European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0140OS00138.20F.0323.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten B***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurde mit dem angefochtenen Urteil ***** B***** (ebenso wie ***** E*****) unter anderem je eines Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 2 erster Fall StGB (I./A./1./) und des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 3, 130 Abs 2 zweiter Fall (iVm Abs 1 erster Fall) StGB (I./D./1./ und 2./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit ***** E*****
I./ anderen fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz
A./1./ mit gegen eine Person gerichteter Gewalt weggenommen, und zwar am 2. November 2019 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem weiteren unbekannten Mittäter ***** S***** eine Geldbörse im Wert von 35 Euro sowie 5 Euro Bargeld, indem B***** ihm zwei Faustschläge in das Gesicht versetzte, wodurch S***** zu Boden ging, woraufhin E***** und der unbekannte Täter ihm Tritte gegen den Unterbauch, den Brustbereich und den Halsbereich versetzten, bis er das Bewusstsein verlor, und einer der Täter die Geldbörse des Genannten samt Inhalt an sich nahm, wobei die Gewaltanwendung eine an sich schwere Körperverletzung des Opfers, und zwar eine Blutung unter der harten Hirnhaut, eine Prellung der rechten Augenhöhle und Abschürfungen, sowie eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit des Genannten zur Folge hatte;
D./ gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) durch Öffnung von Sperrvorrichtungen mit widerrechtlich erlangten Schlüsseln weggenommen, indem sie unter Verwendung entfremdeter unbarer Zahlungsmittel mittels 'Near Field Communication' Zigarettenpackungen bei Zigarettenautomaten bezahlten, und zwar
1./ zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt ab 2. November 2019 Gewahrsamsträgern nicht feststellbarer Trafiken in einer nicht feststellbaren Anzahl von Angriffen Zigarettenpackungen im Gesamtwert von zumindest 150 Euro unter Verwendung einer durch die zu I./A./1./ beschriebene Tat erlangten Bankomatkarte des S*****;
2./ am 30. Mai 2020 unter Verwendung zweier durch einen am selben Tag begangenen (und im Urteil zu I./A./2./ konkretisierten) Raub erlangter Bankomatkarten des ***** Sc***** (US 10);
a./ Gewahrsamsträgern der Trafik M***** in sieben Angriffen insgesamt 14 Zigarettenpackungen im Gesamtwert von 77 Euro;
b./ Gewahrsamsträgern der Trafik G***** in sechs Angriffen insgesamt sechs Zigarettenpackungen im Gesamtwert von 32,40 Euro.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B*****, die ihr Ziel verfehlt.
[4] Voranzustellen ist, dass die Nichtigkeitsbeschwerde das Urteil zwar uneingeschränkt bekämpft, inhaltlich aber zu den Schuldsprüchen I./A./2./, I./B./, I./C./ und II./ bis IV./ nicht argumentiert. In diesem Umfang war auf sie keine Rücksicht zu nehmen, weil auch bei ihrer Anmeldung Nichtigkeitsgründe nicht deutlich und bestimmt bezeichnet wurden (§ 285 Abs 1 zweiter Satz StPO).
[5] Dass das Schöffengericht zu I./A./1./ die Feststellungen zur Kausalität der Gewaltanwendung für den Eintritt einer schweren Körperverletzung sowie zur (objektiven und subjektiven) Vorhersehbarkeit dieser Folge für die Angeklagten (US 7 f) darauf stützte, „dass derartige Verletzungen bei Faustschlägen gegen den Kopf, wenn das Opfer zu Boden stürzt allgemein bekannt sind und keine Umstände festgestellt werden konnten, wonach die Angeklagten nicht in der Lage gewesen wären das Risiko des Erfolgseintrittes zu erkennen und dieser Einsicht gemäß zu handeln“ (US 15), stellt – der Beschwerde (Z 5 vierter Fall) zuwider – keine Scheinbegründung dar. Eine solche läge vor, wenn festgestellte entscheidende Tatsachen mit bloßen Floskeln (wie „zweifellos“, „offensichtlich“) ohne eigene Beweiserwägungen als bewiesen dargestellt oder zirkuläre Überlegungen angestellt würden (RIS-Justiz RS0099494 RS0116882 [T5]; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 446), während der vorliegende Schluss von der angewendeten Gewalt auf den Eintritt und die Vorhersehbarkeit der Verletzungen zulässig war (vgl RIS-Justiz RS0089345, RS0089230, RS0088955, RS0098400).
[6] Zu I./D./ hat das Schöffengericht die Feststellungen zur Absicht gewerbsmäßiger Tatbegehung (US 10) nicht nur – wie von der Beschwerde (Z 5 vierter Fall) ohnehin selbst erkannt – auf die Aussage des Beschwerdeführers vor der Polizei gestützt, wonach er und E***** die Taten begingen, weil sie kein Geld hatten und sich bessere Sachen kaufen wollten. Vielmehr leiteten sie diese auch aus dem Umstand ab, dass die Angeklagten „bereits die zwei beschriebenen Taten“ begangen hatten und den Angaben des Angeklagten E***** zufolge ihre Geldprobleme Grund für ihr Vorgehen war (US 15). Indem die Rüge ausschließlich die Begründungstauglichkeit der Verantwortung des Beschwerdeführers bestreitet, argumentiert sie prozessordnungswidrig nicht auf Basis der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0119370).
[7] Die Feststellungen zum Risiko- und Adäquanzzusammenhang zwischen den schweren Verletzungen des Opfers und den – isoliert betrachteten – Tathandlungen des Angeklagten B***** vermissende Subsumtionsrüge (Z 10) zu I./A./1./ nimmt nicht Maß am festgestellten Urteilssachverhalt (RIS-Justiz RS0099810). Denn das Schöffengericht konstatierte, dass die beiden Angeklagten vor dem 2. November 2019 den Entschluss fassten, gemeinsam Raubüberfälle zu begehen, wobei sie arbeitsteilig vorgingen und bei ihren Taten im bewussten und gewollten Zusammenwirken Ausführungshandlungen setzten (US 6), sie durch arbeitsteiliges Vorgehen gemeinsam Gewalt gegen das Opfer anwendeten, für sie erkennbar war, „dass solche Schläge und Tritte gegen ein bereits am Boden liegendes Opfer kausal für die Folgeschäden des Opfers waren und schwerwiegende Verletzungen zur Folge haben können“ und diese Folge der Tat „– wie für jedermann – also auch für die Angeklagten als Konsequenz ihrer Tat objektiv und subjektiv vorhersehbar“ war (US 7 f).
[8] Welche darüber hinausgehenden Feststellungen für die Zurechnung der schweren Folge, für die Mitkausalität genügt (RIS-Justiz RS0089343), erforderlich gewesen wären, lässt die Beschwerde offen.
[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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