Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Manfred R***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB in der Fassung BGBl I 1998/153, in einem Fall qualifiziert nach Abs 3 leg cit (I./), des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB in der Fassung BGBl 1989/242 (II./) und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses „nach § 212 Abs 1 StPO aF“ (III./) schuldig erkannt.
Danach hat er „zu nicht mehr genau feststellbaren Tatzeitpunkten im Frühsommer 1999 bis Sommer 2001 in O***** sowie an nicht näher bestimmten Orten in Italien
I./ in wiederholten, teils wöchentlichen Angriffen mit der am 2. April 1989 geborenen, sohin unmündigen Isabella R***** eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er sich von ihr an seinem Penis einen Mundverkehr, überwiegend bis zum Samenerguss in ihrem Mund durchführen ließ und in einem Fall seinen Finger in die Scheide einführte,
II./ in einem Fall mit Gewalt die unmündige Isabella R***** zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er den Kopf der bereits zurückgewichenen Isabella R***** mit den Händen umfasste und zu seinem entblößten Penis drückte und sie dergestalt zur Fortsetzung bzw Wiederaufnahme des Mundverkehrs zwang,
wobei 'die Taten zu I./ und II./' (richtig: eine Tat) eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) der Isabella R*****, nämlich eine belastungsabhängige Anpassungsstörung F 43.2 über einen Zeitraum von länger als 24 Tagen zur Folge hatten;
III./ durch die zu I./ beschriebenen Tathandlungen seine minderjährige leibliche Tochter Isabella R***** zur Unzucht missbraucht.“
Gegen die Annahme der Qualifikation nach § 206 Abs 3 StGB sowie gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens der Vergewaltigung (II./) richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie verfehlt ihr Ziel.
Rechtliche Beurteilung
In der Hauptverhandlung am 28. September 2010 beantragte der Beschwerdeführer die „Erörterung“ von Befund und Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen Dr. Karin T***** dahingehend, dass die befassten Psychotherapeuten zu den Gründen des jeweiligen Abbruchs der teilweise sehr erfolgreichen Therapien befragt und die entsprechenden Behandlungsunterlagen zum Beweis dafür eingeholt werden, dass bei Einhaltung der therapeutischen Anweisungen und Beibehaltung einer erfolgreichen Psychotherapie eine ihm zuzurechnende Anpassungsstörung nicht eingetreten wäre (ON 19 S 31 f). Nach Abweisung dieses Begehrens führte der Verteidiger unter Hinweis darauf, der Angeklagte habe durch sein Verhalten ausgelöste psychologische Einbrüche bei seiner Tochter eingeräumt, jedoch zu keinem Zeitpunkt Folgen im Sinn einer Qualifikation nach § 84 StGB zugestanden, ergänzend aus, aus den einzuholenden Unterlagen werde sich ergeben, dass die jeweiligen Therapien von Isabella R***** nach ihrem 14. Lebensjahr entgegen fachlichem Rat unbegründet abgebrochen wurden, bei deren Fortsetzung eine kausale Anpassungsstörung aber zur Gänze unterblieben wäre und damit auch keine Mitkausalität vorliege (ON 19 S 33 f).
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider durfte das Erstgericht dieses Begehren ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abweisen (ON 19 S 33, 35 f).
Die angestrebte Erhebung der für den Abbruch der jeweiligen Therapien maßgeblichen Gründe und des Inhalts der dem Tatopfer erteilten ärztlichen Empfehlungen stuften die Tatrichter zutreffend als im Stadium der Hauptverhandlung unzulässige Erkundungsbeweisführung ein.
Angesichts dessen, dass laut Ausführungen der psychiatrischen Sachverständigen die psychische Gesundheitsstörung des Tatopfers durch die zahlreichen, sich über rund zwei Jahre erstreckenden, therapeutische Maßnahmen erst erfordernden Tathandlungen des Angeklagten zumindest mitverursacht wurde (ON 13 S 37) und die im vorliegenden Fall zwar häufigen Therapiewechsel, auch in Anbetracht des Entwicklungsstadiums der Isabella R*****, keineswegs unüblich sind (ON 19 S 29 f), legt der Beweisantrag nicht dar, weshalb selbst unbegründet und entgegen ärztlicher Empfehlung erfolgte Therapieabbrüche eine für die Erfolgszurechnung ausreichende Mitkausalität des Tatgeschehens (vgl 12 Os 190/10y mwN) ausschließen oder einen völlig außerhalb der gewöhnlichen Erfahrung gelegenen atypischen Kausalverlauf (vgl RIS-Justiz RS0088955; Kienapfel/Höpfel AT13 Z 25 RN 28 ff, Z 27 RN 2) begründen sollten.
Die in der Beschwerde zur Fundierung des Antrags nachgetragenen Erwägungen zu einer anderen Entwicklung des Opfers bei konsequenter Einhaltung der Therapie und zum Risikozusammenhang sind prozessual verspätet und somit unbeachtlich, weil die Berechtigung eines Antrags stets auf den Antragszeitpunkt bezogen zu prüfen ist (RIS-Justiz RS0099618; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).
