European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0140OS00026.24S.1008.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Amtsdelikte/Korruption
Spruch:
Teils in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten * P* und * C*, teils aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu A./I./2./ und A./III./ des Angeklagten * Da* sowie in der zu A./I./ nach § 302 Abs 1 StGB gebildeten Subsumtionseinheit, im Schuldspruch zu B./I./ und B./II./ (insoweit ersatzlos) des Angeklagten P* sowie im Schuldspruch zu C./II./ (insoweit ersatzlos) des Angeklagten C*, demgemäß auch in sämtlichen Strafaussprüchen und hinsichtlich des Angeklagten P* auch im Kostenausspruch aufgehoben und
I./ im Umfang der Aufhebung der Schuldsprüche zu A./III./1./ und A./III./2./ des Angeklagten Da* unddes Schuldspruchs zu C./II./ des Angeklagten C* sowie der diese beiden Angeklagten betreffenden Strafaussprüche in der Sache selbst erkannt:
1./ Da* wird für die ihm weiterhin zur Last liegenden strafbaren Handlungen, nämlich – unter Neubildung der Subsumtionseinheit (§ 29 StGB) – das Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (A./I./1./ und A./I./3./) sowie weiters die Vergehen der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 Abs 1 StGB (A./II./1./, 2./ und 4./ bis 7./) unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 302 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme nach § 31 StGB auf die Urteile des Landesgerichts Feldkirch vom 24. Juni 2020 zu AZ 22 Hv 43/20d und vom 21. September 2021 zu AZ 21 Hv 65/19f zu einer Zusatzstrafe von
8 (acht) Monaten Freiheitsstrafe
verurteilt.
Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird die verhängte Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Da* wird von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, er habe
A./III./ in V* als Polizeibeamter, mithin als Amtsträger
1./ für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts, nämlich für die zu A./II./2./ und 4./ bis 7./ beschriebenen strafbaren Handlungen, wiederholt Vorteile in nicht mehr feststellbarer, im Zweifel 3.000 Euro im Einzelfall nicht übersteigender Höhe für sich gefordert und angenommen;
2./ außer in den Fällen der §§ 304 und 305 StGB mit dem Vorsatz, sich dadurch in seiner Tätigkeit als Amtsträger beeinflussen zu lassen, für sich einen Vorteil gefordert und einen ungebührlichen Vorteil angenommen, nämlich
a./ von V* D* (im Wege des E* M*) im Jahr 2018 insgesamt 6.000 Euro in mehreren, jeweils 3.000 Euro nicht übersteigenden Teilbeträgen, dafür, dass er für V* D* als Polizist in Verwaltungs- und Verwaltungsstrafsachen tätig wird und sich als Polizist bei verschiedenen Behörden verwendet;
b./ von A* D*
ba./ (im Wege der El* M* oder des E* M*) im August 2018 1.000 Euro dafür, dass er als Polizeibeamter für A* D* einen Antrag auf Teilzahlung von Unterhaltsschulden bei der zuständigen Behörde stellt;
bb./ (im Wege der El* M*) im August/September 2018 zumindest 2.200 Euro, dafür, dass er für V* D* als Polizist in Verwaltungs- und Verwaltungsstrafsachen tätig wird und sich als Polizist bei verschiedenen Behörden verwendet.
2./ C* wird für die ihm weiterhin zur Last liegenden Vergehen der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach §§ 12 zweiter Fall, 310 Abs 1 StGB (C./I./ iVm A./II./2./ bis 6./; zu C./I./ iVm A./II./3./ im Stadium des Versuchs nach § 15 StGB) unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 310 Abs 1 StGB zu einer
Freiheitsstrafe von 6 (sechs) Monaten
verurteilt.
Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird die verhängte Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
II./ im Umfang der Aufhebung des Schuldspruchs zu A./I./2./ des Angeklagten Da* und des Schuldspruchs zu B./I./ des Angeklagten P* die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.
Mit ihren die aufgehobenen Teile des Urteils betreffenden Nichtigkeitsbeschwerdenwerden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.
Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Da* und C* verworfen.
Mit ihren gegen die Strafaussprüche gerichteten Berufungen werdendie Angeklagten Da* und C* sowie die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessungen und der Angeklagte P* und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Den Angeklagten Da* und C* fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden relevant, wurden mit dem angefochtenen Urteil * Da* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (A./I./) und jeweils mehrerer Vergehen der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 Abs 1 StGB (A./II./), der Bestechlichkeit nach § 304 Abs 1 StGB (A./III./1./) sowie der Vorteilsannahme zur Beeinflussung nach § 306 Abs 1 StGB (A./III./2./), * P* jeweils eines Vergehens der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach §§ 12 zweiter Fall, 310 Abs 1 StGB (B./I./) sowie der Bestechung nach § 307 Abs 1 StGB (B./II./) und * C* jeweils mehrerer Vergehen der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach §§ 12 zweiter Fall, 310 Abs 1 StGB (C./I./; wobei hinsichtlich der auf [das Freispruchsfaktum] A./II./3./ bezogenen Tat Versuch [§ 15 StGB] angenommen wurde), sowie der Bestechung nach § 307 Abs 1 StGB (C./II./) schuldig erkannt.
