OGH 14Os134/19s

OGH14Os134/19s25.2.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Februar 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Dr. Ondreasova in der Strafsache gegen Sandro W* wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 dritter Fall, 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 12. April 2019, GZ 21 Hv 38/18h‑98, sowie seine Beschwerde gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsichten nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E127549

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Sandro W* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 dritter Fall, 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 9. August 2017 in R* mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an dessen Recht auf (ersichtlich gemeint) Ausschluss nicht verkehrs-, betriebssicherer und umweltverträglicher Fahrzeuge von der Teilnahme am Straßenverkehr sowie den Fahrzeuglenker und andere Verkehrsteilnehmer an ihrem Recht auf Sicherheit zu schädigen, wissentlich (vgl US 8) dazu beigetragen, dass Robert B* als zur wiederkehrenden Begutachtung von Fahrzeugen nach § 57a KFG Ermächtigter, mithin als Beamter, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, durch Ausstellung eines positiven Prüfgutachtens ohne vorherige Überprüfung, ob zuvor von ihm festgestellte (im Urteil näher bezeichnete) schwere Mängel am Pkw des Melih D* zwischenzeitig behoben worden waren (vgl § 10 Abs 3a Prüf- und Begutachtungsstellenverordnung [PBStV] zum Umfang einer „Nachprüfung“) missbrauchte, indem er B* telefonisch (wahrheitswidrig) mitteilte, er habe diese Mängel zwischenzeitig repariert.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 (lit) a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Voraussetzung erfolgreicher Geltendmachung einer Verfahrensrüge (Z 4) ist die Entscheidung des Schöffensenats über einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag oder dort erhobenen Widerspruch. Prozessleitende Verfügungen des Vorsitzenden bilden hingegen keinen tauglichen Bezugspunkt der Rüge (RIS‑Justiz RS0117391; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 318). Diese Voraussetzung verkennt das zu diesem Nichtigkeitsgrund erstattete Vorbringen, soweit es die Nichteinräumung des Fragerechts an den Beschwerdeführer durch die Vorsitzende des Schöffensenats (ON 82 S 3 und ON 97 S 5 f) und deren Weigerung, drei (von der Verteidigung vorgelegte) Ordner zum Akt zu nehmen (ON 82 S 4 f und 17), kritisiert, ohne dass der Beschwerdeführer hiezu die Entscheidung des Senats begehrte. Im Übrigen bleibt offen, wie das behauptete Ergebnis bloß durch das beantragte Zum-Akt-Nehmen von Urkunden (drei Ordnern) ohne deren (nicht begehrte) Verlesung in der Hauptverhandlung hätte unter Beweis gestellt werden können (vgl Lendl, WK‑StPO § 258 Rz 5).

Bleibt anzumerken, dass § 249 Abs 1 StPO nicht dahin zu verstehen ist, dass „den Parteien bzw Beteiligten“ zwecks (direkter) Befragung von Zeugen nur „ausnahmsweise“ das Wort zu erteilen sei (ON 82 S 3; näher dazu Danek/Mann, WK‑StPO § 232 Rz 11 ff; Kirchbacher, WK‑StPO § 249 Rz 22).

Der Antrag auf „ergänzende Einvernahme des Sachverständigen Ing. Wo*“ und des Zeugen B* dazu, dass Letzterer sich am Tag der Ausstellung des positiven Prüfgutachtens „vor Ort“ (gemeint: in der Werkstatt des Beschwerdeführers) „befunden hat“ (ON 97 S 7), betraf kein erhebliches Beweisthema (RIS‑Justiz RS0116503), weil dieser Umstand nichts darüber aussagt, ob B* das gegenständliche Fahrzeug (nach vorgegebener Behebung der Mängel) ein zweites Mal begutachtete.

Der Antrag auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens (ON 76 S 3 f) enthielt ebenfalls kein erhebliches Beweisthema, denn die behauptete Zurechnungsunfähigkeit am 6. Jänner 2018 war mit Blick auf den hier – nach Ausscheidung des Verfahrens wegen der übrigen Anklagepunkte (ON 97 S 7) – allein gegenständlichen Vorwurf einer am 9. August 2017 begangenen Tat ohne Bedeutung.

