OGH 12Os171/88

OGH12Os171/8819.1.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Jänner 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Zeh als Schriftführers in der Strafsache gegen Karl M*** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Rudolf W*** und Peter K*** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 18. Oktober 1988, GZ 5 b Vr 8785/88-37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Rudolf W*** wird zurückgewiesen.

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Peter K*** wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen (soweit es die Angeklagten Karl M*** und Rudolf W*** betrifft) unberührt bleibt, in Ansehung des Angeklagten K*** aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Peter K*** auf diese Entscheidung verwiesen.

Über die Berufung des Angeklagten Rudolf W*** wird das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Rudolf W*** die Kosten des ihn betreffenden bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden ua der 23-jährige Rudolf W*** und der 25-jährige Peter K*** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach haben sie am 12. September 1988 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Karl M*** als Mittäter mit Gewalt gegen eine Person, nämlich durch Schläge unter Aufforderung zur Ausfolgung von 100 S Bargeld, diese Barschaft dem Gerhard H*** mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung abgenötigt.

Diesen Schuldspruch bekämpfen die Angeklagten Rudolf W*** und Peter K*** jeweils mit Nichtigkeitsbeschwerde; jene des Angeklagten W*** wäre allerdings gemäß § 285 a Z 1 StPO schon durch den Gerichtshof erster Instanz zurückzuweisen gewesen. W*** hat nämlich im Anschluß an die Urteilsverkündung ausschließlich das Rechtsmittel der Berufung angemeldet (S 185 in Verbindung mit S 3 c); eine fristgerechte Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde ist unterblieben. Seine erst nach der Zustellung des angefochtenen Urteils erhobene (auf § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a, 9 lit. a, 10 und 11 StPO gestützte, im übrigen in Ansehung der Rechtsrügen mangels Orientierung am gesamten Tatsachensubstrat des bekämpften Schuldspruchs nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführte) Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs. 1 Z 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Der demgegenüber fristgerecht angemeldeten und ausgeführten, auf § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Peter K*** kommt schon aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund (Z 5) Berechtigung zu. Der Urteilsfeststellung, daß (auch) dem Angeklagten K*** die Wahrheitswidrigkeit der vorausgegangenen Diebstahlsanschuldigung gegen das Tatopfer bekannt war, als er dem Zeugen Gerhard H*** durch Tätlichkeiten den inkriminierten Bargeldbetrag abnötigte, haftet tatsächlich der relevierte formelle Begründungsmangel an. Da sich der Beschwerdeführer (sowohl vor der Polizei als auch in der Hauptverhandlung - S 80 bzw. 168 ff) unmißverständlich dahingehend verantwortet hat, die Angeklagten M*** und W*** als Kunden des von ihm betreuten Imbißkioskes ("Würstelstand") lediglich auf Grund der gegen Gerhard H*** erhobenen Diebstahlsbezichtigung vermeintlich bei der Rückforderung von Diebsgut unterstützt zu haben, wäre das Erstgericht gemäß § 270 Abs. 2 Z 5 StPO zur eingehenden Begründung der Urteilsannahme verhalten gewesen, daß (auch) der Angeklagte K*** die Unrichtigkeit der (bloß als Raubvorwand fingierten) vorausgegangenen Diebstahlsbezichtigung erkannt hat. Kann doch (dem auf S 195 sinngemäß zum Ausdruck gebrachten Standpunkt zuwider) davon nicht die Rede sein, daß die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Version, damals seines Wissens in seinem Verkaufsbereich bestohlenen Kunden bei der Wiedererlangung des Diebsguts spontan geholfen zu haben, vorweg denkunmöglich und in ihrer Plausibilität von der Konkretisierung weiterer Handlungsmotive abhängig wäre. Daß der Angeklagte K*** sein tätliches Eingreifen ausschließlich mit einer Hilfeleistung für (angeblich) Bestohlene erklärte, widerspricht, entgegen der erstgerichtlichen Auffassung, für sich allein dem Raubvorsatz. Nach Lage des Falles hätte es vielmehr der Anführung konkreter Anhaltspunkte dafür bedurft, daß der - im Gegensatz zu den Angeklagten M*** und W*** - im Kioskinneren aufhältige Beschwerdeführer (insbesondere nach Maßgabe seiner akustischen und optischen Wahrnehmungsmöglichkeiten bzw. der wechselseitigen Position und der Gesprächseinlassungen der beteiligten Personen) die Unrichtigkeit des gegen Gerhard H*** erhobenen Diebstahlsvorwurfs erkannt hat.

Rechtliche Beurteilung

Ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedarf, zeigt sich aus den dargelegten Erwägungen, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst aber noch nicht einzutreten hat, weshalb der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*** bei der nichtöffentlichen Beratung sofort Folge zu geben, das angefochtene Urteil in Ansehung dieses Angeklagten aufzuheben und in diesem Umfang die Verfahrenserneuerung anzuordnen war.

Lediglich vollständigkeitshalber sei ergänzend hinzugefügt, daß eine Tatbeurteilung nach § 142 Abs. 2 StGB nach Maßgabe der festgestellten objektiven Tatmodalitäten, der Subsumtionsrüge (Z 10) zuwider, rechtsirrig wäre; fehlt es doch vorliegend in Anbetracht der fortgesetzten Mißhandlungen des bereits zu Boden geschlagenen Opfers durch weitere Schläge und Tritte (S 193) schon an einer der kumulativen Voraussetzungen der privilegierenden Bestimmung des § 142 Abs. 2 StGB ("ohne Anwendung erheblicher Gewalt"). Unter dem Gesichtspunkt erheblicher Gewaltanwendung (gegen die Person des Tatopfers) scheidet nämlich sogenannter "minderschwerer" Raub nach § 142 Abs. 1 und 2 StGB aus, wenn bei dem körperlichen Angriff beachtliche physische Kräfte in vehementer Weise eingesetzt werden (Leukauf-Steininger2, RN 35; Kienapfel, BT II2, RN 109 je zu § 142 StGB; EvBl. 1981/136 = SSt. 51/50; 11 Os 75/85 = JUS EXTRA 8/15) und demgemäß die Belastung des Opfers durch die räuberische Gewaltanwendung im Vergleich zu Durchschnittsfällen unter Anlegung eines objektiv-individualisierenden Maßstabes in Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des konkreten Einzelfalles (11 Os 75/85; Zipf im WK, Rz 47 zu § 142 StGB) nicht mehr geringfügig bleibt (13 Os 157/85 = JUS EXTRA 13/16). Dies aber trifft hier zu. Lag doch die tataktuelle Gewaltanwendung, der Beschwerde zuwider, deutlich über jener Erheblichkeitsschwelle, welche § 142 Abs. 2 StGB als entsprechendes Privilegierungskriterium normiert.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte Peter K*** auf die ihn betreffende (auch den Strafausspruch erfassende) kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Über die (fristgerechte) Berufung des Angeklagten Rudolf W*** wird (tunlichst unter Vermeidung einer Verzögerung des Fortganges des Verfahrens gegen den noch inhaftierten Angeklagten K***) das hiefür zuständige Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben (§ 285 i StPO).

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