OGH 15Os72/89

OGH15Os72/891.8.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.August 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Maurer als Schriftführer in der Strafsache gegen Helmut D*** und Erwin O*** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 und 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 24.April 1989, GZ 39 Vr 221/89-36, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek und der Verteidiger Dr. Kellner und Dr. Zessin, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen - unter Aufrechterhaltung der Aussprüche über die Vorhaftanrechnungen und die privatrechtlichen

Ansprüche - unberührt bleibt, im Ausspruch, daß Helmut D*** und Erwin O*** den Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen hätten und die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen habe sowie in der Unterstellung der Tat unter § 142 Abs. 2 StGB und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben.

Gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO wird in der Sache selbst erkannt:

Helmut D*** und Erwin O*** haben durch die im aufrecht gebliebenen Teil des erstgerichtlichen Urteils bezeichnete Tat das Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB begangen und werden hiefür nach dieser Gesetzesstelle zu Freiheitsstrafen verurteilt, und zwar D*** zu 2 (zwei) Jahren und O*** zu 18 (achtzehn) Monaten.

Gemäß § 43 a Abs. 3 StGB wird jeweils ein Teil der Strafe, und zwar bei D*** in der Dauer von 16 (sechzehn) Monaten und bei O*** in der Dauer von 12 (zwölf) Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von je 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen. Auf diese Entscheidung wird die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Helmut D*** und Erwin O*** wurden mit dem bekämpften Urteil des Verbrechens des Raubes "nach dem § 142 Abs. 2" (richtig Abs. 1 und 2 - siehe SSt. 55/68) StGB schuldig erkannt, weil sie am 29. Jänner 1989 im bewußten und gewollten Zusammenwirken dadurch, daß O*** nach vorheriger Absprache Günter A*** in ein Gespräch verwickelte, D*** diesen anschließend von hinten mit einem Würgegriff nahm, ihn rücklings zu Boden riß, ihm mehrere Faustschläge ins Gesicht versetzte, und daß schließlich beide Täter von ihm die Herausgabe seines gesamten Bargeldes und unter der Drohung, ihn ansonsten umzubringen, verlangten, woraufhin A*** seine Geldbörse mit 1.260 S Bargeld herausnahm, die ihm anschließend O*** entriß, mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) einem anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz wegnahmen bzw. abnötigten, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei dieser Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wurde und die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich zog.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen dieses Urteil erhobenen, die angenommene Privilegierung der Tat nach § 142 Abs. 2 StGB bekämpfenden, auf § 281 Abs. 1 Z 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu.

Die gelindere Strafdrohung des § 142 Abs. 2 StGB setzt (seit dem StRÄG 1987) voraus, daß der Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wird, die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und es sich um keinen schweren Raub (§ 143 StGB) handelt.

Sämtliche dieser Voraussetzungen müßten erfüllt sein (JBl. 1986, 468; EvBl. 1976/116 = ÖJZ-LSK 1975, 188 ua). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Der Raub wurde nicht an einer Sache geringen Wertes begangen, denn oberhalb einer Grenze von 1.000 S kann von einer solchen nicht mehr gesprochen werden (RZ 1989/60 unter ausdrücklicher Ablehnung der von Foregger-Serini StGB4 Erl. III zu § 141 und Hoinkes-Wilfingseder AnwBl. 1988, 77 f vertretenen Meinungen; weiters 11 Os 22/89; 12 Os 105/88).

Der Raub wurde aber auch nicht ohne Anwendung erheblicher Gewalt verübt, sondern es wurde im Gegenteil beachtliche physische Kraft in vehementer Weise eingesetzt (SSt. 51/5 = EvBl. 1981/136), indem der Überfallene gewürgt, zu Boden gerissen und im Würgegriff (etwa fünf Minuten hindurch) am Boden liegend festgehalten und mit Faustschlägen, die Verletzungen nach sich zogen, mißhandelt wurde (EvBl. 1976/116 = ÖJZ-LSK 1975/188; 11 Os 7/89; 12 Os 171/88; 15 Os 79/88; 11 Os 24/84; 12 Os 129/81; 13 Os 120/76 ua). Die nach den Urteilsfeststellungen (US 5) dem Opfer nach Abnahme der Beute - jedoch augenscheinlich zu deren Sicherung durch ungestörte Flucht - in das Gesicht versetzten Fußtritte müssen in diese Betrachtung gar nicht mit einbezogen werden.

Dahingestellt bleiben kann auch die Bedeutung der Verletzungsfolgen, deren Feststellung im erstgerichtlichen Urteil (US 5) eine eindeutige Beurteilung dahin, ob die Grenze des § 88 Abs. 2 Z 4 StGB überschritten wurde (9 Os 208/77; dagegen Zipf im WK Rz 49 zu § 142 StGB), nicht zuließe.

Aus den angeführten Gründen war daher der Nichtigkeitsbeschwerde der Anklagebehörde Folge zu geben, das angefochtene Urteil im Ausspruch, der Raub sei ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen worden und die Tat habe nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen sowie in der Unterstellung unter § 142 Abs. 2 StGB aufzuheben und in der Sache selbst wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

Bei der erforderlichen Neubemessung der Strafen waren bei beiden Angeklagten die Vorstrafen wegen Vermögensdelikten, bei D*** überdies wegen Körperverletzungsdelikten, weiters bei beiden die Verübung des Raubes als Mittäter, bei D*** außerdem die Tatbegehung während eines anhängigen Strafverfahrens erschwerend, dagegen bei beiden die Geständnisse und die Zustandebringung der Raubbeute mildernd.

Eine (leichte) Alkoholisierung der Angeklagten kann vorliegend nicht als mildernd gewertet werden, hatten doch beide bereits auf der Fahrt nach Salzburg, somit vor dem Alkoholkonsum in Lokalen dieser Stadt den Entschluß gefaßt, am Salzburger Rosenhügel einen Homosexuellen zu überfallen und zu berauben (S 33, 58, 64, 141). Eine Alkoholisierung, die demnach nur noch der Herabsetzung allfälliger Hemmschwellen gegen die Tatausführung dienen konnte, ist vorwerfbar.

Auf der Basis der angeführten Strafzumessungsgründe erschienen dem Obersten Gerichtshof die im Spruch genannten Freiheitsstrafen als der - abgestuften - personalen Schuld der beiden Täter und auch dem Unwert der Tat angemessen.

Gleich dem Erstgericht erachtete der Oberste Gerichtshof im Hinblick auf den Umstand, daß beide Täter vor der Tat das Übel des Freiheitsentzuges durch den Vollzug einer Freiheitsstrafe noch nicht zu verspüren hatten und demgemäß die nunmehrige Haft voraussichtlich einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen wird, daß - wenn auch wegen des belasteten Vorlebens der beiden Angeklagten nicht die gesamte Strafe bedingt nachgesehen werden kann - doch die Annahme gerechtfertigt erscheint, die bloße Androhung von je zwei Dritteln der Strafe werde hinreichen, um sie von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.

Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer - nunmehr

gegenstandslosen - Berufung auf diese Strafneubemessung zu verweisen.

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