Spruch:
Im Strafverfahren AZ 28 U 281/09s des Bezirksgerichts Salzburg verletzen das Gesetz
1./ das Urteil vom 10. Dezember 2009 (ON 28)
a./ in den Schuldsprüchen betreffend den Angeklagten Patrick H***** zu 1./a./ und 2./ in § 29 StGB,
b./ in dem ohne Anhörung der Angeklagten und deren gesetzlichen Vertreter ergangenen Zuspruch von 820 Euro an die Privatbeteiligte Melanie G***** in §§ 245 Abs 1a, 369 Abs 1 StPO und § 38 Abs 1 JGG,
c./ im Unterbleiben eines Teilfreispruchs der Angeklagten vom Vorwurf, am 27. Juni 2009 inW***** das Moped der Melanie G***** durch unsachgemäßes Zerlegen in mehrere Teile vorsätzlich beschädigt zu haben, in § 259 Z 3 StPO;
2./ der Beschluss vom 10. Dezember 2009 (ON 28) im Umfang des Absehens vom Widerruf der bedingten Entlassung zu AZ 48 BE 31/09a des Landesgerichts Salzburg hinsichtlich des Angeklagten Patrick H***** in § 494a Abs 1 StPO;
3./ der Vorgang, dass der Angeklagte Patrick H***** und dessen gesetzliche Vertreterin vor der Entscheidung gemäß § 494a Abs 1 StPO betreffend die zu AZ 41 Hv 227/08a des Landesgerichts Salzburg gewährte bedingte Strafnachsicht nicht gehört wurden, in §§ 494a Abs 3 StPO, 38 Abs 1 JGG;
4./ der unvollständige Vermerk im Hauptverhandlungsprotokoll über den Inhalt des am 10. Dezember 2009 verkündeten Urteils in § 271 Abs 1 Z 1 iVm § 447 StPO und die unterbliebene Protokollierung des betreffend den Angeklagten Patrick H***** gemäß § 494a Abs 4 StPO gemeinsam mit dem Urteil ergangenen Beschlusses auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsicht zu AZ 41 Hv 227/08a und AZ 48 BE 31/09a (hier richtig: bedingter Entlassung), jeweils des Landesgerichts Salzburg, gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO in § 271 Abs 1 Z 4 iVm § 447 StPO.
Das Urteil (ON 28), das im Übrigen unberührt bleibt, wird in seinem Adhäsionserkenntnis aufgehoben.
Die Erklärung der Melanie G*****, sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte anzuschließen, wird zurückgewiesen.
Die Akten werden dem Landesgericht Salzburg zur Entscheidung über die Berufung des Patrick H***** übermittelt.
Text
Gründe:
Mit Strafantrag vom 4. August 2009 legte die Staatsanwaltschaft Salzburg im Verfahren AZ 28 U 281/09s des Bezirksgerichts Salzburg dem am 5. April 1992 geborenen (damals) Jugendlichen Peter S*****, dem am 29. Jänner 1993 geborenen Jugendlichen Patrick H***** und dem am 6. April 1992 geborenen (damals) Jugendlichen Dominik K***** die am 27. Juni 2009 verübten Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB (1./), der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (2./) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 (erg: Abs 1) StGB (3./) zur Last (ON 3). Gegen den Angeklagten Patrick H***** erhob sie am 11. August 2009 Strafantrag wegen des am 28. Juni 2009 begangenen Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (ON 5 in ON 4).
In der Hauptverhandlung vom 10. November 2009 wurde das Verfahren gegen den bei Aufruf der Sache nicht erschienenen Dominik K***** zur Vermeidung von Verzögerungen ausgeschieden (ON 19 S 2). Nach Vernehmung der Angeklagten S***** und H***** wurde das Verfahren gegen den Letztgenannten, der ebenso wenig wie seine gesetzliche Vertreterin zu den privatrechtlichen Ansprüchen gehört worden war, zur Beischaffung des Verhandlungsergebnisses des Amtsgerichts Laufen ausgeschieden und die Hauptverhandlung betreffend den Angeklagten H***** auf den 10. Dezember 2009 vertagt. Der Angeklagte H*****, dessen gesetzliche Vertreterin und sein Bewährungshelfer nahmen den Termin unter Ladungsverzicht zur Kenntnis (ON 19 S 6 oben).
Während der nur mehr gegen den Angeklagten S***** weitergeführten Hauptverhandlung erschien - ohne gesetzlichen Vertreter - Dominik K***** (ON 19 S 7). Obwohl dessen Verfahren nicht („wieder“-)einbezogen worden war, beteiligte er sich an Vergleichsgesprächen mit der Geschädigten Melanie G*****.
Die Genannte, die sich dem Verfahren schon vor der Polizei als Privatbeteiligte angeschlossen hatte (ON 2 S 18), bezifferte im Rahmen dieser Vergleichsgespräche ihren Schaden mit 820 Euro (ON 19 S 7 letzter Absatz). Anschließend erklärte Dominik K***** in Abwesenheit seines gesetzlichen Vertreters, „dass er diese Lösung (gemeint: 'Schadenswiedergutmachung gemeinsam mit dem Angeklagten S*****') mittragen würde“ (ON 19 S 7 unten).
