OGH 14Os100/11d

OGH14Os100/11d13.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Steinbichler als Schriftführerin in den Strafsachen gegen Christian K***** wegen des Vergehens nach § 1 NotzeichenG, AZ 066 Hv 1/10i, sowie wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 043 Hv 159/10f jeweils des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen die Urteile dieses Gerichts vom 8. Februar 2010, GZ 066 Hv 1/10i‑69, und vom 23. Dezember 2010, GZ 043 Hv 159/10f‑41, und mehrere Vorgänge erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Fürnkranz, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Folgende Entscheidungen und Vorgänge verletzen das Gesetz:

(1) im Verfahren AZ 066 Hv 1/10i des Landesgerichts für Strafsachen Wien

a) das Urteil vom 8. Februar 2010

aa) in seinem Schuldspruch § 1 NotzeichenG und § 270 Abs 4 Z 1 StPO;

bb) im Zuspruch von 565,68 Euro an die Bundespolizeidirektion Wien §§ 366 Abs 2 erster Satz und 369 Abs 1 StPO;

b) die Unterlassung der Zurückweisung der Erklärung des Polizeikommissariats Favoriten, sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter mit einem Betrag von 565,68 Euro anzuschließen, § 67 Abs 4 Z 1 und Abs 5 StPO;

(2) im Verfahren AZ 043 Hv 159/10f

a) das Urteil vom 23. Dezember 2010

aa) im Schuldspruch I/1 wegen des Vergehens nach § 1 NotzeichenG diese Bestimmung;

bb) im Zuspruch von 126,74 Euro an das Polizeikommissariat Favoriten §§ 366 Abs 2 erster Satz und 369 Abs 1 StPO;

b) die Unterlassung der Zurückweisung der Erklärung des Polizeikommissariats Favoriten, sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter mit einem Betrag von 126,74 Euro anzuschließen, § 67 Abs 4 Z 1 und Abs 5 StPO;

c) die Unterlassung der Vernehmung des Angeklagten über diesen Anspruch in der Hauptverhandlung trotz meritorischer Entscheidung darüber § 245 Abs 1a StPO iVm § 488 Abs 1 erster Satz StPO;

Gemäß § 292 letzter Satz StPO werden

(1) das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. Februar 2010, GZ 066 Hv 1/10i‑69, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch, im Strafausspruch, im Adhäsionserkenntnis sowie der gemeinsam mit dem Urteil gefasste Beschluss nach § 494a StPO aufgehoben, der Privatbeteiligtenanschluss der Bundespolizeidirektion Wien (des Polizeikommissariats Favoriten) gemäß § 67 Abs 4 Z 1 StPO zurückgewiesen und die Sache im verbleibenden Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen;

(2) das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. Dezember 2010, GZ 043 Hv 159/10f-41, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu I/1 ersatzlos, im Strafausspruch, im Adhäsionserkenntnis sowie der gemeinsam mit dem Urteil gefasste Beschluss nach § 494a StPO aufgehoben, der Privatbeteiligtenanschluss des Polizeikommissariats Favoriten gemäß § 67 Abs 4 Z 1 StPO zurückgewiesen und die Sache im verbleibenden Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit seiner gegen das letztgenannte Urteil erhobenen Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Christian K***** wurde mit (gekürzt ausgefertigtem) Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. Februar 2010, GZ 066 Hv 1/10i‑69, des Vergehens nach § 1 NotzeichenG schuldig erkannt, weil er „in Wien am 24. Mai 2009 durch die wahrheitswidrige telefonische Meldung gegenüber dem Polizeinotruf, in der Wohnung 1100 Wien, S*****gasse *****, sei nach heftigem Streit eine Schussabgabe erfolgt, vorsätzlich ein in den Verkehrsvorschriften festgesetztes Notzeichen missbraucht“ habe.

