OGH 11Os7/89

OGH11Os7/8921.2.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Februar 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Tegischer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Manfred R*** wegen des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 StGB und anderen strafbaren Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 30.September 1988, GZ 11 Vr 1.194/88-25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Tschulik, und des Verteidigers Dr. Daljevic, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Punkten II/ und III/ des Schuldspruchs aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Manfred R*** des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 StGB (I/), sowie der Vergehen des Hausfriedensbruches nach dem § 109 (Abs. 1 und) Abs. 3 Z 1 StGB (II/), der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs. 1 StGB (III/), der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB (IV/), des Betruges nach dem § 146 StGB (V/), der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1 StGB (VI/) und der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB (VII/) schuldig erkannt.

Dieses Urteil wird vom Angeklagten in den Punkten I/, II/, III/, IV/ und VI/ des Schuldspruchs mit der auf die Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit. a und b und Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Zu den Punkten I/ und VI/ des Schuldspruchs:

Zu Unrecht meint der Beschwerdeführer, den Urteilsannahmen sei nicht zu entnehmen, daß er Tätlichkeiten verübt habe, um sich in den Besitz fremder beweglicher Sachen zu setzen und Werner P*** an einer erwarteten Gegenwehr bei der Sachwegnahme zu hindern. Soweit er damit die Konnexität zwischen dem Einsatz körperlicher Gewalt als Mittel zum Raub und der Erzielung der Sachbemächtigung in Zweifel zieht, genügt der Hinweis auf die Urteilsannahmen, wonach die Gewaltausübung der Weigerung des P***, den geforderten Geldbetrag herauszugeben, unmittelbar folgte und das Tatopfer es aus Angst vor weiteren Attacken unterließ, sich gegen die Wegnahme des Geldes zur Wehr zu setzen. Es kann demnach keine Rede davon sein, daß die Tätlichkeiten des Angeklagten für das Verhalten des Opfers nicht kausal waren (vgl. Kienapfel, BT II2, RN 56, 57 zu § 142 StGB; Zipf im WK, Rz 17 zu § 142 StGB).

Im übrigen vermißt der Beschwerdeführer für die Tatbestände des Raubes (I/) und der Veruntreuung (VI/) Feststellungen zur inneren Tatseite. Aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ergibt sich indes mit hinreichender Deutlichkeit die Überzeugung des Schöffengerichtes, daß der Angeklagte mit Nötigungs- und Bereicherungsvorsatz (und nicht etwa bloß mit Mißhandlungsvorsatz) handelte, dh Gewalt mit dem Ziel anwendete, den erwarteten Widerstand des Opfers gegen die Sachwegnahme zu beseitigen und sich das Bargeld (sowie eine Taschenlampe und ein Jausenmesser) rechtswidrig anzueignen. Hinsichtlich der zuvor anvertrauten 40 S ging das Erstgericht davon aus, daß der Angeklagte die Rückgabe dieses Geldbetrages verweigerte, woraus sich zwanglos sein Zueignungsvorsatz und seine Bereicherungstendenz ergeben. Daß er Anspruch auf das geraubte Gut hatte oder zu haben vermeinte und es ihm mithin an dem Vorsatz, sich durch Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, gemangelt habe, wurde vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Die behaupteten Feststellungsmängel (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO) haften daher dem Urteil in den Punkten I/ und VI/ des Schuldpruchs nicht an.

Den Beschwerdeausführungen zuwider erfüllt der inkriminierte Raub auch nicht die Voraussetzungen des § 142 Abs. 2 StGB: Die massive und mit Prellungen und Hautabschürfungen an mehreren Körperpartien des Angegriffenen verbundene Gewaltanwendung durch Stoßen gegen eine Wand und durch Versetzen von Faustschlägen und Fußtritten, wie sie P*** schilderte und das Gericht, dessen Zeugenaussage folgend, feststellte (vgl. S 41, 43, 69, 148, 149 und 161 dA), zeigt, daß der Angeklagte beträchtliche physische Kraft in vehementer und brutaler Weise einsetzte, sodaß der Einwand versagt, die Tat wäre ohne Anwendung erheblicher Gewalt begangen worden (vgl. EvBl. 1976/116 ua).

