OGH 14Os20/24h

OGH14Os20/24h19.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Juni 2024 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Loibl LL.M., BSc, in der Strafsache gegen *G* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten * G* sowie der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 16. November 2023, GZ 35 Hv 23/23d‑55, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0140OS00020.24H.0619.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Amtsdelikte/Korruption

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht Linz zu.

Dem Angeklagten G* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden relevant wurde mit dem angefochtenen Urteil *G* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in M* im Zeitraum Ende 2013/Anfang 2014 bis 29. November 2018 als Bürgermeister der gleichnamigen Gemeinde und somit als Abgabenbehörde iSd § 8 Abs 1 Salzburger Ortstaxengesetz 2012 seine Befugnis, im Namen dieser Gemeinde als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er mit dem Vorsatz, dadurch

• das Land Salzburg an seinem Recht auf „gesetzeskonforme“ Erhebung der für die ordnungsgemäße Vorschreibung der allgemeinen und besonderen Ortstaxe nach § 1 Salzburger Ortstaxengesetz 2012 und der zusätzlichen Gemeindeabgabe nach § 2 Salzburger Ortstaxengesetz 2012 notwendigen Sachverhaltsgrundlage,

• das Land Salzburg an seinem Recht auf Vorschreibung der besonderen Ortstaxe im Ausmaß der bestehenden Ferienwohnungen (iSd § 3 Z 3 Salzburger Ortstaxengesetz 2012) und

„• die C* GmbH an ihrem Recht, Ortstaxe nur im Ausmaß der tatsächlichen Nächtigungen und entsprechend den erfolgten Abgabenerklärungen vorgeschrieben zu bekommen und an die Abgabenbehörde zu entrichten“,

zu schädigen, mit der C* GmbH eine Vereinbarung traf, wonach diese ohne entsprechende tatsächliche Auslastung die Zahlung einer allgemeinen Ortstaxe für 13.000 Nächtigungen im Jahr zusicherte, die den Eigentümern der Wohnungseigentumsobjekte oder der Liegenschaften samt Gebäude rund um den *see (US 6) für das Jahr 2012 vorgeschriebene besondere Ortstaxe „stornierte“ und bereits bezahlte Beträge retournierte, im Hinblick auf diese Vereinbarung die gebotenen Ermittlungen zur Erhebung des steuerbaren Tatbestands und der Abgabenpflichtigen in Bezug auf die allgemeine und die besondere Ortstaxe unterließ und in Unkenntnis des maßgeblichen Sachverhalts der C* GmbH mit Bescheiden für 13.000 Nächtigungen pro Jahr, sohin für die Monate Dezember 2014 bis Oktober 2018 für insgesamt 39.164 tatsächlich nicht stattgefundene Nächtigungen die allgemeine Ortstaxe vorschrieb, ohne dass dies den Gästemeldungen der C* GmbH entsprochen hat.

[3] Unter einem fällte das Erstgericht – rechtlich verfehlt (RIS‑Justiz RS0115553) – einen „Freispruch“ hinsichtlich des Vorwurfs (ON 54 S 3 iVm ON 35), G* hätte durch die zuvor beschriebenen Taten als Amtsträger für die pflichtwidrige Vornahme und Unterlassung eines Amtsgeschäfts einen Vorteil für einen Dritten, nämlich die Gemeinde M* und den dortigen Tourismusverband (§ 9 Salzburger Ortstaxengesetz 2012) in Form der zur Gänze bei diesen verbleibenden – freiwillig und demnach ohne entsprechende tatsächliche Auslastung von der C* GmbH aufgrund der Vereinbarung vom Jänner 2014 geleisteten – allgemeinen Ortstaxe für 13.000 Nächtigungen im Jahr, „gefordert, angenommen oder sich versprechen lassen“, wobei er die Tat in Bezug auf einen insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Wert des Vorteils, nämlich insgesamt 56.635,20 Euro, begangen habe.

