OGH 11Os22/89

OGH11Os22/8911.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.April 1989 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Iby als Schriftführer in der Strafsache gegen Hans Peter S*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Raubes nach den §§ 142 Abs 1 und 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 17. November 1988, GZ 28 Vr 622/88-30, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seiner Verteidigerin zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelsverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 18.Februar 1965 geborene Hans Peter S*** im zweiten Rechtsgang - in Ergänzung des bereits im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruches nach dem § 135 Abs 1 StGB - der Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten Raubes nach den §§ 142 Abs 1 und 15 StGB (I) und der versuchten Erpressung nach den §§ 15, 144 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt. Als (teils versuchter) Raub liegt ihm zur Last, am 19.Februar 1988 in Innsbruck dem Lutz O*** mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben einen Bargeldbetrag von 100 S weggenommen und einen Videorecorder samt zwei Kassetten unerhobenen Wertes abzunötigen versucht zu haben, indem er sich mit seinem Körper vor Lutz O*** "aufbaute", eine Faust vor dessen Gesicht hielt, mit der anderen Faust zu einem Schlag ausholte und ihn zur Geldübergabe aufforderte (Punkt I/1./ und 2./ des Urteilssatzes); als versuchte Erpressung wird ihm angelastet, mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, versucht zu haben, Lutz O*** durch die beschriebene Drohung, verbunden mit der Äußerung, er werde ihn "umbringen", wenn er ihm nicht den richtigen Bankomatencode sage, sohin durch gefährliche Drohung zu Handlungen zu nötigen, die ihn am Vermögen schädigen sollten, nämlich zur Übergabe seiner Bankomatkarte, ausgestellt von der B*** FÜR T*** UND V***, Bekanntgabe seiner Codenummer und Begleitung zum Bankomaten zwecks Geldabhebung (Punkt II/ des Urteilssatzes).

Diesen Schuldspruch ficht der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 5 a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an, den Strafausspruch bekämpft er mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem Vorwurf einer Scheinbegründung wendet sich die Mängelrüge (Z 5) zunächst gegen die dem Schuldspruch nach den §§ 15, 144 Abs 1 StGB (II) zugrundeliegenden Feststellungen, daß der Angeklagte Lutz O*** mit gefährlicher Drohung zur Ausfolgung der Bankomatkarte, Bekanntgabe der Codenummer und Begleiten zum Bankomaten zum Zweck der beabsichtigten Geldabhebung gezwungen habe:

Da dem Angeklagten die "aus der bloßen Optik nicht ersichtliche" Bankomattauglichkeit der in Rede stehenden Scheckkarte entgegen dem Urteilsvorwurf "tatsächlich nicht bewußt" geworden sein könne, sei auch den auf dieser Prämisse beruhenden Schlußfolgerungen, wonach sich der Angeklagte unter Verwendung der Bankomatkarte Bargeld zueignen wollte, der Boden entzogen.

Diesem Vorbringen zuwider entsprechen die vom Erstgericht zur Begründung der bemängelten Feststellung herangezogenen Prämissen den Gesetzen der Logik und die Urteilsbegründung insgesamt den Erfordernissen einer gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe im Sinn des § 270 Abs 2 Z 5 StPO. Sollte der Beschwerdeführer aber mit dem Vorwurf der Scheinbegründung meinen, daß es sich um keine zwingenden, auf einer lückenlosen Beweiskette aufgebauten Schlüsse handelt, so verkennt er das Wesen der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO), wonach die Tatrichter berechtigt sind, ihre Überzeugung auch auf Wahrscheinlichkeitsschlüsse zu stützen (Mayerhofer-Rieder2 E 26 bis 30 zu § 258 StPO). Da der Zeuge Lutz O*** aber in der Hauptverhandlung ausdrücklich dabei blieb, daß ihm der Angeklagte die Bankomat-Scheckkarte mit dem Hinweis abnötigte, daß er sich damit auskenne und er ihm die richtige Codenummer eröffnen müsse, wenn er nicht Angriffe auf seine körperliche Integrität in Kauf nehmen wolle (S 228), und das Schöffengericht an der Richtigkeit dieser Darstellung schon deshalb nicht zweifelte, weil sie in tatsächlicher Hinsicht mit den Einlassungen des Angeklagten im Vorverfahren übereinstimmte (S 248 iVm S 39, 48), kann an der Denkmöglichkeit des daraus gezogenen Schlusses, der Angeklagte wollte sich durch Geldabhebung zum Nachteil des Lutz O*** bereichern (S 243), kein Zweifel entstehen. Das (unbestrittene) Vorhaben, gemeinsam einen Bankomaten zwecks Geldabhebung zu nächtlicher Stunde aufzusuchen, mußte doch logisch die Überzeugung des Angeklagten zur Voraussetzung haben, daß die Scheckkarte auch Bankomatfunktion hatte.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers war das Erstgericht aber auch nicht gehalten, sich zwecks Vermeidung eines Begründungsmangels unter dem Gesichtspunkt der Glaubwürdigkeit der als Feststellungsgrundlage dienenden Aussage des Tatopfers mit der Frage zu befassen, ob der Angeklagte den abgenötigten 100-S-Schein in die linke Brusttasche seiner Jacke steckte. Denn einerseits äußerte der Zeuge Lutz O*** in der Hauptverhandlung nur eine Vermutung in dieser Richtung (s. S 231: "Bei der Geldnote bin ich mir nicht so sicher.") und andererseits ist den Akten auch nicht eindeutig zu entnehmen, daß der Angeklagte bei seiner Festnahme nur die Bankomatkarte (und nicht etwa auch die Banknote) in dieser Brusttasche bei sich trug (S 11).