Gleichzeitig wurde „gemäß § 369 Abs 1 StPO“ „der BPD Wien als Privatbeteiligte ein Betrag von 565,68 Euro zugesprochen.“

Das Polizeikommissariat Favoriten hatte sich dem Verfahren mit Schreiben vom 13. November 2009 „mit einer Schadenssumme von 565,68 Euro“ für durch „den Einsatz bzw der Intervention von Exekutivbediensteten“ entstandene „Kosten, welche sich aus dem Zeitaufwand ergeben“, als Privatbeteiligte angeschlossen (ON 47 S 11; vgl auch ON 31 S 31 f).

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. Dezember 2010, GZ 043 Hv 159/10f-41, wurde Christian K***** erneut des Vergehens nach § 1 NotzeichenG (I/1) und zudem des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 letzter Fall StGB (I/2) schuldig erkannt.

Danach hat er am 17. Mai 2010 in Wien

I/1) vorsätzlich durch eine falsche Notmeldung den Dienst einer der Rettung bei Unfällen dienenden Einrichtung in Anspruch genommen, indem er den Polizeinotruf anrief und wahrheitswidrig angab, nach einem Streit mit seiner Lebensgefährtin Tamara S***** von dieser durch einen 15 cm langen Schnitt mit einem Messer am Rücken verletzt worden zu sein;

I/2) durch die unter Punkt 1 geschilderte Tat Tamara S***** einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, nämlich des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB wissentlich falsch verdächtigt und so der Gefahr der behördlichen Verfolgung ausgesetzt.

Gemäß „§ 366 Abs 2 erster Satz StPO iVm § 369 StPO“ wurde dem Privatbeteiligten „PK Favoriten“ ein Betrag von 126,74 Euro zuerkannt.

Das Polizeikommissariat Favoriten hatte auch in diesem Verfahren seinen Privatbeteiligtenanschluss erklärt und dazu ‑ unter Hinweis auf die gesetzlichen Grundlagen für die Berechnung der Personalkosten „unter Berücksichtigung der jeweiligen Verwendungsgruppe aller Einsatzkräfte“ ‑ neuerlich ausgeführt, der begehrte Betrag von 126,74 Euro ergebe sich aus der Anzahl und dem Zeitaufwand der am Einsatz „bzw der Intervention“ beteiligten Exekutivbediensteten (ON 2 S 73).

Über die gegen das letztgenannte Urteil erhobene Berufung des Angeklagten gegen den Ausspruch über die Strafe (ON 40 S 10 und ON 49) und seine Beschwerde (§ 498 Abs 3 dritter Satz StPO) wurde noch nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes im Ergebnis zutreffend ausführt, wurde in den genannten Verfahren das Gesetz in mehrfacher Hinsicht verletzt:

(1) Nach § 270 Abs 4 Z 1 StPO hat eine ‑ unter den in § 270 Abs 4 StPO erwähnten, im Verfahren AZ 066 Hv 1/10i‑69 des Landesgerichts für Strafsachen Wien vorgelegenen Voraussetzungen zulässige ‑ gekürzte Urteilsausfertigung die in § 270 Abs 2 StPO genannten Angaben (also auch die Inhaltserfordernisse nach § 260 StPO) mit Ausnahme der Entscheidungsgründe zu enthalten. Im Urteilstenor, der bei Fehlen der Entscheidungsgründe, demnach im Fall einer nach § 270 Abs 4 StPO gekürzten Urteilsausfertigung, diese als Bezugspunkt für die materiellrechtliche Beurteilung ersetzt, ist sohin auszusprechen, welcher Tat der Angeklagte schuldig befunden worden ist, und zwar unter ausdrücklicher Bezeichnung der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände, worunter nichts anderes zu verstehen ist als die für die Subsumtion entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO; vgl zuletzt 14 Os 112/10t; 14 Os 75/11b [14 Os 76/11z, 14 Os 77/11x je mwN]), welchen Anforderungen die in Rede stehende Entscheidung nicht entspricht.