[2] Danach haben in V*
A./ Da* als Polizeibeamter
I./ seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, und zwar mit dem Vorsatz, dadurch
1./ Nachgenannte an deren Grundrecht auf Datenschutz (§ 1 DSG) zu schädigen, indem er gezielt deren personenbezogene Daten in der zentralen Datenanwendung des BM.I ohne dienstliche Rechtfertigung oder Notwendigkeit abrief, und zwar
a./ am 27. Mai 2018 den Datensatz „* F*, 16.07.1988“;
b./ am 6. Juni 2018 die Datensätze „V* Y*, 04.02.1980“ und „S* Y*, 16.04.1989“, „wobei die Tat hinsichtlich V* Y* beim Versuch blieb“;
c./ am 25. Juli 2018 den Datensatz „*“, wodurch der weitere Datensatz „* Mu*, 25.03.1965“ generiert wurde;
d./ am 29. August 2018 den Datensatz „*“, wodurch der weitere Datensatz „* W*, 14.08.1957“ generiert wurde;
e./ am 31. August 2018 die Datensätze „* S*, 01.01.1972“ und „* S*, 01.01.1982“;
2./ den Staat Österreich an seinem Recht auf Strafverfolgung zu schädigen, indem er am 7. März 2018 eine dienstlich nicht gerechtfertigte Abfrage in der zentralen Datenanwendung des BM.I (IAP, PF, PI, KPA) zu einer Aufenthaltsermittlung zu AZ * des Bezirksgerichts B* und einer Vorführungsanordnung zum Strafantritt zu AZ * des Landesgerichts F* tätigte und das Ergebnis der Abfrage A* D* mitteilte, wodurch sich dieser der behördlichen Verfolgung weiterhin entziehen konnte;
3./ * Me* an seinem Grundrecht auf Datenschutz (§ 1 DSG) zu schädigen, indem er am 27. September 2015 einen vom Polizeibeamten * L* verfassten Amtsvermerk samt Namen, Geburtsdatum und Wohnadresse des Me* sowie vertrauliche Informationen, welche dieser über Schutzgelderpressungen und tätliche Auseinandersetzungen zwischen kurdischen und tschetschenischen Tätergruppen preisgegeben hatte, ohne dienstliche Rechtfertigung oder Notwendigkeit in der zentralen Datenanwendung des BM.I abrief;
II./ ein ihm ausschließlich kraft seines Amtes anvertrautes oder zugänglich gewordenes Geheimnis offenbart, dessen Offenbarung geeignet ist, ein öffentliches Interesse, nämlich das Recht des Staates auf Strafverfolgung „sowie das generelle öffentliche Interesse an der Nichtverwertung und -offenbarung polizeiinterner Informationen und von Daten aus der zentralen Datenanwendung des BM.I“, zu verletzen, indem er
1./ am 27. September 2015 einen vom Polizeibeamten * L* verfassten Amtsvermerk mit vertraulichen Informationen des Me* über Schutzgelderpressungen und tätliche Auseinandersetzungen zwischen kurdischen und tschetschenischen Tätergruppen ohne dienstliche Rechtfertigung und Notwendigkeit ausdruckte und an unbekannte Personen weitergab, wodurch diese in die Lage versetzt wurden, sich allfälligen Ermittlungen zu entziehen oder darauf vorzubereiten;
2./ am 27. Juli 2017 C* über dessen Ersuchen per WhatsApp sinngemäß mitteilte, dass die verdeckte Überwachung des Glücksspiellokals in der *, durch die Polizei weiterhin aufrecht bleibe, sodass dieses Lokal geschlossen gehalten wurde und Kontrollen entging;
(…)
4./ am 27. September 2017 C* über dessen Ersuchen per WhatsApp über eine an diesem Tag bevorstehende Kontrolle des (gemeint [US 24]:) koordinierten fremdenpolizeilichen Dienstes informierte;
5./ am 27. Oktober 2017 C* die in einem polizeiinternen Verzeichnis aufscheinenden Dienstausweis-Fotos der zwei Polizeibeamten des LKA V* * H* und * Pl*, welche mit 1. November 2017 jener Einsatzgruppe angehörten, die laufend Kontrollen nach dem GSpG durchführten, zum Fotografieren gezeigt, damit C* allfällige Kontrolleure nach dem GSpG frühzeitig erkennen konnte;
6./ C* eine für den 25. November 2017 in einem Glücksspiellokal geplante Kontrolle nach dem GSpG verriet;
7./ zwischen dem 18. August 2014 und dem 11. Jänner 2018 P* Fotos von polizeiinternen Dokumenten, nämlich vom Personalverzeichnis der LPD V* und das Dienstausweisfoto von einem Polizeibeamten, übergab, damit Letztgenannter allfällige Kontrolleure nach dem GSpG im Lokal „B*“ frühzeitig erkennen konnte;
(…)
III./ mithin als Amtsträger
1./ „für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäftes“, nämlich für die zu A./II./2./ und 4./ bis 7./ genannten strafbaren Handlungen, wiederholt Vorteile in nicht mehr feststellbarer, 3.000 Euro je Einzelfall nicht übersteigender Höhe für sich gefordert und angenommen;
2./ außer in den Fällen der §§ 304 und 305 StGB mit dem Vorsatz, sich dadurch in seiner Tätigkeit als Amtsträger beeinflussen zu lassen, für sich einen Vorteil gefordert und einen ungebührlichen Vorteil angenommen, nämlich
a./ von V* D* (im Wege des * M*) im Jahr 2018 insgesamt 6.000 Euro in mehreren, jeweils 3.000 Euro nicht übersteigenden Teilbeträgen, dafür, dass er für V* D* „als Polizist in Verwaltungs-, Verwaltungsstraf- und Strafsachen tätig wird und sich als Polizist bei verschiedenen Behörden verwendet“;
b./ von A* D*
ba./ (im Wege der El* M* oder des E* M*) im August 2018 1.000 Euro dafür, dass er „als Polizeibeamter“ für A* D* einen Antrag auf Ratenzahlung von Unterhaltsschulden bei der zuständigen Behörde stellt;
bb./ (im Wege der El* M*) im August/September 2018 zumindest 2.200 Euro, dafür, dass er für V* D* „als Polizist in Verwaltungs-, Verwaltungsstraf- und Strafsachen tätig wird und sich als Polizist bei verschiedenen Behörden verwendet“;
B./ P* den/dem Polizeibeamten Da*
I./ mit dem Vorsatz, ein öffentliches Interesse, nämlich das Recht des Staates auf Strafverfolgung „sowie das generelle öffentliche Interesse an der Nichtverwertung und ‑offenbarung polizeiinterner Informationen und von Daten aus der zentralen Datenanwendung des BM.I“, zu verletzen, zu derzu A./II./7./ genannten strafbaren Handlung bestimmt, indem er ihn um diese Handlungen ersuchte und ihm „Bestechungsgeld“ anbot, versprach und gewährte;
II./ daher einem Amtsträger, für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts, nämlich für die zu A./II./7./ näher beschriebene strafbare Handlung, Vorteile in nicht mehr feststellbarer, 3.000 Euro nicht übersteigender Höhe angeboten, versprochen und gewährt;
C./ C* den/dem Polizeibeamten Da*
I./mit dem Vorsatz, ein öffentliches Interesse, nämlich das Recht des Staates auf Strafverfolgung „sowie das generelle öffentliche Interesse an der Nichtverwertung und ‑offenbarung polizeiinterner Informationen und von Daten aus der zentralen Datenanwendung des BM.I“, zu verletzen, zu den zu A./II./2./ und 4./ bis 6./ näher beschriebenen strafbaren Handlungen bestimmt, indem er ihn um diese Handlungen ersuchte und ihm „Bestechungsgeld“ anbot, versprach und gewährte, und (zu C./I./ iVm Freispruchsfaktum A./II./3./) zu bestimmen versucht, indem er am 15. August 2017 Da* über „WhatsApp“ – gleichfalls unter Anbot und Versprechen von „Bestechungsgeld“ (US 26) – um Nachschau in den zentralen Datenanwendungen des BM.I und Bekanntgabe ersuchte, ob gegen ihn ein Haftbefehl besteht, was Da* jedoch unterließ (US 23 f);
II./ daher einem Amtsträger, für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts, nämlich für die zu A./II./2./ bis 6./ genannten strafbaren Handlungen, wiederholt Vorteile in nicht mehr feststellbarer, 3.000 Euro je Einzelfall nicht übersteigender Höhe angeboten, versprochen und gewährt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richten sich die von Da* auf Z 5, 5a und 9 lit a, von P* auf Z 5 und 9 lit a und b sowie von C* auf Z 4, 5, 5a und „9“ jeweils des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, wobei den Rechtsmitteln der Angeklagten P* und C* teilweise Berechtigung zukommt.