Gestützt auf isoliert herausgegriffene Passagen der Aussage der Zeugin Isabella R***** vor der Polizei und in der kontradiktorischen Vernehmung behauptet die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) das stillschweigende Übergehen von Aussagen des Opfers, die gegen die letztlich angenommene einmalige Anwendung von Gewalt anlässlich der Durchführung eines Oralverkehrs sprächen.
Dabei lässt der Nichtigkeitswerber den Gesamtzusammenhang der Aussagen außer Betracht und negiert im Besonderen, dass Isabella R***** im Zuge der polizeilichen Vernehmung vom 4. November 2009 neben der vorerst behaupteten und von der Beschwerde aus dem Kontext gelösten fehlenden Erinnerung an Zwang oder Gewaltanwendung durch ihren Vater anlässlich der sexuellen Handlungen (ON 2 S 45) über Nachfrage präzisierte, sich nicht an „aktive Gewalt wie Schläge, Drohungen etc“ (ON 2 S 49) zu erinnern, bzw es sei „bei den Abläufen keine solche handgreifliche Gewalt angewendet“ worden, dass sie „dadurch Verletzungen erlitten hätte“ (ON 2 S 51), gleichzeitig aber auch auf ein wiederholtes Festhalten durch den Vater an den Haaren und am Kopf anlässlich der Durchführung des Oralverkehrs verwies, das ihr ein Ausweichen unmöglich gemacht hätte; entsprechende Versuche, sich zu wehren oder auszuweichen hätten gegenüber dem „viel stärkeren“ Angeklagten nichts genützt (ON 2 S 51). Da die Zeugin diese Depositionen auch in der kontradiktorischen Vernehmung für richtig erklärte (ON 10 S 3), die Ausführungen zum Halten an den Haaren und zur Ausübung von Druck wiederholte (ON 10 S 21) und angab, dieser habe dazu gedient, sie, wenn sie sich während eines Oralverkehrs mit dem Kopf vom Penis des Angeklagten entfernte, wieder zu diesem hinzudrücken und mit der oralen Befriedigung fortzufahren (ON 10 S 31 f), ist der Hinweis der Tatrichter auf die überzeugenden Angaben des Opfers in der kontradiktorischen Vernehmung unter dem Gesichtspunkt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden. Soweit die Zeugin letztlich behauptete, sie könne sich an ein einmaliges Festhalten im Zuge eines Oralverkehrs erinnern (ON 10 S 37), steht dies in keinem Widerspruch zu der - im Zweifel zu Gunsten des Angeklagten getroffenen - Annahme einer bloß einmaligen Ausübung solcher Gewalt, die ihrer Intensität nach geeignet war, geleisteten Widerstand des Opfers zu brechen.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst Feststellungen zur Intensität der angewendeten Gewalt, übergeht damit jedoch die Konstatierungen auf US 6 vorletzter Absatz und US 13 vorletzter Absatz.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Anknüpfungspunkt des nach dem zweiten Satz des § 61 StGB vorzunehmenden Günstigkeitsvergleichs ist die Tat, also der im Urteil festgestellte Lebenssachverhalt. Dabei wird die Anordnung, zu prüfen, ob die Gesetze, die im Tatzeitpunkt gegolten haben, für den Täter „in ihrer Gesamtauswirkung“ nicht günstiger waren als die jeweils aktuellen, einhellig dahin verstanden, dass eine Kombination aus den in Rede stehenden Rechtsschichten unzulässig ist. Dies hat zur Folge, dass auch im Fall der Idealkonkurrenz eine solche Kombination nicht möglich ist, somit der zu beurteilende Lebenssachverhalt - nach Maßgabe des § 61 zweiter Satz StGB - entweder dem Urteilszeit- oder dem Tatzeitrecht zu unterstellen ist (14 Os 129/10t mwN).
Ein Schuldspruch wegen § 206 Abs 1 StGB in der Fassung BGBl I 1998/153 erfolgte daher nur hinsichtlich jener einzelnen Tathandlung, die unter Punkt II./ auch zu einem Schuldspruch wegen Vergewaltigung nach der gegenüber der geltenden Gesetzeslage günstigeren, im Tatzeitpunkt geltenden Bestimmung des § 201 Abs 2 StGB in der Fassung BGBl 1989/242 führte, zu Recht.
Die über die oben genannte einzelne Tathandlung hinausgehenden von Schuldspruchpunkt I./ und III./ erfassten Vorfälle wären jedoch unter die gleich günstige Bestimmung des § 206 Abs 1 StGB in der (geltenden) Fassung des BGBl I 2001/130 (zu 1.1) und die bezughabenden von Punkt III./ erfassten Tathandlungen unter die gleich günstige Bestimmung des § 212 in der (geltenden) Fassung des BGBl I 2006/56 zu subsumieren gewesen.
Mangels Nachteils für den Angeklagten bot dies jedoch keinen Anlass für ein Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)