Der – entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen nicht unerledigt gebliebene, sondern abgewiesene (ON 97 S 8) – Antrag auf Vernehmung eines den Beschwerdeführer behandelnden Arztes als Zeugen (ON 76 S 4 f) wiederum war nicht geeignet, das angeführte Thema einer Verhandlungsunfähigkeit des Beschwerdeführers unter Beweis zu stellen (vgl RIS‑Justiz RS0118444), weil das Ziehen von Schlussfolgerungen nach Art eines Gutachtens nicht Gegenstand eines Zeugenbeweises ist (RIS‑Justiz RS0097545).

Der Antwort auf die Mängelrüge (Z 5) ist vorauszuschicken, dass diese eine Anfechtung von Feststellungen nur insoweit eröffnet, als sie entscheidende Tatsachen betreffen (RIS‑Justiz RS0117499). Soweit sich das Vorbringen mit dem Bestehen eines von B* ursprünglich nicht erkannten, in weiterer Folge auch nicht reparierten, jedoch nachträglich vom Ö* diagnostizierten schweren Mangels (nämlich eines Defekts der Motorhalterung [vgl US 5 f und 7]) beschäftigt, verfehlt es diese Vorgabe, weil es das Bestehen weiterer – der Ausstellung eines positiven Prüfgutachtens entgegen stehender – schwerer Mängel (US 7), deren Behebung B* jedenfalls hätte kontrollieren müssen, außer Acht lässt.

Dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Erstgericht die Angaben des Sachverständigen ebenso erörtert (US 8 und 10) wie die (leugnende) Verantwortung des Beschwerdeführers (US 9 f). Mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) war es nicht verhalten, sich im Urteil mit sämtlichen Details der Angaben der Genannten auseinanderzusetzen.

Gleiches trifft auf die Kritik zu, die Tatrichter hätten die Aussagen der Zeugen B* und Be* stillschweigend übergangen (vgl dagegen die Erörterung auf US 11).

Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite stützte das Erstgericht einerseits „auf eine lebensnahe Betrachtung des äußeren Sachverhalts“ (US 12; vgl dazu RIS‑Justiz RS0116882), andererseits auf die Aussage des Zeugen B*, er habe „zu diesem Zeitpunkt dem Angeklagten noch vertraut“, sowie die Überzeugung, dieser habe von diesem Vertrauen gewusst, weshalb er davon ausgegangen sei, B* werde eine neuerliche Begutachtung des Fahrzeugs unterlassen (US 12). Dass diese Überlegungen den Kriterien logischen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widersprächen (vgl RIS‑Justiz RS0118317), vermag der Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) nicht darzulegen. Davon ausgehend kann auch keine Rede davon sein, dass die Tatrichter diese Konstatierungen bloß „mit Verba legalia begründet“ hätten (zur Gesamtheit der Entscheidungsgründe als Bezugspunkt der Mängelrüge vgl RIS‑Justiz RS0119370).

Die Kritik der Rechtsrüge (Z 9 lit a), dem Urteil sei nicht zu entnehmen, ob B* in seiner Eigenschaft als Beamter die Begutachtungsplakette für den gegenständlichen Pkw ausgestellt habe, übergeht (RIS‑Justiz RS0099810) zunächst die Feststellungen zu seiner Ermächtigung zur Durchführung wiederkehrender Begutachtungen nach § 57a KFG und zur Ausstellung eines unrichtigen Gutachtens durch ihn (US 5 und 6 f). Überdies wird nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet (vgl RIS‑Justiz RS0116565), weshalb nicht schon die Ausstellung eines solchen Gutachtens tatbildlicher Befugnisfehlgebrauch, auf den sich das Wissen des Beschwerdeführers bezog und der nach dessen Erwartung zur Beeinträchtigung im Urteil angeführter Rechte führen sollte, sei (vgl § 57a Abs 4 und 5 KFG [zum Charakter des Prüfgutachtens als öffentlicher Urkunde und zur Ausgabe der Begutachtungsplakette auf Grundlage des Gutachtens]; 17 Os 3/14s [zum Konnex zwischen Prüfgutachten und vom Schädigungsvorsatz umfasster Rechte]; 17 Os 25/14a [zum hoheitlichen Charakter der wiederkehrenden Begutachtung nach § 57a KFG] sowie allgemein RIS‑Justiz RS0118428).

Die Behauptung, das Urteil enthalte „keinerlei Feststellungen zur subjektiven Tatseite“, ist ein weiteres Mal nicht am Urteilssachverhalt orientiert (US 8) und legt zudem nicht im Einzelnen dar, weshalb die getroffenen Konstatierungen den Schuldspruch nicht trügen (RIS‑Justiz RS0099620).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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