Zu den berechtigten Teilen der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten P* und C* und zu den amtswegigen Maßnahmen:
[4] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, dass dem Urteil mehrfach den Angeklagten zum Nachteil gereichende Rechtsfehler (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a und lit b, Z 10 StPO) anhaften (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
[5] Zum Schuldspruch zu A./I./2./ ist klarzustellen, dass unter dem Aspekt von Missbrauch der Amtsgewalt nach § 302 StGB zwischen missbräuchlicher Abfrage für die dienstliche Aufgabenerfüllung eingerichteter (elektronischer) Datenbanken und Weitergabe der daraus gewonnenen Information zu unterscheiden ist. Das Ermitteln der Daten erfüllt das Tatbild, wenn der Beamte ohne dienstliche Rechtfertigung handelt und solcherart seine (abstrakte) Befugnis (zu hoheitlicher Aufgabenerfüllung) missbraucht (RIS-Justiz RS0095301). Hingegen wird bei der Weitergabe amtsgeheimer Informationen nur ausnahmsweise eine tatbildliche Befugnis in Anspruch genommen (etwa bei der Leistung von Amtshilfe, der Gewährung von Akteneinsicht oder der Erfüllung einer Informationspflicht nach dem SPG). Von solchen Ausnahmen abgesehen kommt Missbrauch der Amtsgewalt durch Geheimnisverrat nur dann in Betracht, wenn der Beamte dies aufgrund einer ihn (im Zusammenhang mit einer bestimmten hoheitlichen Maßnahme) konkret treffenden Pflicht zu unterlassen hat. Ansonsten ist Strafbarkeit einer (unzulässigen) Informationsweitergabe primär nach § 310 StGB zu prüfen, welcher Tatbestand bei vorangegangener missbräuchlicher Beschaffung der Information (des Geheimnisses) mit § 302 Abs 1 StGB real konkurrieren kann (RIS-Justiz RS0126993 [T1 und T3]). Verwirklicht die Informationsweitergabe für sich nicht den Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt, scheidet ihre Zusammenfassung mit der Informationsbeschaffung im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit (vgl dazu RIS-Justiz RS0122006) unter dem Aspekt des § 302 Abs 1 StGB aus (RIS-Justiz RS0126993 [T4]). Missbrauch der Amtsgewalt setzt weiters voraus, dass die Rechtsschädigung nach dem Vorsatz des Täters gerade durch den Befugnismissbrauch (arg: „dadurch“) bewirkt wird (RIS‑Justiz RS0129143; vgl zum Ganzen zuletzt 14 Os 47/20y sowie 14 Os 140/20z und Nordmeyer in WK2 StGB § 302 Rz 86, 121 f und 168 f und § 310 Rz 64).
[6] Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den zu A./I./2./ getroffenen Feststellungen (US 16 f), dass die vom Angeklagten Da* vorgenommenen Abfragen in den im Urteil genannten Datenbanken einen Befugnisfehlgebrauch darstellen. Dass durch die pflichtwidrige heimliche Weitergabe der gewonnenen Informationen eine im Sinn des § 302 StGB tatbildliche (abstrakte) Befugnis (fehlerhaft) wahrgenommen wurde oder der Angeklagte dadurch eine ihn (im Zusammenhang mit einem anderen Amtsgeschäft) konkret treffende Pflicht verletzt hat, lässt sich den Konstatierungen nicht entnehmen. Demnach bleiben die Feststellungen (US 17), wonach der Angeklagte Da* es zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass er „dadurch“ (also durch die ohne dienstlichen Grund vorgenommenen Datenabfragen und die Weitergabe der Abfrageergebnisse an A* D* [was das Erstgericht als tatbestandliche Handlungseinheit qualifizierte]) den Staat Österreich an seinem Recht auf Strafverfolgung schädigt, ohne Sachverhaltsbezug (RIS-Justiz RS0119090).
[7] Zum Schuldspruch zu A./III./1./ ist vorweg auszuführen, dass § 304 Abs 1 erster Satz StGB die Verknüpfung von pflichtwidriger Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäfts und Fordern, Annehmen oder Sich-Versprechen-Lassen eines Vorteils pönalisiert. Ohne die spezifische Verknüpfung der genannten Elemente des Tatbildes scheidet Strafbarkeit entweder überhaupt aus oder es kommt bloß (wenn nicht ein konkretes Amtsgeschäft, sondern nur die Tätigkeit als Amtsträger Gegenstand der Verknüpfung ist) eine solche nach § 306 StGB in Betracht (Nordmeyer/Stricker in WK2 StGB § 304 Rz 1; vgl auch RIS‑Justiz RS0096152).
