OGH 15Os86/15h

OGH15Os86/15h22.7.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Juli 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Leisser als Schriftführerin in der Strafsache gegen Karl S***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15 Abs 1, 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 29. Jänner 2015, GZ 13 Hv 120/14x‑23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00086.15H.0722.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Karl S***** des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (1.), des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (2.a), des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB (2.b) sowie des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15 Abs 1, 201 Abs 1 StGB (3.) schuldig erkannt.

Danach hat er in K*****

1. am 19. Mai 2014 Susanna S***** durch die Äußerung: „Hör auf mit deiner Spinnerei. Sei net so deppert, sonst drah i di hoam“, wobei er sie mit dem Kragen ihres Bademantels würgte, gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

2. am 19. Mai 2014 die Genannte am Körper verletzt, und zwar

a) durch die unter 1. dargestellte Tathandlung in Form von Würgemalen im Bereich des Halses;

b) durch Versetzen eines Stoßes gegen den Oberkörper, wodurch sie zu Sturz kam und Hämatome sowie eine Beule am Kopf erlitt;

3. am 27. Juli 2014 Susanna S***** „mit Gewalt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Vornahme und Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht, indem er sie auf dem Bett festgehalten, ihr den Slip vom Körper gerissen und wiederholt versucht hat, ihre Beine auseinanderzudrücken, ihr in weiterer Folge unter das Gesäß gegriffen und ihre Beine in Richtung ihres Kopfes gedrückt hat, wobei die Genannte rückwärts aus dem Bett auf den Boden gefallen ist, wo er sich auf ihre Oberschenkel bzw ihr Gesäß gesetzt und ihren rechten Arm in den Polizeigriff genommen hat, sie anschließend wieder auf das Bett gezerrt und ihren Körper mittels Kraftanwendung fixiert hat“.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a, 9 lit b und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Entgegen den Ausführungen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zu 3. des Schuldspruchs waren die Angaben der Zeugin Susanna S***** betreffend einen „Vorfall“ während der gemeinsamen Flitterwochen nicht erörterungsbedürftig. Unvollständigkeit liegt nämlich nur dann vor, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen (vgl Ratz, WK‑StPO Rz 399) angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS‑Justiz RS0098646).

Gegenstand einer Zeugenaussage sind nur sinnliche Wahrnehmungen des Zeugen über Tatsachen; die Wiedergabe des subjektiven Eindrucks eines Zeugens fällt nicht in den Rahmen seines gerichtlichen Zeugnisses (RIS‑Justiz RS0097545). Demgemäß bedurfte es zu 3. keiner ausdrücklichen Erwähnung der Einschätzung der Zeugin S*****, wonach „der Vorfall“ für den Angeklagten bloß „eine spaßige Rangelei“ gewesen wäre, und sie nicht glaube, dass er gemerkt hätte, wie sie sich dabei gefühlt habe.

Indem der Rechtsmittelwerber zu 3. ausführt, der Ausspruch der Zeugin während der Tathandlungen „Wenn du dich abreagieren willst, dann geh halt fischen!“ wäre mit einem „normalen Täterverhalten bei Erfüllung des Tatbestands des § 201 StGB“ nicht in Einklang zu bringen, bekämpft er nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung. Das gilt auch für den Hinweis des Angeklagten, wonach bei dem Opfer „faktisch überhaupt keine Verletzung aufgetreten“ sei.

Weiters bekämpft die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) die erstgerichtlichen Konstatierungen zu 3. des Schuldspruchs, wonach der Angeklagte von seinem Vorhaben erst abließ, nachdem sich die Zeugin heftig zur Wehr gesetzt hatte und ihr die Flucht aus dem Schlafzimmer gelungen war (US 5). Entgegen dem Beschwerdevorbringen haben sich die Tatrichter ausreichend mit den dazu geringfügig voneinander abweichenden Angaben der Zeugin im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung auseinandergesetzt (US 10).

