OGH 15Os112/94; 17Os1/12v; 14Os20/24h (RS0089544)

OGH15Os112/94; 17Os1/12v; 14Os20/24h19.6.2024

Rechtssatz

Die rechtfertigende Wirkung des Einverständnisses des Verletzten kommt nur bei solchen Delikten in Betracht, bei denen die Rechtsordnung dem Träger des Rechtsgutes die (alleinige) Verfügungsgewalt über das geschützte Rechtsgut einräumt, also bei disponiblen Rechtsgütern, während Eingriffe in persönliche Rechtsgüter, die auch im Interesse der Allgemeinheit geschützt sind, trotz Einwilligung des Betroffenen rechtswidrig bleiben. Zu derartigen indisponiblen Individualrechtsgütern zählt aber der Schutz Unmündiger (beiderlei Geschlechts) vor sexuellen Eingriffen, wobei durch die Strafnorm des § 207 StGB im Interesse der Allgemeinheit auch der zustimmende Verletzte angesichts seines unter vierzehn Jahren gelegenen Alters geschützt werden soll.

Normen

StGB §3 B4
StGB §207
StGB §302

15 Os 112/94OGH15.12.1994
17 Os 1/12vOGH18.06.2012

Vgl; Beisatz: Angesichts der Breite des mit § 302 Abs 1 StGB angestrebten Rechtsgüterschutzes, der zum Großteil außerhalb der Verfügungsbefugnis des Einzelnen liegt (wo sich die Frage nach wirksamer Zustimmung gar nicht stellt), kann nicht gesagt werden, Fehlen der Einwilligung sei ein Tatbestandsmerkmal dieser strafbaren Handlung. Demgemäß kommt der (tatsächlichen oder mutmaßlichen) Einwilligung des Betroffenen in einen (vom Täter gedachten) Eingriff in an sich durch § 302 Abs 1 StGB geschützte Rechte, sofern diese der Verfügungsbefugnis des Einzelnen unterliegen, die Bedeutung eines Rechtfertigungsgrundes zu. Bei dessen Prüfung im einzelnen Fall ist demnach aus dem Blickwinkel des § 302 Abs 1 StGB auf das jeweils vom Schädigungsvorsatz betroffene Recht abzustellen. Unterliegt dieses ‑ wie im gegebenen Zusammenhang das Grundrecht der Betroffenen auf Datenschutz ‑ der Disposition des Einzelnen, kommt der Rechtfertigungsgrund in Betracht. (T1)

14 Os 20/24hOGH19.06.2024

vgl; Beisatz wie T1

Dokumentnummer

JJR_19941215_OGH0002_0150OS00112_9400000_004

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