[8] Amtsgeschäfte sind alle Verrichtungen, die bei Erfüllung der dem Amtsträger zukommenden Aufgaben von Relevanz sind (vgl RIS-Justiz RS0095963; Nordmeyer/Stricker in WK2 StGB § 304 Rz 12 ff, 61; Marek/Jerabek, Korruption und Amtsmissbrauch16 §§ 304–306 Rz 17). Eine Handlung, zu der ein Amtsträger nicht einmal der Art nach (also abstrakt) befugt ist, die von ihm vermöge seines Amtes nicht vorgenommen und solcherart auch nicht dem Rechtsträger zugerechnet werden kann, fällt nicht unter den Begriff „Amtsgeschäft“ (Nordmeyer/Stricker in WK2 StGB § 304 Rz 19; siehe auch RIS-Justiz RS0093367). Bloßes privates Handeln, sei es auch aus Anlass einer aus der beruflichen Stellung resultierenden Gelegenheit, wie etwa private Hilfestellungen, die ein Amtsträger gänzlich außerhalb seines Aufgabenbereichs (wenn auch unter Ausnutzung seiner Amtsstellung oder ihm vom Rechtsträger zur Verfügung gestellter Ressourcen) gewährt, scheidet übrigens ebenso aus dem Begriff „Amtsgeschäft“ aus (Nordmeyer/Stricker in WK2 StGB § 304 Rz 20, 63).
[9] Nach den vorliegenden Urteilsfeststellungen (US 20, 26 f) hat sich der Angeklagte Da* für die Versorgung „mit polizeiinternen Informationen, insbesondere zu den bevorstehenden Kontrollen“, „Schmiergeldzahlungen heraus gehandelt“ und versprechen lassen. Für die Offenbarung der ihm „aufgrund seiner Tätigkeit als Polizist“ zugänglich oder bekannt gewordenen Geheimnisse, haben die Angeklagten P* und C* dem Angeklagten Da* mehrfach Geld in unbekannter Höhe „zukommen“ lassen. Damit fehlt jedoch der rechtlichen Annahme, die Vorteilsannahme habe sich auf die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts (oder im Übrigen eine Tätigkeit als Amtsträger iSd § 306 Abs 1 StGB [siehe dazu die nachfolgenden Ausführungen zu A./III./2./]) bezogen, die erforderliche Sachverhaltsgrundlage.
[10] Das dem Schuldspruch zu A./III./2./ zugrunde liegende Vergehen der Vorteilsannahme zur Beeinflussung nach § 306 Abs 1 StGB stellt das Fordern eines Vorteils und die Annahme oder das Sich-Versprechen-Lassen eines ungebührlichen Vorteils durch einen Amtsträger mit dem Vorsatz, sich (zukünftig) in seiner Tätigkeit als Amtsträger beeinflussen zu lassen, unter Strafe. Ein Konnex zwischen dem Vorteil und einem konkreten oder bestimmbaren Amtsgeschäft ist nicht erforderlich, die „Tätigkeit als Amtsträger“ umfasst vielmehr jede Handlung, die in einem funktionalen Zusammenhang zum Aufgabenbereich des Amtsträgers steht. Gänzlich außerhalb des abstrakten Zuständigkeitsbereichs liegende Handlungen scheiden hingegen ebenso als Bezugspunkt des Vorsatzes aus wie privates Handeln des Amtsträgers, selbst wenn es vor dem Hintergrund der beruflichen Stellung, unter Ausnutzung derselben oder der vom Rechtsträger zur Verfügung gestellten Ressourcen erfolgt (vgl Nordmeyer/Stricker in WK2 StGB § 306 Rz 1, 22, 25; RIS-Justiz RS0133424).
[11] Der Täter muss darüber hinaus in seinen Vorsatz aufnehmen, sich durch den Vorteil in seiner (zukünftigen) Tätigkeit als Amtsträger zugunsten des Vorteilsgebers (oder eines von diesem begünstigten Dritten) beeinflussen, also zu einer wohlwollenden Behandlung (inhaltlicher oder verfahrensmäßiger Natur) bewegen zu lassen (vgl Nordmeyer/Stricker in WK2 StGB § 306 Rz 26).
[12] Gegenständlich stellte das Erstgericht fest (US 16 ff), dass V* D* „diverse Verwaltungs- und Strafverfahren anhängig“ hatte und der Angeklagte Da* „im Zusammenhang“ mit einem wegen des Besitzes und der Weitergabe von Suchtgift geführten Verfahrens beim Landesgericht F* „unter Berufung auf seine Tätigkeit als Polizist“ mit dem Kommandanten der PI L* telefonierte und diesen darauf hinwies, dass es sich bei V* D* um ein „Bauernopfer“ handeln würde, während die Betreiber jener Pizzeria, bei welcher der Genannte beschäftigt ist, mit Drogen handeln würden. Weiters „bemühte“ sich der Angeklagte Da* nach der Verurteilung des V* D* zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe, dass Letzterer „eine Fußfessel bekommt“, wobei der Angeklagte den verbesserten Antrag auf elektronisch überwachten Hausarrest aufgrund seiner Verhaftung nicht mehr absenden habe können. Darüber hinaus führte der Angeklagte im Zusammenhang mit einem Verfahren über den Entzug des Führerscheins des V* D* ein Telefonat mit der zuständigen Mitarbeiterin der BH B*, in dem er sich als Polizist vorstellte, somit auf seine Tätigkeit als solcher hinwies und sich erkundigte, ob die Vorlage einer Meldung des Verlustes des Führerscheins ausreiche. Für diese Tätigkeiten hat der Angeklagte Da* in mehreren (jeweils 3.000 Euro nicht übersteigenden) Tranchen von V* D* 6.000 Euro und von A* D* 2.800 Euro gefordert und angenommen (A./III./2./a./ und A./III./2./b./bb./). Weiters ließ sich der Angeklagte nach den Feststellungen von A* D* 1.000 Euro für die Abfassung eines Antrags auf Ratenzahlung von Unterhaltsschulden (A./III./2./b./ba./) bezahlen.
[13] Damit lässt das Urteil nicht mit der erforderlichen Sicherheit erkennen, dass Da* den Vorteil – ungeachtet der festgestellten „Berufung auf seine Tätigkeit als Polizist“ – nicht bloß mit privatem Handeln oder solchem, das außerhalb seines (abstrakten) Zuständigkeitsbereichs liegt, verknüpfte, sodass die Feststellungen, wonach sich der Angeklagte Da* „in seiner Tätigkeit als Amtsträger beeinflussen lassen wollte“ (US 17, 19), ohne Sachverhaltsbezug bleiben.