Soweit der Rechtsmittelwerber einzelne Details der Aussage der Zeugin hervorhebt und ausführt, der Angeklagte hätte „freiwillig von seiner Tathandlung Abstand genommen“, was sich daraus ergebe, dass nach dem von der Zeugin geschilderten Erscheinen des Zeitungszustellers sich dieser ja wieder entfernt hätte und der Angeklagte erst dann „aufgehört hätte“, übt er neuerlich bloß unzulässige Kritik an der Beweiswürdigung der Tatrichter, indem er aus den vom Erstgericht gewürdigten Beweisergebnissen (US 9) eigene Schlüsse zieht. Im Übrigen lässt die Nichtigkeitsbeschwerde außer Acht, dass das Erstgericht ‑ den Aussagen des Opfers folgend ‑ davon ausging, der Angeklagte habe aufgrund der Ablenkung durch den Zeitungszusteller mit seiner Gewaltanwendung nachgelassen, was das Opfer zur Flucht nützen konnte (US 10).

Indem die Nichtigkeitsbeschwerde (nominell Z 5, inhaltlich Z 9 lit a) unter Bezugnahme auf das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) einen substratlosen Gebrauch der verba legalia behauptet, weil im Urteil Konstatierungen zu der im Punkt 3. genannten ‑ dem Beischlaf rechtlich gleichwertigen ‑ Alternative der Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung fehlen würden, legt sie nicht dar, weshalb die Feststellungen betreffend den Versuch, das Opfer zur Duldung des Beischlafs zu nötigen (US 4 f), für eine Subsumtion unter § 201 Abs 1 StGB nicht genügen sollten. Entsprechendes gilt für die Kritik, wonach das Urteil nicht zu beiden im Spruch angeführten ‑ ebenfalls rechtlich gleichwertigen - Begehungsalternativen der Anwendung von Gewalt und der Entziehung der persönlichen Freiheit Konstatierungen enthält.

Warum die Feststellungen zu 3. betreffend die Anwendung von Gewalt ohne Sachverhaltsbezug geblieben sein sollten, bleibt offen, stellten die Tatrichter doch fest, dass der Angeklagte die Zeugin festhielt, ihr den Slip wegriss, sich auf ihren Rücken und ihre Oberarme kniete, ihre Beine auseinander zu drücken trachtete, ihre rechte Hand auf den Rücken bog und sie aufs Bett warf (US 4).

Soweit der Beschwerdeführer ausführt, die rechtliche Beurteilung durch das Schöffengericht erschöpfe sich in der Ausführung, dass der Angeklagte aufgrund des festgestellten Sachverhalts das Verbrechen der Vergewaltigung verwirklicht habe, spricht er keine Anfechtungskategorie der Nichtigkeitsbeschwerde an (RIS‑Justiz RS0098676).

Die weitere Rüge zu 3. (nominell Z 5, der Sache nach Z 9 lit b) geht prozessordnungswidrig nicht vom festgestellten Sachverhalt aus (vgl RIS‑Justiz RS0099810), weil sie die erstgerichtlichen Konstatierungen betreffend den erfolgreichen Widerstand und die Flucht des Opfers (US 4) außer Acht lässt. Indem der Rechtsmittelwerber weiters ausführt, dass „naturgemäß“ ein Zur‑Wehr‑Setzen des Opfers nicht „automatisch dazu führt, dass ein Ablassen des Täters von seinem Vorhaben dann die Freiwilligkeit beseitigt“, leitet er die von ihm gewünschte Konsequenz nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (vgl RIS‑Justiz RS0116569; Fabrizy , StGB 11 § 16 Rz 8).

Indem die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) behauptet, die Tatrichter hätten ihre Konstatierungen, wonach der Angeklagte von seinem Vorhaben erst abgelassen habe, nachdem sich die Zeugin heftig zur Wehr gesetzt hatte und ihr die Flucht aus dem Schlafzimmer gelungen war, unbegründet gelassen, setzt sie sich über die (auch geringfügige Widersprüchlichkeiten berücksichtigende) Beweiswürdigung des Erstgerichts betreffend die Aussagen des Opfers (US 10) hinweg.