Hierauf wurde dem Angeklagten S***** - verfehlt in Beschlussform (vgl RIS-Justiz RS0119662) - das Angebot der Verfahrenseinstellung „iSd § 200 StPO“ bei Überweisung des Schadenersatzbetrags von 820 Euro auf das Konto der Melanie G***** bis 10. Dezember 2009 und Zahlung einer Geldbuße von 200 Euro bis längstens 15. Jänner 2010 gemacht (ON 19 S 9). Die Geschädigte erklärte, sich „für den Fall, dass der Schaden nicht bezahlt würde“, dem Verfahren mit 820 Euro als Privatbeteiligte anzuschließen (ON 19/S 9 unten).
In der nachfolgenden Hauptverhandlung vom 10. Dezember 2009 wurden weder die Angeklagten H***** und K***** noch deren gesetzliche Vertreter zu den privatrechtlichen Ansprüchen gehört (ON 27).
Ebenso wenig fand eine Anhörung des Angeklagten H***** und seiner gesetzlichen Vertreterin vor der Entscheidung gemäß § 494a Abs 1 StPO betreffend die im Verfahren AZ 41 Hv 227/08a des Landesgerichts Salzburg gewährte bedingte Strafnachsicht statt.
Am Schluss der Hauptverhandlung verkündete der Bezirksrichter das Urteil „wie ON 28“ (ON 27 S 4).
Nach der schriftlichen Urteilsausfertigung wurden Patrick H***** und Dominik K***** der Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB (1./a./) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (1./b./) sowie der Angeklagte H***** zudem des weiteren Vergehens des Diebstahls (zu ergänzen: nach § 127 StGB) schuldig erkannt und hiefür der Angeklagte H***** zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von einem Monat und der Angeklagte K***** zu einer (Zusatz-)Geldstrafe verurteilt (ON 28).
Inhaltlich des Schuldspruchs haben Patrick H***** und Dominik K*****, soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz,
1./ am 27. Juni 2009 in W***** „gemeinsam und gemeinsam mit einem anderen abgesondert verfolgten Täter“
a./ eine fremde bewegliche Sache, nämlich ein Moped, der Melanie G***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, und
b./ ...
2./ am 28. Juni 2009 in Salzburg Patrick H***** alleine eine fremde bewegliche Sache, nämlich ein Fahrrad im Wert von etwa 100 Euro, einem Unbekannten mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Eine Entscheidung über den gegen die Angeklagten H***** und K***** wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB erhobenen Anklagevorwurf (Strafantrag ON 3, Punkt 2), am 27. Juni 2009 in W***** das „gestohlene Moped“ (gemeint: das zu 1./ bezeichnete Moped) durch unsachgemäßes Zerlegen in mehrere Teile vorsätzlich beschädigt zu haben, ist dem Urteilstenor nicht zu entnehmen (vgl aber ON 28 S 9 dritter Absatz).
Gemäß § 369 Abs 1 StPO wurden beide Angeklagten „zur gesamten Hand“ zur Bezahlung des Schadenersatzbetrags von 820 Euro an Melanie G***** verpflichtet.
Der schriftlichen Urteilsausfertigung zufolge fasste der Bezirksrichter zudem den - im Hauptverhandlungsprotokoll nicht enthaltenen - Beschluss, gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO beim Angeklagten H***** vom Widerruf bedingter Strafnachsicht zu AZ 41 Hv 227/08a und AZ 48 BE 31/09a (hier richtig: bedingter Entlassung), jeweils des Landesgerichts Salzburg, abzusehen.
Während der Angeklagte K***** und dessen gesetzlicher Vertreter Rechtsmittelverzicht erklärten, nahmen der Angeklagte H***** und dessen gesetzliche Vertreterin drei Tage Bedenkzeit (ON 27/S 4).
Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2009 meldete der Angeklagte Patrick H***** fristgerecht Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe an (ON 29). Die Berufung wurde nicht ausgeführt. Das Rechtsmittelverfahren ist derzeit beim Landesgericht Salzburg zu AZ 43 Bl 70/10x anhängig.
Am 14. Jänner 2010 langte beim Bezirksgericht die Mitteilung der Melanie G***** über die vollständige Schadensgutmachung ein (ON 31).
Das Verfahren gegen den Angeklagten S***** wurde mit Beschluss vom 12. Februar 2010 (nach der Chronologie des AB-Bogens vermutlich richtig: 22. Februar 2010) „gemäß § 200 StPO“ eingestellt (ON 1/S 3a verso).
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, wurde im Verfahren AZ 28 U 281/09s des Bezirksgerichts Salzburg das Gesetz in mehrfacher Hinsicht verletzt:
1./a./ Nach dem Zusammenrechnungsprinzip des § 29 StGB bilden alle in einem Verfahren demselben Täter angelasteten Diebstähle, mögen sie weder örtlich noch zeitlich zusammenhängen oder jeder für sich rechtlich verschiedener Art sein, bei der rechtlichen Beurteilung eine Subsumtionseinheit. Die getrennte Annahme zweier Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB bei Patrick H***** (Schuldsprüche 1./a./ und 2./) war sohin unzulässig (RIS-Justiz RS0114927).