[14] Zu den Schuldsprüchen zu B./II./ des Angeklagten P* und zu C./II./ des Angeklagten C* ist auf die zum Schuldspruch zu A./III./1./ getätigten Ausführungen zum Begriff „Amtsgeschäft“ zu verweisen. Auch beim Vergehen der Bestechung nach § 307 StGB muss der Vorteil dem Amtsträger für ein konkretes (zumindest bestimmbares) Amtsgeschäft angeboten, versprochen oder gewährt werden (Nordmeyer/Stricker in WK2 StGB § 307 Rz 14). Wie bereits zu A./III./1./ ausgeführt fehlt demnach – auf Basis der oben wiedergegebenen Feststellungen (US 20, 26 f) – der rechtlichen Annahme, die Vorteilsgewährungen hätten sich auf die pflichtwidrige Vornahme von Amtsgeschäften bezogen, die erforderliche Sachverhaltsgrundlage.
[15] Da die Subsumtionsrüge (Z 10, nominell „Z 9“) des Angeklagten C* diesen Umstand zum Schuldspruch zu C./II./ im Ergebnis rechtlich zutreffend geltend gemacht hat, kam seiner Nichtigkeitsbeschwerde in diesem Umfang Berechtigung zu.
[16] Zu B./I./ liegt – worauf die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten P* teilweise zutreffend hinweist – ein Rechtsfehler mangels Feststellungen hinsichtlich der (impliziten rechtlichen) Verneinung des Eintritts von Strafbarkeitsverjährung (Z 9 lit b) vor:
[17] Das Erstgericht stellte fest, dass der Angeklagte Da* den Angeklagten P* im Sommer 2013 kennengelernt hat (US 19) und am 18. August 2014 das Personalverzeichnis der LPD V* aus dem Intranet und an einem unbekannten Tag (ersichtlich gemeint [US 21 iVm US 4]: aus einem polizeiinternen Verzeichnis) das Dienstausweisfoto des Polizeibeamten * B* ausdruckte. Zwischen 18. August 2014 und 11. Jänner 2018, „wobei der genaue Tag nicht festgestellt werden kann“, übergab der Angeklagte Da* die beiden Ausdrucke samt handschriftlichem Vermerk über Ersuchen des Angeklagten P* an diesen, damit er die beiden Ausdrucke in seinem Lokal „B*“ auflegen konnte (US 21 f). Das Erstgericht traf somit keine Feststellungen dazu, wann die (allein maßgebliche) Bestimmungshandlung zur Verletzung des Amtsgeheimnisses erfolgt ist. Feststellungen zu verjährungshemmenden Umständen (§ 58 Abs 2 und 3 StGB) hat das Erstgericht ebenfalls nicht getroffen. Mit Blick auf die Verjährungsfrist von fünf Jahren (§ 57 Abs 3 StGB) macht das Fehlen von Konstatierungen zu solchen Umständen die (implizite) rechtliche Beurteilung, die Strafbarkeit der in Rede stehenden Verletzung des Amtsgeheimnisses nach §§ 12 zweiter Fall, 310 Abs 1 StGB sei nicht verjährt, unschlüssig (RIS-Justiz RS0122332 [T1, T6, T7, T11], RS0091794 [T4]).
[18] Die dargelegten Rechtsfehler (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a und [zu B./I./] lit b, Z 10 StPO) zwingen zur Aufhebung der Schuldsprüche im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang.
[19] Zu A./I./2./ und B./I./ war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen. Im weiteren Verfahren wird zu A./I./2./ zu beachten sein, dass das staatliche Recht auf Strafverfolgung auf Basis der bisherigen Aktenlage als Bezugspunkt des von § 302 StGB verlangten Schädigungsvorsatzes nicht in Betracht kommt. Eine durch die Datenabfrage bewirkte Schädigung des A* D* an dessen Recht auf Datenschutz (§ 1 DSG) ist zwar denkbar (vgl US 33), allerdings unterliegt das Grundrecht eines Betroffenen auf Datenschutz seiner Disposition, weshalb eine allfällige – umfänglich den konkret erfolgten Eingriff umfassende – vorab erfolgte Einwilligung desselben einen Rechtfertigungsgrund darstellen würde (vgl RIS‑Justiz RS0089544 [T1]). Für die Weitergabe der durch die Datenabfrage gewonnenen Informationen wäre jedoch § 310 Abs 1 StGB zu prüfen.
[20] Im Umfang der übrigen Aufhebungen sind nach der Aktenlage Feststellungen, die in Ansehung dieser Sachverhalte Schuldsprüche tragen könnten, in einem weiteren Rechtsgang nicht zu erwarten. Zu B./II./ und C./II./ waren die Schuldsprüche infolge Idealkonkurrenz zu den zu B./I./ und C./I./ vorgeworfenen strafbaren Handlungen (mit Blick auf die [nur] die Weitergabe von Informationen inkriminierende Anklage) ersatzlos zu beheben. Zu A./III./ war hingegen – unter Zugrundelegung der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen – sogleich nach § 259 Z 3 StPO zu erkennen (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO; vgl zu dieser Vorgehensweise RIS-Justiz RS0118545).
[21] Mit ihren auf diese Teile des Urteils bezogenen Nichtigkeitsbeschwerden waren die Angeklagten auf diese Entscheidung zu verweisen.