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) erschöpft sich in der Wiederholung der im Rahmen der Mängelrüge dargestellten Einwände gegen die ausführliche schöffengerichtliche Beweiswürdigung und versucht plausibel zu machen, daß nur die Verantwortung des Angeklagten, ohne Gewaltanwendung lediglich einen finanziellen Ausgleich für die sexuellen Belästigungen gefordert zu haben, der Lebenserfahrung entspreche. Dieses das Wesen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes weitgehend verkennende Vorbringen ist nicht geeignet, beim Obersten Gerichtshof (neuerlich) erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken; den Akten und den nunmehr vollständig durchgeführten Beweiserhebungen ist nichts zu entnehmen, was dem Ergebnis der Beweiswürdigung des Erstgerichtes bedeutsam entgegenstünde.

Wenn die Rechtsrüge (Z 9 lit b, sachlich lit a) unter abermaliger Rekapitulation des Vorbringens zur Mängel- und Tatsachenrüge Feststellungen zur subjektiven Tatseite bei der versuchten Erpressung (II) vermißt und den angenommenen Bereicherungsvorsatz als "unrichtigerweise festgestellt" bezeichnet, geht sie nicht vom Urteilssachverhalt aus und erweist sich schon deshalb als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt.

Die Subsumtionsrüge (Z 10), die auf die Unterstellung des Schuldspruchfaktums I unter den Tatbestand des minderschweren Raubes nach dem § 142 Abs 2 StGB abzielt, scheitert bereits daran, daß zumindest eines der kumulativ geforderten (EvBl 1976/98, 116) Tatbestandsmerkmale nicht vorliegt. Der rechtlichen Beurteilung ist nämlich neben dem erbeuteten Bargeld auch der vom Schöffengericht als notorisch bezeichnete (S 251), im Rahmen der Mängel- und Tatsachenrüge nicht in Zweifel gezogene, die Geringfügigkeitsgrenze von etwa 1.000 S (12 Os 105/88, 11 Os 2/89) jedenfalls übersteigende Wert des funktionstauglichen Videorecorders samt zweier Kassetten zugrundezulegen, zumal es beim Raubversuch auf den (vom Vorsatz des Täters umfaßten) Wert der angestrebten Beute ankommt (vgl. hiezu auch Zipf im WK RN 48 zu § 142 StGB).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über Hans Peter S*** nach dem § 142 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB eine zweijährige Freiheitsstrafe. Es wertete bei der Strafzumessung das Zusammentreffen zweier Verbrechen mit einem Vergehen und fünf einschlägige Vorstrafen als erschwerend und berücksichtigte als mildernd die Umstände, daß es beim Raub teilweise und bei der Erpressung zur Gänze beim Versuch geblieben ist, daß die tatsächliche Raubbeute gering war und daß Gewalt nur angedroht, nicht aber angewendet wurde.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an.

Der Berufungsbehauptung, die Tat sei durch eine besonders verlockende Gelegenheit ausgelöst worden, kann bei der gegebenen Fallkonstellation nicht beigetreten werden.

Daß die Raubbeute gering war und die Tat im übrigen beim Versuch blieb, wurde im zweiten Rechtsgang ausdrücklich gewürdigt und in der Verhängung einer (im Verhältnis zum ersten Rechtsgang) geringeren Strafe (bei Aufrechterhaltung des Absehens vom Widerruf einer bedingten Nachsicht von vier Monaten Freiheitsstrafe) zum Ausdruck gebracht.

Zu einer weiteren Strafreduktion bestand sohin kein Anlaß, weshalb auch der Berufung ein Erfolg zu versagen war. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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