OGH 15Os128/22w

OGH15Os128/22w8.3.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. März 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Schriftführers Mag. Lung in der Strafsache gegen * H* wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 27. September 2022, GZ 37 Hv 49/22w‑28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00128.22W.0308.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Sexualdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * H* des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Demnach hat er in der Nacht vom 18. auf den 19. März 2022 in B* * M* mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie an den Handgelenken erfasste und festhielt, ihren Bademantel hochschob, seine Hose hinunterzog, sie mit dem Bauch gegen den Handtuchhalter drückte und seinen Penis in ihre Scheide einführte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich als nicht berechtigt erweist.

[4] Entgegen der Kritik der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des Antrags auf zeugenschaftliche Vernehmung des * S* zum Beweis dafür, dass * M* am 26. März 2022 das Lokal des Genannten aufsuchte und dort von einer Freundin erzählte, welche vergewaltigt worden sei „und nicht sie selbst, sowie dafür, dass die Zeugin entgegen ihrer Angaben auch oft stark betrunken ist und dazu neigt, Lügengeschichten zu erzählen“ (ON 26.3, S 59 f), Verteidigungsrechte nicht geschmälert. Dieser Beweisantrag war ersichtlich darauf gerichtet, die Glaubwürdigkeit des Opfers zu erschüttern. Damit war er zwar grundsätzlich auf erhebliche Tatsachen gerichtet, weil die Beweisführung zur Beweiskraft von – wie hier – schulderheblichen Beweismitteln ihrerseits für die Schuldfrage von Bedeutung ist (RIS‑Justiz RS0028345; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 350). Berechtigt wäre ein solcher Antrag aber nur dann, wenn sich aus dem Antragsvorbringen konkrete Anhaltspunkte für die Annahme ergäben, die betreffende Zeugin habe in Bezug auf eine entscheidende Tatsache die Unwahrheit gesagt, wenn also etwa dargetan würde, dass die Zeugin rechtskräftig wegen Verleumdung verurteilt worden sei, zum konkreten Verfahrensgegenstand bereits falsche Angaben gemacht habe oder eine habituelle Falschbezichtigungstendenz erkennen lasse (RIS‑Justiz RS0120109). Diesen Erfordernissen wird der gegenständliche Beweisantrag nicht gerecht.

[5] Soweit die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) ausführt, das Erstgericht hätte für das Vorhandensein von blauen Flecken an den Handgelenken des Opfers keine Begründung angeführt, bezieht sie sich auf keine entscheidende Tatsache (vgl jedoch RIS‑Justiz RS0117499). Das gilt auch für das diesbezügliche Vorbringen der Tatsachenrüge (Z 5a; RIS-Justiz RS0106268 [T7]).

[6] Dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Schöffengericht die Angaben der Zeuginnen M* und So* in ihrer Gesamtheit berücksichtigt (US 3 ff). Zu einem Eingehen auf jedes Aussagedetail war es zufolge des Gebots zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten (RIS‑Justiz RS0098778, RS0106642).

[7] Der Nichtigkeitsgrund der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird dadurch nicht eröffnet. Diesen Anfechtungsrahmen verlässt der Rechtsmittelwerber mit seinen Hinweisen, das Opfer hätte weder ein Krankenhaus aufgesucht noch die Verletzungen fotografiert und die Zeugin So* hätte vor der Polizei angegeben, am Tag nach der Tat bei ihrer Tochter keine Verletzungen wahrgenommen zu haben.

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[9] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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