[22] Bleibt mit Blick auf die vorzunehmende Strafneubemessung zu A./I./1./b./ anzumerken, dass es sich beim Grundtatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB um ein schlichtes Tätigkeitsdelikt handelt, das bereits mit dem wissentlichen Fehlgebrauch der Befugnis vollendet ist und den Eintritt einer Rechtsschädigung als Erfolg nicht voraussetzt. Versuch liegt demnach in dieser Konstellation nur vor, wenn ein Täter seinen Entschluss, die Tat auszuführen, durch eine dem Befugnismissbrauch unmittelbar vorangehende Handlung betätigt (vgl RIS‑Justiz RS0096790; Nordmeyer in WK2 StGB § 302 Rz 8, 175 f). Dass eine durchgeführte Abfrage aufgrund eines Tippfehlers im Vornamen der abgefragten Person „keine Ergebnisse lieferte“ (US 12), ist daher für die Abgrenzung von Versuch und Vollendung nicht maßgeblich.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Da* im Übrigen:
[23] Die zum Schuldspruch zu A./II./1./ erhobene Tatsachenrüge (Z 5a) kritisiert, das Erstgericht habe teilweise den Begriff „unbekannte Personen“, teilweise aber den Ausdruck „unbefugte Personen“ verwendet und es gäbe keine Tatzeugen, welche die Datenweitergabe bestätigen könnten, weshalb eine „unerträgliche Beweiswürdigung“ vorliege. Damit versucht sie, Bedenken ohne direkten Bezug zu aktenkundigem Beweismaterial bloß aus Erwägungen der Tatrichter und dem angeblichen Fehlen von Beweismitteln abzuleiten und gelangt daher nicht prozessordnungskonform zur Darstellung (RIS-Justiz RS0117961 [T5, T8], RS0119424).
[24] Eine in diesem Zusammenhang ebenso behauptete Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) und Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) wird mit der Forderung, das Erstgericht hätte „genau ausführen müssen, aus welchen Gründen der Erstangeklagte den (…) Aktenvermerk an 'unbekannte Personen' weitergegeben hat“, nicht aufgezeigt (zur Undeutlichkeit vgl RIS-Justiz RS0089983 [T3], zur Unvollständigkeit siehe RIS-Justiz RS0118316, RS0098646 [T4]).
[25] Offenbar unzureichend ist eine Begründung, wenn sie den Kriterien der Logik oder Empirie widerspricht (RIS-Justiz RS0118317), während im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) gezogene Wahrscheinlichkeitsschlüsse – sofern sie vertretbar sind – einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen sind (RIS-Justiz RS0098471 [T4]). Diese Kriterien spricht die weitere zu A./II./1./ erhobene Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) mit dem Vorbringen, das Gericht habe nicht ausgeführt, weshalb der/die Dritte/Dritten unbekannt sind und ob die Mitteilungsempfänger dem Angeklagten Da* oder nur den „Erhebungsbeamten“ unbekannt waren, ebenso wenig an wie mit der Überlegung, dass die im Aktenvermerk aufscheinenden Daten des Me* für niemanden Grund sein könnten, sich einer strafrechtlichen Verfolgung zu entziehen. Weiters ins Treffen geführte Undeutlichkeit wird damit im Übrigen ebenfalls nicht angesprochen.
[26] Die aus Z 5 vierter Fall erhobene isolierte Kritik an der Verwendung der Wörter „zweifelsfrei“ und „kein Zweifel“ im Urteil orientiert sich nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (US 30 f; RIS-Justiz RS0119370).
[27] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch zu A./II./1./ macht nicht klar, warum die Offenbarung eines Amtsgeheimnisses an eine (oder mehrere) unbekannte Person(en) nicht § 310 Abs 1 StGB subsumiert werden kann und warum es zur Tatbestandsverwirklichung nicht genügen sollte, dass der Beamte eine Situation schafft, in der zumindest eine andere Person, der gegenüber Geheimhaltung geboten ist, Zugang zum Geheimnis hat (vgl Nordmeyer in WK2 StGB § 310 Rz 27).
[28] Weshalb es darüber hinaus Feststellungen bedurft hätte, zu welchem Zeitpunkt (vgl US 3), wo und bei welcher Gelegenheit die Weitergabe der Informationen erfolgte, leitet die Beschwerde nicht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565). Die von der Beschwerde ins Treffen geführten (ersichtlich missinterpretierten) Ausführungen des Erstgerichts, wonach nicht festgestellt werden könne, ob der Angeklagte Da* vor oder erst nach Einsicht in den Aktenvermerk beabsichtigte, diesen weiterzugeben (US 16, 33), sind für die Verwirklichung des Vergehens nach § 310 Abs 1 StGB – und im Übrigen wie oben ausgeführt auch für das Verhältnis zwischen § 302 Abs 1 und § 310 Abs 1 StGB – nicht von Relevanz.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten C* im Übrigen:
[29] Zum Schuldspruch zu C./I./ iVm A./II./3./ behauptet die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) eine offenbar unzureichende Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite, weil das Erstgericht offen gelassen habe, warum der Beschwerdeführer davon ausgehen hätte müssen, dass das Bestehen eines ihn betreffenden Haftbefehls ihm gegenüber geheim zu halten ist oder mit Blick auf seine Möglichkeit zur Akteneinsicht in ihn betreffende Straf- oder Verwaltungsverfahren ihm nicht zugänglich wäre. Damit zeigt sie jedoch nicht auf, dass die Erwägungen der Tatrichter (US 45), die Verantwortung des Angeklagten C* sei eine Schutzbehauptung, weil „jeder und auch der Drittangeklagte weiß, dass derartige Umstände von der Polizei nicht offen kommuniziert werden und man als Gesuchter nicht darüber informiert wird, ob ein Haftbefehl gegen jemanden offen ist, zumal dadurch ja diese Maßnahme gerade bei flüchtigen Tätern ad absurdum geführt werden würde“, weshalb die Feststellungen zur inneren Tatseite aus den objektiven Feststellungen abzuleiten waren, den Kriterien der Logik oder Empirie widersprechen würden (RIS-Justiz RS0118317).
[30] Indem die Beschwerde zu C./I./ iVm A./II./5./ darauf „hinweist“, dass durch das Vorzeigen von Lichtbildern zweier Kriminalbeamter diese „in keinster Weise bei ihrer Ermittlungstätigkeit hinsichtlich illegalen Glücksspiels behindert wurden oder behindert hätten werden können“ und die Ermittlungen ohne Beeinträchtigung weiterliefen, übt sie in unzulässiger Form Beweiswürdigungskritik. Gleiches gilt für die Ausführungen zu C./I./ iVm A./II./4./, wonach zwei Tage nach der Information vom 25. September 2017 über bevorstehende Kontrollen tatsächlich eine Kontrolle stattgefunden und der Beschwerdeführer – während die Kontrolle bereits im Gange war – beim Angeklagten Da* Informationen einzuholen versucht habe, die er auch von den ermittelnden Beamten bekommen hätte können, weshalb kein Geheimnis vorliege.
