Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3
StPO in der Sache selbst erkannt:
Klaus A ist schuldig, er hat am 23. Juli 1980
in Wattens dem Bruno B mit Gewalt gegen seine Person, nämlich durch Versetzen von Faustschlägen gegen den Kopf und von Fußtritten gegen das linke Bein, eine fremde bewegliche Sache, nämlich 500 S Bargeld, mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Klaus A hat hiedurch das Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB begangen und wird hiefür nach dieser Gesetzesstelle zu 15 (fünfzehn) Monaten Freiheitsstrafe sowie gemäß § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.
Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 16. August 1952 geborene Hilfsarbeiter Klaus A des Verbrechens des (minder schweren) Raubes nach § 142 Abs 2 StGB schuldig erkannt und zu einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, verbunden mit der (entgegen dem § 494 StPO in das Urteil aufgenommenen) Weisung, sich zwecks Heilung von seinem chronischen Alkoholismus einer Entwähnungsbehandlung unter ärztlicher Aufsicht zu unterziehen, sowie mit der Bestellung eines Bewährungshelfers. Dem Angeklagten liegt zur Last, am 23. Juli 1980
(gegen etwa 2,40 Uhr früh) in Wattens dem (unter Alkoholeinwirkung stehenden 35-jährigen) Bruno B durch Versetzen von Faustschlägen gegen den Kopf und von Fußtritten gegen das linke Bein, jedoch ohne Anwendung erheblicher Gewalt, eine fremde bewegliche Sache geringen Wertes: nämlich fünf Einhundertschilling-Banknoten, mit dem Vorsatz abgenötigt zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat.
Dieses Urteil bekämpft die Staatsanwaltschaft aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde und macht geltend, der (rechtlichen) Beurteilung der festgestellten Tat des Angeklagten als minder schwerer Raub von 500 S Bargeld, ohne Anwendung erheblicher Gewalt und mit nur unbedeutenden Folgen und der sohin vorgenommenen Unterstellung dieses Verhaltens unter den Tatbestand des § 142 Abs 2 StGB liege ein Rechtsirrtum des Erstgerichtes zugrunde; richtigerweise wäre der Angeklagte (im Sinne der Anklageschrift ON 14) des Verbrechens des (nicht privilegierten) Raubes gemäß dem § 142 Abs 1 StGB schuldig zu erkennen gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft erweist sich aus folgenden Erwägungen als begründet:
Nur wenn sämtliche im § 142 Abs 2 StGB (kumulativ) angeführten Voraussetzungen - als Tatobjekt kommt hier nur eine Sache geringen Wertes in Betracht /vgl § 141
StGB: EvBl 1978/215/; bei Raubverübung mittels Gewalt gegen eine Person darf keine erhebliche Gewalt gegen das Opfer angewendet worden sein und auf Seiten des Opfers darf die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen haben /vgl § 88 Abs 2 Z 4 StGB; 9 Os 208/77/; außerdem darf kein Gesellschaftsraub und kein Raub mit Waffen (§ 143 StGB) vorliegen - gegeben sind, ist die Tat als (privilegierter) leichter Raub im Sinne des § 142 Abs 2 StGB zu beurteilen. Vorliegend fehlt es jedenfalls am Erfordernis, daß der Angeklagte bei seinen gegen die Person des Bruno B gerichteten Tätlichkeiten keine erhebliche Gewalt angewendet hätte.
'Erhebliche Gewalt' - im Sinne des Raubtatbestandes nach § 142 Abs 1 StGB - ist dann anzunehmen, wenn der Täter bei seinem Angriff auf die Person des Opfers beachtliche physische Kraft in vehementer Weise einsetzt (EvBl 1981/136), was unter den jeweiligen Umständen des Einzelfalles, insbesondere unter Berücksichtigung des Zustandes des Angegriffenen, nach einem objektiv-individualisierenden Maßstab, zu beurteilen ist; eingetretene Verletzungsfolgen sind regelmäßig ein Indiz für größere Intensität und sohin Erheblichkeit des gewalttätigen (räuberischen) Vorgehens (vgl Kienapfel, BT II, RN 109, 110; Leukauf/Steininger, Komm zum StGB2, RN 35, jeweils zu § 142 StGB).
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsansicht wurden von der hier insgesamt einen - schon durch den Ausnahmecharakter des § 142 Abs 2 StGB begründeten - relativ strengen Maßstab anlegenden oberstgerichtlichen Rechtsprechung beispielsweise der Fall, als eine ältere Person vom Täter zu Boden gerissen und ihr der Mund zugehalten wurde (13 Os 120/76), oder das Versetzen eines heftigen Faustschlages gegen den Kopf des Opfers, das daraufhin in die Knie ging, wobei die Wucht des Schlages durch einen Hut gemildert wurde (vgl EvBl 1976/116), ebenso wie der Faustschlag ins Gesicht des Raubopfers, der eine blutende Verletzung zur Folge hatte (9 Os 208/77), jeweils bereits als erhebliche Gewalt beurteilt (vgl im übrigen die bei Mayerhofer/Rieder, StGB2, unter Nr 38 ff zu § 142 StGB zitierten Entscheidungen).