Zu den Punkten II/ bis IV/ des Schuldspruchs:

Unzutreffend ist der auf die Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Beschwerdeeinwand, dem Angeklagten könne Sachbeschädigung nicht angelastet werden, weil "scheinbare Idealkonkurrenz" vorliege:

Da für den Tatbestand des § 109 StGB (in allen Begehungsformen) nicht wesentlich ist, daß bei Tatbegehung ein (Sach-)Schaden entsteht, kann nicht gesagt werden, daß bei tatsächlichem Eintritt einer solchen Folge die Beurteilung als Hausfriedensbruch den deliktischen Gesamtunwert der Tat abgelte und eine im Zuge des Tatgeschehens begangene Sachbeschädigung konsumiere. Vielmehr verantwortet der Täter in einem solchen Fall § 109 StGB in Tateinheit mit § 125 StGB (vgl. ÖJZ-LSK 1981/51, zu § 109 Abs. 3 StGB).

Begründet ist dagegen die Beschwerde insoweit, als zu den Punkten II/ und III/ des Schuldspruchs das Fehlen von Feststellungen zur subjektiven Tatseite bemängelt wird (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit. a und 10 StPO): Sowohl für den Grundtatbestand des Haufriedensbruches als auch für die Abgrenzung der Deliktsfälle des Abs. 1 und Abs. 3 des § 109 StGB ist das innere Vorhaben des Täters von entscheidender Bedeutung. In beiden Fällen muß der Tätervorsatz das Bewußtsein umfassen, gegen den Willen des Hausrechtsinhabers zu handeln (vgl. Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB2, RN 14 zu § 109). Feststellungen darüber, ob diese Voraussetzung hier zutrifft, wären schon im Hinlick auf die Verantwortung des Angeklagten, er habe bei Eindringen in den Raum angenommen, daß Barbara S*** dort allein schlafe und mit seinem "Besuch" einverstanden sei (vgl. S 28, 51, 144 dA), unumgänglich gewesen.

(Schwerer) Hausfriedensbruch gemäß dem § 109 Abs. 3 Z 1 StGB erfordert hinwieder, daß der Täter beabsichtigt (§ 5 Abs. 2 StGB), gegen eine im geschützten Objekt befindliche Person oder Sache Gewalt auszuüben. Eine Gewaltanwendung gegen Personen und Sachen, zu der sich der Täter erst nach Eindringen in den Raum entschließt, vermag daher diesen Tatbestand nicht zu verwirklichen. Feststellungen, ob es dem Angeklagten schon beim Eindringen in das Schlafzimmer der Barbara S*** auf eine solche Gewaltausübung ankam oder ob er den Vorsatz hiezu erst nach diesem Zeitpunkt - etwa aus Ärger, sein ursprüngliches Vorhaben nicht ungestört realisieren zu können - faßte, in welchem Fall er nur allenfalls das Ermächtigungsdelikt des Hausfriedensbruchs nach dem § 109 Abs. 1 StGB zu verantworten hätte (vgl. hiezu die Ermächtigungen ON 19 und 20 dA), sind in den Urteilsgründen nicht enthalten. Zu Punkt III/ des Schuldspuchs traf das Erstgericht zwar jene tatsächlichen Annahmen, aus denen die objektive Eignung der Drohungen des Angeklagten zur Erregung begründeter Besorgnisse (§ 105 Abs. 1 StGB) bzw. zur Erregung von Furcht und Unruhe (§ 107 Abs. 1 StGB) frei von Rechtsirrtum abgeleitet werden konnte (vgl. S 163 dA). Dem Beschwerdeführer ist aber beizupflichten, wenn er einwendet, es fehle an Feststellungen darüber, daß er die Drohungen im Bewußtsein einsetzte, daß die Genötigten sie ernst nehmen und es deshalb unterlassen würden, fremde Hilfe herbeizuholen, oder daß seine Absicht (§ 5 Abs. 2 StGB) darauf gerichtet war, Barbara S*** und Heike M*** in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten teilweise Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, in den Punkten II/ und III/ des Schuldspruchs, sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

Im übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zu verwerfen.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

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