[31] Die pauschalen Behauptungen der Rüge (Z 5 vierter Fall), es würden zu C./I./ „sämtliche Ausführungen in der Beweiswürdigung“ fehlen, „wie denn das Erstgericht darauf kommt“, dass der Beschwerdeführer durch die Weitergabe der Informationen ein öffentliches Interesse verletzen hätte können und dies ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, nimmt nicht auf die zu den einzelnen Taten jeweils vorgenommene Beweiswürdigung (US 44 ff) Bezug (vgl aber RIS-Justiz RS0119370). Bleibt zur Klarstellung anzumerken, dass die Frage nach der Eignung einer Tathandlung, ein öffentliches oder berechtigtes privates Interesse zu verletzen, eine Rechtsfrage betrifft, der Vorsatz des Täters daher die die Verletzungseignung (in tatsächlicher Hinsicht) begründenden Umstände umfassen muss (RIS-Justiz RS0133924).
[32] Die zu C./I./ iVm A./II./2./ und A./II./6./ erhobene Tatsachenrüge (Z 5a) richtet sich gegen die Feststellungen zum Bedeutungsinhalt einer (im Urteil wiedergegebenen) WhatsApp-Konversation vom 27. Juli 2017 und gegen jene über den Verrat einer Kontrolle vom 25. November 2017, leitet jedoch Bedenken – unzulässig (RIS-Justiz RS0119424) – ohne direkten Bezug zu aktenkundigem Beweismaterial nur aus den Erwägungen der Tatrichter ab. Auch das weitere Vorbringen, es würden keinerlei Hinweise dafür bestehen, dass der Beschwerdeführer „mit der mutmaßlichen Information einer Kontrolle (…) am 25. November 2017 irgendwelche Veranlassungen getroffen hätte“, und es gäbe keine Beweise für die Feststellungen, verfehlt die gesetzmäßige Darstellung des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0128874).
[33] Zu C./I./ behauptet die Rüge (nominell Z 9 lit a; zufolge Idealkonkurrenz [vgl C./II./] der Sache nach Z 10), das Erstgericht hätte das Bestehen eines Haftbefehls fälschlicherweise als auch gegenüber dem Gesuchten bestehendes Geheimnis iSd § 310 StGB qualifiziert, obwohl diese Information dem durch Haftbefehl Gesuchten mit Blick auf die Möglichkeit der Akteneinsicht „nicht per se“ unzugänglich sei. Sie orientiert sich dabei nicht am – auch dem § 310 StGB innewohnenden – materiellen Geheimnisbegriff. Demnach sind unter Geheimnis alle Informationen zu verstehen, die nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind und auch nicht über einen begrenzten Personenkreis hinaus bekannt werden sollen und deren Geheimhaltung überdies im öffentlichen oder berechtigten privaten Interesse erforderlich ist (Nordmeyer in WK2 StGB § 310 Rz 12, 18; vgl auch RIS-Justiz RS0054107). Warum das Bestehen eines Haftbefehls diesem Geheimnisbegriff nicht entsprechen sollte, erklärt die Beschwerde nicht. Unter dem Aspekt der Rechtsfrage (erneut RIS-Justiz RS0133924) der Eignung einer Tathandlung, ein (hier:) öffentliches Interesse zu verletzen, argumentiert die Beschwerde nicht, weshalb in der gegenständlichen Konstellation die Mitteilung über das Bestehen eines Haftbefehls an die betroffene Person (vgl RIS‑Justiz RS0096260) nicht geeignet sein sollte, das vom Erstgericht angenommene (und von der Beschwerde übergangene) Recht des Staates auf Strafverfolgung, somit das öffentliche Interesse an der Aufklärung und Ahndung von Straftaten (vgl dazu Nordmeyer in WK2 StGB § 310 Rz 30 ff und § 302 Rz 167), zu gefährden. Bleibt anzumerken, dass in der von der Beschwerde erwähnten Entscheidung 13 Os 88/11g lediglich die Eignung, ein berechtigtes privates Interesse zu verletzen, thematisiert wurde, während eine Gefährdung öffentlicher Interessen fallbezogen dahinstehen konnte (vgl im Übrigen 14 Os 47/20y sowie Nordmeyer in WK2 StGB § 310 Rz 44).
[34] Indem die weitere Rüge zu C./I./ behauptet, es seien keinerlei öffentliche oder berechtigte private Interessen verletzt worden, weil das Erstgericht nicht festgestellt habe, dass im Tatzeitpunkt ein Haftbefehl bestanden und der Angeklagte Da* das Bestehen eines solchen verneint habe, übersieht sie zunächst, dass § 310 StGB ein potentielles Gefährdungsdelikt ist, sodass die (ex-ante zu beurteilende) Gefährdungseignung (zwar) auf Basis der konkreten Umstände des Einzelfalls nach einem objektiven Maßstab zu prüfen ist, es aber auf einen konkreten Gefährdungserfolg (oder gar eine tatsächlich erfolgte Interessenverletzung) nicht ankommt (RIS-Justiz RS0096258, RS0054107; Nordmeyer in WK2 StGB § 310 Rz 5, 29; Marek/Jerabek, Korruption und Amtsmissbrauch16 § 310 Rz 14 ff). Darüber hinaus ist das Tatbild (bereits) durch die Bestimmung (§ 12 zweiter Fall StGB) zur Offenbarung eines Amtsgeheimnisses erfüllt, während das Verhalten des unmittelbaren Täters lediglich für die Abgrenzung von Versuch und Vollendung relevant ist.
[35] Gleiches gilt für die zu C./I./ iVm A./II./2./ erhobene Rüge, soweit sie es für „nicht nachvollziehbar“ erachtet, „inwiefern hier von der Polizei gerichtlich strafbare Handlungen untersucht worden wären, hinsichtlich derer die Strafverfolgung behindert worden sein könnte“, und behauptet, es sei niemand an der Überprüfung eines Verdachts gehindert worden, im Urteil sei von illegalem Glücksspiel im Zusammenhang mit dem Beschwerdeführer keine Rede und nicht festgestellt worden, dass „bei anderweitiger Information seitens des“ Angeklagten Da* „das Lokal wieder aufgesperrt hätte und das Überwachungsergebnis ein anderes gewesen wäre“.