Im vorliegenden Fall hat der Angeklagte den Urteilsfeststellungen zufolge (S 114) dem die Kellerbar des Hotels 'C' in Wattens zur Nachtzeit verlassenden Bruno B, dem er nachgefolgt war, plätzlich von hinten einen Faustschlag (gegen das linke Ohr /siehe S 106/) versetzt, sodaß B, der erheblich alkoholisiert war, auch infolge seiner Alkoholisierung zu Boden stürzte. Anschliessend versetzte ihm der Angeklagte zwei weitere Faustschläge gegen den Mund und trat B auch noch mit den Füßen;
dabei verlangte er die Herausgabe der gesamten Barschaft, wozu sich B bereitfand.
Durch die Tätlichkeiten des zur Tatzeit nach Annahme des Erstgerichtes mittelgradig bis stark berauschten Angeklagten wurde B leicht verletzt: er erlitt an der Oberlippe eine ca 1 cm lange oberflächliche Rißverletzung ('nach Faustschlag' /siehe S 21/), weiters Prellungen am Hinterkopf und an der linken Oberschenkelaußenseite.
In Anbetracht dieser nach Auffassung des Schöffensenates 'nur sehr geringen Verletzungen' des Bruno B, der 'wenige Stunden nach der Tat wiederum normal arbeiten ging' (siehe S 117 d.A), traf das Erstgericht die Feststellung, daß es sich bei den Faustschlägen und Fußtritten des Angeklagten, die dieser - selbst in alkoholisiertem Zustand - dem gleichfalls erheblich alkoholisierten Bruno B versetzt hatte, nur um leichte Schläge, ohne Anwendung erheblicher Gewalt, bzw um 'gestikulierend leichte Schläge eines Betrunkenen', gehandelt habe (siehe S 117).
Dessen ungeachtet können die vom Angeklagten gegen Bruno B zwecks Abnötigung seiner Barschaft insgesamt gesetzten Tätlichkeiten nicht mehr als eine Raubverübung ohne Anwendung erheblicher Gewalt im Sinne des § 142 Abs 2 StGB, beurteilt werden:
Das Versetzen mehrerer Faustschläge gegen den Kopf (das Gesicht) des schon nach dem ersten Schlag, wenngleich zum Teil auch infolge eigener Alkoholisierung zu Boden stürzenden Opfers, welches durch diese Schläge und durch nachfolgende Fußtritte des Angeklagten mehrere sichtbare Verletzungen (siehe S 21) erlitten hat (und 'einige Tage Schmerzen hatte' /vgl die im Urteil, S 117 unten bezogene Zeugenaussage des Bruno B, S 52/), ist - zumal unter Berücksichtigung der festgestellten erheblichen Alkoholisierung (und der dadurch erfahrungsgemäß verminderten Standfestigkeit) des Attackierten - als eine gegen die körperliche Integrität des Angegriffenen gerichtete Anwendung physischer Kraft von solcher Schwere zu qualifizieren, daß sie - wie auch in concreto der Fall gewesen -
durchaus geeignet war, den (vorausgesetzten) Widerstand des Raubopfers zu überwinden.
So gesehen beurteilte das Erstgericht daher dieses Verhalten zu Unrecht als (noch) 'leichten Raub' im Sinne des § 142 Abs 2 StGB, welchen Subsumtionsirrtum die Staatsanwaltschaft zutreffend mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 10
des § 281 Abs 1 StPO geltend gemacht hat.
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher das Tatverhalten des Angeklagten dem Tatbestand des § 142 Abs 1 StGB zu unterstellen und die über ihn nach dieser Gesetzesstelle zu verhängende Strafe neu zu bemessen.
Dabei konnte im wesentlichen von den durch das Erstgericht der Strafbemessung zugrunde gelegten Strafzumessungsgründen ausgegangen werden. Erschwerend war demnach die dem Raubopfer zugefügte leichte Verletzung, mildernd hingegen der bisher unbescholtene Wandel des Angeklagten, seine beeinträchtigte Zurechnungsfähigkeit durch Minderbegabung und Wesensveränderung infolge seines chronischen Alkholmißbrauchs, die teilweise Schadensgutachung (durch Sicherstellung von 475 S) sowie der Umstand, daß der Angeklagte durch seine Angaben vor der Gendarmerie wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat.
Sohin erachtet der Oberste Gerichtshof die aus dem Spruch ersichtliche Strafe für angemessen.
Zur Gewährung bedingter Strafnachsicht nach dem (sohin allein in Betracht kommenden) Absatz 2 des § 43
StGB fehlt bei dem zu Aggressionsentladungen (vgl S 13, 47, 49, 79) neigenden (stark alkoholabhängigen) Angeklagten jedenfalls eine dazu erforderliche, aus besonderen Gründen gegebene Gewähr für ein künftiges Wohlverhalten;
zudem stehen auch Gründe der Generalprävention der Gewährung bedingter Strafnachsicht entgegen.
Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
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