Zu 1. des Schuldspruchs beschränkt sich die Mängelrüge (Z 5) betreffend die für die Feststellung des vom Angeklagten intendierten Bedeutungsinhalts seiner Äußerung maßgeblichen Erwägungen der Tatrichter auf eine unzulässige Beweiswürdigungskritik, ohne einen Begründungsmangel im Sinn des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen. Soweit der Angeklagte ausführt, das Erstgericht hätte „dezidiert begründen müssen“, warum es sich bei den inkriminierten Worten nicht bloß um eine „Unmutsäußerung“ gehandelt habe, lässt er die Beweiswürdigung auf US 8 außer Acht.

Auch betreffend 2.a des Schuldspruchs übt der Rechtsmittelwerber lediglich unzulässige Beweiswürdigungs-kritik, indem er ausführt, für die Würgemale wäre „wohl ein gemeinsamer Sturz“ verantwortlich, es sei „sehr wohl vorstellbar“, dass es dabei aufgrund des nicht gelösten „Klammerreflexes“ zu Abschürfungen im vorderen Halsbereich komme. Soweit der Nichtigkeitswerber in diesem Zusammenhang dem Schöffengericht eine Scheinbegründung (Z 5 vierter Fall) vorwirft, weil es der Verantwortung des Angeklagten nicht folgte, verkennt er, dass der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit einer Aussageperson aufgrund des von dieser in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch‑psychologische Vorgang als solcher der Anfechtung mit Mängelrüge entzogen ist (RIS‑Justiz RS0106588).

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) zu 2.a und zu 3. auf das aus Z 5 erstattete Vorbringen verweist und dieses teilweise wiederholt, verkennt sie den unterschiedlichen Anfechtungsrahmen (RIS‑Justiz RS0115902).

Z 5a will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780). Indem der Angeklagte zu 2.a auf seine Verantwortung betreffend eine mögliche andere Ursache der Würgemale verweist und zu 3. die Aussage des Opfers ins Treffen führt, wonach es den Eindruck gehabt hätte, für ihn habe es sich um eine „spaßige Rangelei“ gehandelt, gelingt es jedenfalls nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken im Sinn des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes zu wecken.

Zu 3. des Schuldspruchs ist weder die Rechtsrüge (Z 9 lit a) mit der Behauptung, es liege keine ausführungsnahe Handlung im Sinn des § 15 StGB vor, noch die Subsumtionsrüge (Z 10), wonach eine Unterstellung des Verhaltens des Angeklagten unter den Tatbestand der Freiheitsentziehung nach § 99 StGB oder der Körperverletzung nach § 83 StGB „möglich“ wäre, prozessordnungsgemäß ausgeführt. Es wird nämlich nicht aus dem Gesetz abgeleitet, weshalb in den konstatierten Angriffen gegen das Opfer nicht bereits eine Ausführungshandlung im Sinn des § 201 Abs 1 StGB liegen sollte (vgl RIS‑Justiz RS0125242, RS0090251). Indem der Rechtsmittelwerber - ohne Zitate anzuführen ‑ „auf die umfangreiche Judikatur, ab wann eine Vergewaltigung im Sinn des § 201 StGB bzw eine Vollendung des Delikts vorliegt“, verweist und ohne Begründung behauptet, der Versuch, die Beine auseinander zu drücken, stelle noch keine ausführungsnahe Handlung zur Vergewaltigung dar, verfehlt er die methodengerechte Ableitung der gewünschten rechtlichen Konsequenz aus dem Gesetz.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Anzumerken bleibt, dass es sich nach den Feststellungen des Erstgerichts bei den von 2.a und b des Schuldspruchs erfassten Tathandlungen um eine tatbestandliche Handlungseinheit handelt (US 3 f), weshalb bloß ein Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB anzunehmen ist (RIS‑Justiz RS0120233, [insb T12]). An diesen Subsumtionsfehler ist das Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung über die Berufungen nicht gebunden (RIS‑Justiz RS0118870).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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