konkurseröffnung zwischen den Streitteilen abgeschlossene Rechtsgeschäft, das letztlich der Klagsforderung zugrundeliegt, eine gemäß § 3 KO unwirksame Rechtshandlung des Gemeinschuldners dargestellt haben, was nach dem Klagsvorbringen nicht eindeutig bejaht, aber auch nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann, kann es dem Masseverwalter nicht von vornherein verwehrt werden, im Wege einer Berufung gegen das Versäumungsurteil seine Einwendungen geltend zu machen.

Dem Rekurs des Masseverwalters war daher Folge zu geben und wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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