[36] Zutreffend wendet die Beschwerde ein, dass das vom Erstgericht herangezogene „generelle öffentliche Interesse an der Nichtverwertung und -offenbarung polizeiinterner Informationen und von Daten aus der zentralen Datenanwendung des BM.I“, somit der Sache nach das bloße Interesse an der Geheimhaltung, als Bezugspunkt der Verletzungseignung nicht ausreicht, sondern Letztere sich auf ein (weiteres) öffentliches oder berechtigtes privates Interesse beziehen muss (Nordmeyer in WK2 StGB § 310 Rz 29; Marek/Jerabek, Korruption und Amtsmissbrauch16 § 310 Rz 14). Mit Blick auf das ebenso vom Erstgericht – nach dem Vorgesagten zutreffend – angenommene „Recht des Staates auf Strafverfolgung“, welches das öffentliche Interesse an der Aufklärung und Ahndung von Straftaten und Verwaltungsstraftaten umschreibt (vgl dazu RIS-Justiz RS0126993 [T2, T3], RS0093070; Nordmeyer in WK2 StGB § 310 Rz 30 ff und § 302 Rz 167), spricht die Beschwerde aber letztlich keine entscheidende Tatsache an.
[37] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher in diesem Umfang zu verwerfen.
Zur Strafneubemessung betreffend die Angeklagten Da* und C*:
[38] Beim Angeklagten Da* machte der Oberste Gerichtshof mit Blick auf die gewichtsmäßige Relation zwischen dem aufgehobenen und dem rechtskräftigen Teil des Schuldspruchs von seinem Recht Gebrauch, hinsichtlich des rechtskräftigen Teils des Schuldspruchs die Strafe festzusetzen (14 Os 45/14w, 14 Os 79/12t; Ratz, WK‑StPO § 289 Rz 21). Dabei war die von der Aufhebung betroffene Subsumtionseinheit nach § 302 Abs 1 StGB in Betreff des verbleibenden Schuldspruchs zu A./I./ neu zu bilden.
[39] Bei der Strafneubemessung war beim Angeklagten Da* unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 302 Abs 1 StGB von einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe auszugehen. Dabei war gemäß § 31 Abs 1 StGB auf die rechtskräftigen Urteile des Landesgerichts Feldkirch vom 24. Juni 2020 zu AZ 22 Hv 43/20d und vom 21. September 2021 zu AZ 21 Hv 65/19f Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0112524) und waren die in den Vor-Urteilen verhängten Strafen zu berücksichtigen (§ 40 StGB).
[40] Mit Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 24. Juni 2020, AZ 22 Hv 43/20d, wurde Da* wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB gemäß § 43a Abs 2 StGB zu einer unbedingten Geldstrafe von 360 Tagessätzen (à 13 Euro; im Fall der Uneinbringlichkeit zu 180 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe) sowie zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.
[41] Zu AZ 21 Hv 65/19f des Landesgericht Feldkirch wiederum wurde der genannte Angeklagte wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB sowie der Vergehen der Bestechlichkeit nach § 304 Abs 1 StGB, der Vorteilsannahme nach § 305 Abs 1 StGB, der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 Abs 1 StGB und der Begünstigung nach §§ 15, 299 Abs 1 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.
[42] Im gegenständlichen Fall waren erschwerend das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen, die Mehrzahl der Angriffe zu I./ und der lange Tatzeitraum zu werten, mildernd hingegen das teilweise Geständnis (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB) und das lange Zurückliegen der Taten (§ 34 Abs 1 Z 18 StGB). Davon ausgehend war unter Berücksichtigung der Schuld des Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen (§ 32 Abs 3 StGB) aus spezial- sowie generalpräventiven Überlegungen eine Zusatzfreiheitsstrafe von zehn Monaten angemessen. Wie bereits das Erstgericht erkennt der Oberste Gerichtshof – mit Blick auf den für den Angeklagten wahrnehmbaren Beginn des Ermittlungsverfahrens Ende 2018, die Komplexität des Falles und das Verhalten des Angeklagten sowie der Behörden – die unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer (§ 34 Abs 2 StGB) als Verletzung des Grundrechts auf ein faires Verfahren (Art 6 Abs 1 MRK) an und gleicht diese durch die Reduktion der Freiheitsstrafe um zwei Monate auf acht Monate Zusatzfreiheitsstrafe aus.
[43] Unter Berücksichtigung des langen Zurückliegens der Taten und des seitherigen Wohlverhaltens war anzunehmen, dass die bloße Androhung der Vollziehung genügt, um den Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, weshalb die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachzusehen war.
[44] Beim Angeklagten C* war bei der Strafneubemessung nach § 310 Abs 1 StGB von einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe auszugehen. Erschwerend waren das Zusammentreffen mehrerer Vergehen, mildernd hingegen das lange Zurückliegen der Taten (§ 34 Abs 1 Z 18 StGB) und der Umstand, dass es in einem Fall beim Versuch geblieben ist (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB), zu werten. Demnach sowie nach Maßgabe der allgemeinen Strafzumessungserwägungen (§ 32 Abs 3 StGB) erweist sich eine Freiheitsstrafe von acht Monaten als tat‑ und schuldangemessen. Auch beim Angeklagten C* war die – nach den zuvor dargelegten Kriterien – unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer als Verletzung des Grundrechts auf ein faires Verfahren (Art 6 Abs 1 MRK) anzuerkennen und durch die Reduktion der Freiheitsstrafe um zwei Monate auf sechs Monate auszugleichen.
[45] Da anzunehmen ist, dass beim Angeklagten C* die bloße Androhung der Vollziehung genügt, um den Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten – sind doch seit den Taten rund sechseinhalb Jahre vergangen und hat sich der Angeklagte seither wohlverhalten – war die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachzusehen.
[46] Mit ihren gegen den Strafausspruch gerichteten Berufungen waren Da* und C* sowie die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung zu verweisen, hinsichtlich des Angeklagten P* war dieser – ebenso wie die Staatsanwaltschaft – auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
[47] Der Kostenausspruch zu den Angeklagten Da* und C* beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Die Ersatzpflicht erstreckt sich nicht auf die Kosten der amtswegigen Maßnahmen (RIS-Justiz RS0101558).
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