§ 1 NotzeichenG enthält zwei Deliktsfälle, nämlich den Missbrauch eines in den Verkehrsvorschriften festgesetzten Notzeichens und die Inanspruchnahme des Dienstes der Feuerwehr oder einer anderen der Rettung bei Unfällen dienenden Einrichtung durch eine falsche Notmeldung.

Notzeichen sind „Zeichen aller Art“, die nach den Verkehrsvorschriften als Notzeichen gelten, solche Zeichen also, die dazu bestimmt sind, auf unmittelbar drohende Gefahren hinzuweisen (vgl dazu Leukauf/Steininger, Nebengesetze² § 1 NotzeichenG Anm A; 12 Os 125/03; ErläutRV 306 BlgNR 3. GP 1 f; AB 308 BlgNR 3. GP), worunter der Polizeinotruf ‑ entgegen der solcherart verfehlten Auffassung des Landesgerichts für Strafsachen Wien ‑ nicht fällt.

Der zweite Deliktsfall schützt Einrichtungen, die zur Rettung von Menschen bei Unfällen (oder einer Gemeingefahr; vgl Leukauf/Steininger NebenG² § 1 NotzeichenG Anm A) dienen.

Zur ersten Abhilfe einer gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Gefährdung von Leben, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum von Menschen ist aber ‑ selbst wenn die Abwehr der betreffenden Gefahr an sich in die Zuständigkeit einer anderen Behörde fällt ‑ auch die Sicherheitsbehörde (im Rahmen der Sicherheitspolizei; vgl Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht³ Rz 273) nicht nur ermächtigt (Art 78a Abs 2 B-VG; Mayer, B-VG4, Art 78a B‑VG II), sondern ‑ in den Fällen des § 19 Abs 1 SPG ‑ vielmehr zur „ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht“ verpflichtet. Sie hat ‑ soweit hier wesentlich ‑ bei begründeter entsprechender Annahme einer derartigen Gefährdung unverzüglich festzustellen, ob eine solche tatsächlich besteht, sodann die Gefahrenquelle festzustellen, die zuständige Behörde, die Rettung oder die Feuerwehr zu verständigen und bis zu deren Einschreiten alles zur Abwehr der Gefahr Erforderliche zu unternehmen (§ 19 Abs 2 bis 4 SPG), womit sie insoweit als eine der Rettung bei Unfällen dienende Einrichtung anzusehen ist.

Handelt der Täter, der via Polizeinotruf eine falsche Notmeldung in Bezug auf eine Gefährdung im eben dargelegten Sinn erstattet, mit dem Vorsatz, den Dienst der Sicherheitsbehörde im Rahmen ihrer solcherart bestehenden Verpflichtung als eine der Rettung bei Unfällen oder einer Gemeingefahr dienende Einrichtung in Anspruch zu nehmen, kommt demnach ‑ auch dem aus den Materialien hervorgehenden Regelungszweck dieser Bestimmung (der Sanktionierung von falschen Notmeldungen, durch die aufgrund des dadurch ausgelösten Einsatzes an anderer Stelle dringend benötigte Kräfte gebunden werden; vgl erneut ErläutRV 306 BlgNR 3. GP 2) entsprechend ‑ eine Subsumtion dieses Verhaltens unter § 1 zweiter Fall NotzeichenG in Betracht (vgl Keplinger/Sadoghi, Strafrechtliche Nebengesetze³ § 1 NotzeichenG Anm 2; aM Leukauf/Steininger NebenG² § 1 NotzeichenG Anm A unter Bezugnahme auf Glassl, Der Missbrauch von Notzeichen und Notmeldungen, ZVR 1963, 312). Dafür ‑ sowie für eine nach dem inkriminierten Sachverhalt ebenso mögliche rechtliche Beurteilung als Vergehen der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung (nämlich eines ‑ wenn auch noch nicht konkretisierten ‑ Delikts gegen Leib oder Leben [§ 107 StGB, §§ 75 f StGB, §§ 83 ff StGB]; vgl zu den Anforderungen an die vorgetäuschte Tat zu der ‑ insoweit vergleichbaren ‑ Bestimmung des § 297 StGB RIS-Justiz RS0096520, RS0096521) nach § 298 Abs 1 StGB ‑ aber fehlt es der angefochtenen Entscheidung an Feststellungen, insbesonders zur subjektiven Tatseite.

