OGH 14Os100/14h

OGH14Os100/14h28.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Oktober 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Spunda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hilmar K***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 11. Februar 2014, GZ 36 Hv 103/13m‑44, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0140OS00100.14H.1028.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die gegen die Aussprüche über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche gerichtete Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hilmar K***** jeweils eines Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (A) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB (B) schuldig erkannt.

Danach hat er im Sommer 2011 in R***** Julia H*****

(A) mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) zur Duldung von dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt, indem er seine Wohnungstüre versperrte und den Schlüssel abzog, mehrfach äußerte, er werde die Genannte abstechen und umbringen, wenn sie nicht gefügig sei, ihr dabei ein Messer an den Hals setzte, sie an Armen und Beinen festhielt, ihr die Kleidung herunterriss und ihr sodann seine Finger und mehrere Dildos in die Scheide einführte und den Oralverkehr an ihr vollzog, wobei die Tat eine schwere, mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung verbundene Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung von Krankheitswert in Kombination mit mittelgradig depressiven Episoden, zur Folge hatte;

(B) durch gefährliche Drohung mit dem Tod zur Unterlassung einer Anzeigeerstattung wegen der zu (A) beschriebenen Tat genötigt, indem er äußerte, er werde sie umbringen, wenn sie jemandem etwas über den Vorfall erzähle.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Mit dem auf Z 5 gestützten Einwand, „Feststellungen“ zum konkreten Tatzeitpunkt (vgl dazu RIS‑Justiz RS0098557), zu den Gründen für die Anwesenheit des Tatopfers in der Wohnung des Angeklagten am Vorfallstag, zu Kontakten zwischen den beiden Genannten nach dem Tatzeitpunkt, zum Verbleib von ‑ beim Vorfall verwendeten ‑ Handschellen und zur Frage, zu welchem Zeitpunkt Personen aus dem Umfeld der Julia H***** eine Wesensveränderung an ihr feststellten, seien „aktenwidrig“, „unzureichend begründet“ oder „mangelhaft und zu wenig konkretisiert“, bezieht sich die Beschwerde durchwegs nicht auf für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage entscheidende Tatsachen, die aber alleine als Gegenstand einer Mängelrüge in Betracht kommen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 398 und 406).

Unter dem Aspekt solcherart unternommener Infragestellung der ‑ von den Tatrichtern im Wesentlichen aufgrund des (durch [auszugsweise] Vorführung der Ton- und Bildaufnahme über die kontradiktorische Vernehmung; ON 43 S 38) in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks und des aussagepsychologischen Gutachtens des Sachverständigen DDr. G***** bejahten (US 7 ff, 33 f) ‑ Glaubwürdigkeit der Zeugin Julia H***** wird eine entscheidende Tatsache ebenso wenig angesprochen. Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit stellen nichts anderes als eine erhebliche Tatsache dar, deren sachverhaltsmäßige Bejahung oder Verneinung in Zweifel zu ziehen auf eine Bekämpfung der Beweiswürdigung hinausläuft.

Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann jedoch unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Der Bezugspunkt einer solchen Kritik besteht aber nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (vgl zum Ganzen Ratz, WK-StPO § 281 Rz 430 ff).

Indem die Rüge ‑ der Sache nach ‑ unterlassene Erörterung (Z 5 zweiter Fall) von Widersprüchen innerhalb der Depositionen des Tatopfers oder zwischen diesen und den Angaben diverser Zeugen ausschließlich im Zusammenhang mit den oben angeführten Themen behauptet, verfehlt sie den dargestellten Bezugspunkt.

Im Übrigen haben sich die Tatrichter im Rahmen ihrer umfassenden Beweiswürdigung mit (nahezu) allen von der Beschwerde hervorgehobenen Verfahrensergebnissen auseinandergesetzt und jeweils ‑ den Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend ‑ ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen sie dennoch von der Verlässlichkeit der Aussage der Julia H***** in ihrem Kernbereich ausgingen (US 7 bis 33). Diese Ausführungen werden von der Rüge teils (prozessordnungswidrig) übergangen, teils auf Basis eigener Beweiswerterwägungen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung bekämpft.

Mit dem pauschalen Verweis auf das Vorbringen der ‑ wesensmäßig verschiedenen ‑ Mängelrüge, macht die Tatsachenrüge (Z 5a) einen Nichtigkeitsgrund nicht deutlich und bestimmt geltend (RIS‑Justiz RS0115902; vgl auch RS0116733).

Indem sie den Erwägungen der Tatrichter bloß eigene Auffassungen und allgemeine Überlegungen entgegenstellt, unterlässt sie die Bezugnahme auf konkrete Beweismittel (RIS-Justiz RS0117446). Soweit sie hinsichtlich einzelner Zeugenaussagen und der Verantwortung des Beschwerdeführers (teils unter Hervorhebung unerheblicher Details daraus) eine selbständige Einschätzung von deren Verlässlichkeit unternimmt und aus den umfassend erörterten Verfahrensergebnissen für ihren Standpunkt günstigere Schlüsse zieht als das Erstgericht, erschöpft sie sich ein weiteres Mal in einem unzulässigen Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (vgl zum Ganzen auch RIS‑Justiz RS0118780).

Die gegen die Annahme der Qualifikation nach § 201 Abs 2 erster Fall StGB gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) beschränkt sich auf die Behauptung, dass aufgrund des Vorlebens des Tatopfers (Selbstmordversuch, versuchte Vergewaltigung durch den Arbeitgeber und zwei andere Männer sowie Aufenthalte in „Jugendpsychiatrien“) die Kausalität des inkriminierten Täterverhaltens für den Eintritt der schweren Folge nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden könne, ignoriert dabei die (gegenteiligen) Urteilsannahmen (US 6, 32 f) und verfehlt solcherart den (auf der Sachverhaltsebene) gerade darin gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 581).

Entgegen dem ‑ der Sache nach erhobenen ‑ Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) dieser Konstatierung ist deren Ableitung (im Wesentlichen) aus dem für schlüssig und nachvollziehbar angesehenen Gutachten des jugendneuropsychiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. Ge***** (US 32 f) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (vgl dazu auch RIS-Justiz RS0099508, RS0119301, RS0098716).

Mit dem Hinweis auf die ‑ vom Sachverständigen und den Tatrichtern berücksichtigten (US 32 f; ON 22 S 40 ff; ON 35 S 8 ff) ‑ weiteren traumatischen Erlebnisse des Tatopfers in der Vergangenheit und der Behauptung, die Expertise sei zur Fundierung der kritisierten Feststellung nicht geeignet, weil der Gutachter nicht über den Selbstmordversuch des Tatopfers im Jahr 2008 oder 2010 informiert war (vgl dazu aber erneut US 32 f; ON 22 S 19), übersieht die Beschwerde, dass für die Zurechnung einer Erfolgsqualifikation (hier: § 201 Abs 2 erster Fall StGB) zu einer Tat grundsätzlich deren - vom Sachverständigen ausdrücklich bejahte (vgl erneut ON 35 S 8 f) ‑ Mitursächlichkeit (neben anderen Ursachen) genügt (SSt 61/1; 12 Os 190/10y; 15 Os 9/11d; RIS-Justiz RS0092036; Kienapfel/Höpfel/Kert AT14 Z 10 Rz 5; Burgstaller in WK² StGB § 80 Rz 68).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach ‑ ebenso wie die angemeldete (ON 43 S 41), im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich jedoch nicht vorgesehene Berufung wegen Schuld ‑ bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die gegen die Aussprüche über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche gerichtete Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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