Rechtliche Beurteilung

[4] Gegen dieses Urteil richten sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde dieses Angeklagten sowie die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gegründete, eine Verurteilung auch wegen des Verbrechens der Bestechlichkeit nach § 304 Abs 1 und 2 erster Satz zweiter Fall StGB anstrebende Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft. Beide verfehlen ihr Ziel.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten G*:

[5] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet das Fehlen von Feststellungen zum Schutzzweck des Salzburger Ortstaxengesetzes sowie dazu, dass sich der Angeklagte mit diesem auseinandergesetzt und es in Kauf genommen habe, diesen zu vereiteln. Indem sie sich dabei lediglich auf eine isoliert herausgegriffene Passage der Konstatierungen bezieht, nimmt sie nicht die Gesamtheit der Sachverhaltsannahmen in den Blick (vgl aber RIS‑Justiz RS0099810). Diesen zufolge (US 10 ff, 15 f, 29 f) handelte der Angeklagte als Bürgermeister (und somit Abgabenbehörde iSd § 8 Abs 1 Salzburger Ortstaxengesetz 2012) – für die Tatbestandserfüllung ausreichend (vgl Nordmeyer in WK2 StGB § 302 Rz 167 mwN) – auch mit dem Vorsatz, durch den ihm angelasteten Befugnisfehlgebrauch (ersichtlich gemeint) das Land Salzburg an dessen Recht auf Einhebung der besonderen Ortstaxe (§ 9 Abs 3 Salzburger Ortstaxengesetz 2012) zu schädigen.

[6] Bleibt zum vom Erstgericht angenommenen Vorsatz des Angeklagten auf Schädigung (auch) der C* GmbH an ihrem Recht, Ortstaxen nur im Ausmaß der tatsächlichen Nächtigungen und entsprechend den erfolgten Abgabenerklärungen „vorgeschrieben zu bekommen und an die Abgabenbehörde zu entrichten“ (US 16 iVm US 8 ff), anzumerken, dass insoweit nach den Konstatierungen eine Einwilligung der Gesellschaft zur Zahlung eines jährlichen Betrags entsprechend der allgemeinen Ortstaxe für 13.000 Nächtigungen bestand, demnach in diesem Umfang ein Rechtfertigungsgrund vorliegt (vgl RIS-Justiz RS0089544 [T1]; Nordmeyer in WK2 StGB § 302 Rz 190 ff).

[7] Soweit die Rüge vermeint, es würden sich keinerlei Anhaltspunkte dafür finden, dass der Angeklagte es in Kauf genommen hat, den Schutzzweck des Salzburger Ortstaxengesetzes zu vereiteln, weil er in der Hauptverhandlung angegeben habe, dass die mit der C* GmbH getroffene Vereinbarung in seinen Gedanken der Rechtsordnung entsprochen habe, wird Nichtigkeit aus Z 9 lit a nicht zur Darstellung gebracht, sondern werden die getroffenen Feststellungen nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren aber nicht vorgesehenen (vgl § 283 Abs 1 StPO) – Schuldberufung infrage gestellt.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

[8] Ob ein Vorteil nach den Vorstellungen des Amtsträgers mit einem bestimmten oder bestimmbaren Amtsgeschäft in tatbestandsmäßiger Weise verknüpft ist, ist eine – vom Schöffengericht anhand einzelfallbezogener Auslegung von Äußerungen und Handlungen des Amtsträgers zu beantwortende (vgl Nordmeyer/Stricker in WK2 StGB § 304 Rz 67, 79) – Tatfrage.

[9] Gegenständlich war aus Sicht des Schöffengerichts (US 27, 31 f) „nicht feststellbar“, dassder Angeklagte die Zweckverknüpfung von Vorteil und pflichtwidriger Vornahme oder Unterlassung von Amtsgeschäften in seinen zumindest bedingten Vorsatz aufgenommen habe. Dies würden die im Urteil erwähnten Urkunden nicht hinreichend nahelegen, „zumal der finanzielle Vorteil der Gemeinde bzw. dem Tourismusverband erst mittelbar“ zugekommen sei.

[10] Die Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) behauptet, diese Feststellungen stünden im Widerspruch zu jenen, welche nach Ansicht der Staatsanwaltschaft belegen würden, dass das Erstgericht vom Vorliegen der tatbildlichen Verknüpfung von Vorteil und pflichtwidrigem Amtsgeschäft und dem entsprechenden Vorsatz ausging.