(2) Zufolge der in § 1 NotzeichenG ausdrücklich normierten Subsidiarität („wenn die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung strenger strafbar ist“; vgl Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 28-31 Rz 38 f) steht der mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. Dezember 2010, GZ 043 E Hv 159/10f‑41, ergangene Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 1 zweiter Fall NotzeichenG trotz gleichzeitiger Verurteilung wegen des durch die Falschmeldung begangenen, mit höherer Strafdrohung bewehrten Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB ebenso nicht im Einklang mit dem Gesetz.

(3) Der Polizeieinsatz wurde in beiden hier gegenständlichen Fällen durch die wahrheitswidrige Anzeige einer mit Strafe bedrohten Handlung (einerseits eines durch unbekannte Täter begangenen Delikts gegen Leib oder Leben oder gegen die Freiheit durch Schussabgabe nach einem „heftigen Streit“ und andererseits eines durch Tamara S***** begangenen Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB) ausgelöst. Die einschreitenden Organe der Sicherheitsbehörde hatten daher den Verdacht einer Straftat aufzuklären (vgl § 1 Abs 2 StPO) und handelten solcherart (soweit nicht ohnehin die Subsidiaritätsvorschrift des § 22 Abs 3 zweiter Satz SPG zum Tragen kommt) jedenfalls auch im Dienst der Strafrechtspflege (§ 18 Abs 1 und Abs 2 StPO; vgl SSt 52/46 betreffend Ermittlungen wegen ‑ letztlich ‑ § 298 StGB; 11 Os 98/79; 16 Os 46/89).

Wenn und soweit kriminalpolizeiliche Agenden in Rede stehen, werden aber Haftungsfragen in Betreff dadurch entstandener Aufwendungen in der Strafprozessordnung abschließend geregelt. Aus einem Tätigwerden ausschließlich außerhalb der Aufgaben der Strafrechtspflege resultierende Aufwendungen und Ersatzansprüche wurden aber nicht geltend gemacht.

Kosten der Ermittlungen der Kriminalpolizei zählen zu den in § 381 Abs 1 StPO erschöpfend aufgezählten Kosten des Strafverfahrens, die ‑ soweit sich aus besonderen gesetzlichen Vorschriften nichts anderes ergibt ‑ vom Bund vorgeschossen (Abs 2) und sodann durch einen nach § 381 Abs 3 und Abs 5 StPO zu bestimmenden Pauschalbeitrag als Anteil an den „im Folgenden nicht besonders angeführten“ Kosten des Strafverfahrens abgegolten werden (Z 1), zu deren Ersatz ‑ soweit hier wesentlich ‑ der nach § 389 Abs 1 StPO hiezu verpflichtete Verurteilte oder ‑ im Fall der Verfahrensbeendigung ohne Schuldspruch ‑ derjenige verhalten ist, der durch eine wissentlich falsche Anzeige ein Strafverfahren veranlasst hat (§ 390 Abs 4 StPO; vgl zu Umfang und Voraussetzungen des Entstehens einer solchen Kostenersatzpflicht Lendl, WK-StPO § 390 Rz 21 ff).

Der Anspruch des Staates auf Ersatz der Kosten des Strafverfahrens aber ist öffentlich-rechtlicher Natur, dessen Geltendmachung im Adhäsionsverfahren daher unzulässig (Spenling, WK-StPO Vor §§ 366 bis 379 Rz 29 mwN).