[11] So hätten die Tatrichter als Motiv für den dem Schuldspruch zugrunde liegenden Befugnisfehlgebrauch angenommen, der Angeklagte sei bestrebt gewesen, „die für die Gemeinde bzw. den Tourismusverband ertragreichere Ortstaxe vorzuschreiben und zu vereinnahmen“, und die Vorschreibung der allgemeinen Ortstaxe sei ein finanzieller Vorteil für die Gemeinde und den Tourismusverband gewesen (US 16, 25, 30). Weiters habe das Erstgericht festgestellt, dass die Reduzierung der von der Vereinbarung mit der C* GmbH umfassten ortstaxenpflichtigen Nächtigungszahlen von 14.500 auf 13.000 darin begründet gewesen sei, dass Letztere der Summe entsprochen hätten, welche für die besondere Ortstaxe fällig geworden wären, und der Angeklagte durch sein Vorgehen zumindest jene Einnahmen erzielen wollte, die der Summe der für die besondere Ortstaxe anfallenden Zahlungen entsprach (US 9 f). Ebenso sei konstatiert worden, dass „die von der allgemeinen Ortstaxe lukrierten Beträge in der Gemeinde, nämlich großteils beim Tourismusverband verblieben“ seien (US 11). Schließlich verweist die Beschwerdeführerin auf die Annahme des Erstgerichts, in einer Niederschrift zur Sitzung der Gemeindevorstehung am 17. Dezember 2013 sei festgehalten, der Angeklagte habe angegeben, dass die allgemeine Ortstaxe der Tourismusverband erhalte, man sich möglicherweise mit diesem arrangieren könne, damit die Gemeinde einen Anteil bekomme und mit dieser Lösung das Geld in der Gemeinde bleiben würde (US 22).

[12] Damit wird ein innerer Widerspruch iSd Z 5 dritter Fall aber nicht aufgezeigt. Soweit die Beschwerde Urteilspassagen betreffend das Motiv des Angeklagten für dessen Befugnismissbrauch in den Blick nimmt, bezieht sie sich nicht auf Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (RIS‑Justiz RS0117402 [T10, T12, T15], RS0088761). Die angesprochenen Konstatierungen zu den aus den gegenständlichen befugnismissbräuchlichen Amtsgeschäften resultierenden Vorteilen (für die Gemeinde oder den Tourismusverband) aus objektiver Sicht wiederum können nach den Kriterien der Logik und Empirie neben den angefochtenen, die subjektive Tatseite betreffenden Negativfeststellungen zum Tatbestand der Bestechlichkeit nach § 304 Abs 1 StGB bestehen (RIS‑Justiz RS0099709). Gleiches gilt für die Konstatierung, wonach der Angeklagte durch sein Vorgehen zumindest jene Einnahmen erzielen wollte, die der Summe der für die besondere Ortstaxe anfallenden Zahlungen entsprach. Schließlich liegt ein innerer Widerspruch auch dann nicht vor, wenn Feststellungen in einem von der Beschwerdeführerin angenommenen Widerspruch zu einzelnen Verfahrensergebnissen oder deren Interpretation (hier: den Auszügen einer Niederschrift der Sitzung der Gemeindevorstehung vom 17. Dezember 2013) stehen (vgl RIS-Justiz RS0119089 [T7]).

[13] Die von der Beschwerde (Z 5 vierter Fall) vermisste Begründung zu den auf den (Grund‑)Tatbestand der Bestechlichkeit nach § 304 Abs 1 StGB bezogenen (negativen) Feststellungen zur subjektiven Tatseite befindet sich auf US 27.

[14] Soweit die Rüge eine offenbar unzureichende Begründung mit der Behauptung reklamiert, dem Urteil seien „nähere Feststellungen bzw eine nachvollziehbare Begründung“ für die „widerstreitenden Annahmen“ nicht zu entnehmen, übt sie – wie mit dem übrigen Vorbringen insgesamt – bloß in unzulässiger Form Beweiswürdigungskritik.

[15] Der von der Mängelrüge nominell erhobene Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) gelangt nicht gesetzeskonform zur Ausführung.

[16] Da die (mit Mängelrüge erfolglos bekämpften) Negativfeststellungen den Freispruch tragen und damit einer erfolgreichen Urteilsanfechtung entgegenstehen, erübrigt sich eine Erörterung der (Feststellungsmängel zu weiteren Tatbestandsvoraussetzungen geltend machenden) Rechtsrüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10; vgl RIS‑Justiz RS0127315).

[17] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

[18] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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