Die in den in Rede stehenden Verfahren ungeachtet dieser Umstände abgegebenen Anschlusserklärungen der Bundespolizeidirektion Wien bzw des Polizeikommissariats Favoriten hätten demnach gemäß § 67 Abs 4 Z 1 StPO, und zwar möglichst frühzeitig (vgl § 67 Abs 5 StPO; 14 Os 30/09g; 12 Os 115/10v; Fabrizy StPO11 § 67 Rz 9, 12; zum Ganzen: Spenling, WK-StPO Vor §§ 366 - 379 Rz 53 ff) als offensichtlich unberechtigt zurückgewiesen werden müssen.

Sohin entsprachen die Unterlassung der Zurückweisung der Anschlusserklärungen und der spätere Zuspruch von Schadenersatz ‑ zudem nicht an die Republik Österreich, sondern an einzelne Behörden ohne Rechtspersönlichkeit und Parteifähigkeit (RIS-Justiz RS0035171; Schubert in Fasching/Konecny² II 1 Vor § 1 ZPO Rz 52; Spenling, WK-StPO Vor §§ 366 bis 379 Rz 14 sowie [zu einer möglichen Richtigstellung der Parteibezeichnung:] Rz 10; SSt 52/46), nämlich ‑ an die Bundespolizeidirektion Wien im Urteil vom 8. Februar 2010, GZ 66 E Hv 1/10i-69, sowie an das Polizeikommissariat Favoriten im Urteil vom 23. Dezember 2010, GZ 43 Hv 159/10f-41, nicht dem Gesetz.

Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass ein für den Schadenersatzanspruch notwendiger Verursachungszusammenhang zwischen den dem Verurteilten zur Last gelegten Tathandlungen und dem Entstehen der Personalkosten für die „am Einsatz beteiligten Exekutivbediensteten“ hier gar nicht behauptet wurde.

(4) Zufolge § 245 Abs 1a StPO (hier iVm § 488 Abs 1 erster Satz StPO) ist der Angeklagte in der Hauptverhandlung auch über die gegen ihn erhobenen privatrechtlichen Ansprüche zu vernehmen und zur Erklärung aufzufordern, ob und in welchem Umfang er diese anerkennt. Bei dieser Vernehmung handelt es sich um ein der Gewährleistung des beiderseitigen rechtlichen Gehörs dienendes Erfordernis, ohne dessen Beachtung ein Zuspruch an den Privatbeteiligten nicht erfolgen darf (RIS-Justiz RS0101197 und RS0101178; 12 Os 156/10y; Kirchbacher, WK‑StPO § 245 Rz 23; Spenling, WK-StPO Vor §§ 366 - 379 Rz 11). Daher verletzt der ohne diese Vernehmung (die dem Angeklagten abverlangte Erklärung bezog sich ausschließlich auf die von der Privatbeteiligten Tamara S***** geltend gemachten Ansprüche; vgl ON 28 S 39) erfolgte Zuspruch an das Polizeikommissariat Favoriten und die Bundespolizeidirektion Wien (§ 369 Abs 1 StPO) auch aus diesem Grund das Gesetz.

(5) Da die aufgezeigten Gesetzesverletzungen zum Nachteil des Verurteilten wirken, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellungen wie aus dem Spruch des Urteils ersichtlich mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO). Die von den kassierten Urteilen rechtslogisch abhängigen Verfügungen gelten damit gleichermaßen als beseitigt (RIS-Justiz RS0100444).

Mit seiner gegen den Ausspruch über die Strafe gerichteten Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. Dezember 2010, GZ 043 Hv 159/10f‑41, und seiner Beschwerde gegen den gemeinsam gefassten Beschluss nach § 494a StPO (§ 498 Abs 3 dritter Satz StPO) war der Angeklagte auf die Kassation des Strafausspruchs zu verweisen.

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