Vorliegend hat sich die Missachtung der Bestimmung des § 29 StGB nicht nachteilig für den Angeklagten H***** ausgewirkt, weil die vom Bezirksgericht als aggravierend gewertete Strafzumessungstatsache der neuerlichen Deliktsbegehung am Tag nach der ersten Tat (ON 28 S 11) bei rechtsrichtiger Bildung einer Subsumtionseinheit als Erschwerungsgrund der Tatwiederholung (§ 33 Z 1 StGB) ins Kalkül zu ziehen gewesen wäre (RIS-Justiz RS0114927 [T6]).
1./b./ Nach der gemäß § 447 StPO und § 31 JGG auch im bezirksgerichtlichen Jugendstrafverfahren geltenden Bestimmung des § 245 Abs 1a StPO ist der Angeklagte auch über die gegen ihn erhobenen privatrechtlichen Ansprüche zu vernehmen und zur Erklärung aufzufordern, ob und in welchem Umfang er diese anerkennt (§ 69 Abs 2 StPO).
Durch Einfügung der - bis zum Inkrafttreten von BGBl I 2007/93 in § 365 Abs 2 StPO normierten - Verpflichtung, den Angeklagten zu privatrechtlichen Ansprüchen zu hören, in die die Vernehmung des Angeklagten in der Hauptverhandlung regelnde Bestimmung des § 245 StPO wollte der Gesetzgeber verdeutlichen, dass die Äußerung zu den privatrechtlichen Ansprüchen vom Angeklagten in eben dieser Parteistellung im Rahmen seiner Vernehmung abzugeben ist (EBRV 231 BlgNR 23. GP , 12). Die vorliegende informelle Befragung des Dominik K***** in dem abgesondert gegen den Angeklagten Peter S***** geführten Verfahren, in dem K***** nicht zu den Beteiligten des Hauptverfahrens (§ 220 StPO) zählte, kann somit die im Rahmen der Angeklagtenvernehmung vorzunehmende Befragung zu den privatrechtlichen Ansprüchen nicht ersetzen (vgl Fabrizy StPO10 § 69 Rz 4 „Vernehmung als prozessualer Akt des Parteiengehörs“). Das die informelle Anhörung K*****s enthaltende Hauptverhandlungsprotokoll ON 19 wurde zwar in der Hauptverhandlung am 10. Dezember 2009 dargetan (ON 27 S 3), doch ändert dies nichts daran, dass Dominik K*****, der in der zuvor erwähnten Hauptverhandlung bloß auf seine Angaben vor der Polizei verwies (ON 27 S 2), zu keinem Zeitpunkt als Angeklagter zu den privatrechtlichen Ansprüchen vernommen wurde.
Die vom Angeklagten H***** vor der Polizei und in der Hauptverhandlung am 10. November 2009 generell bekundete Bereitschaft zur Schadensgutmachung (ON 2 S 12, ON 19 S 4) vermag die von § 245 Abs 1a StPO geforderte Prozesserklärung zu den konkret in der Hauptverhandlung geltend gemachten Ansprüchen ebenfalls nicht zu substituieren (vgl Kirchbacher, WK-StPO § 245 Rz 23 zweiter Absatz).
Da der Vernehmungsverpflichtung des § 245 Abs 1a StPO bei keinem der beiden Angeklagten entsprochen wurde, verletzt der dennoch gemäß § 369 Abs 1 StPO erfolgte Zuspruch an die Privatbeteiligte das Gesetz (Spenling, WK-StPO Vor §§ 366 - 379 Rz 11; RIS-Justiz RS0101178, RS0101197). Eine nachteilige Auswirkung des rechtsfehlerhaften Adhäsionserkenntnisses kann nicht ausgeschlossen werden.
Der Oberste Gerichtshof sah sich daher veranlasst, dieses aufzuheben (RIS-Justiz RS0100401; Spenling, WK-StPO § 366 Rz 47), und die Erklärung der Melanie G*****, sich dem Verfahren als Privatbeteiligte anzuschließen, zurückzuweisen, weil die Ansprüche der Geschädigten mittlerweile zur Gänze befriedigt wurden und deren Parteistellung als Privatbeteiligte somit weggefallen ist (vgl Spenling, WK-StPO Vor §§ 366 - 379 Rz 35, 54 ff; vgl auch 14 Os 30/09g).
Gemäß § 38 Abs 1 JGG steht dem gesetzlichen Vertreter ein Anhörungsrecht immer dann zu, wenn der jugendliche Angeklagte das Recht hat, gehört zu werden (Schroll in WK2 JGG § 38 Rz 24 f).
Minderjährige sind im Strafverfahren zwar grundsätzlich uneingeschränkt prozessfähig, doch kommen ihren gesetzlichen Vertretern die in § 38 JGG normierten Mitwirkungsrechte zu (SSt 2007/23 = RIS-Justiz RS0122004).
Die gesetzlichen Vertreter der Angeklagten H***** und K***** wurden vorliegend zu den privatrechtlichen Ansprüchen gegen die minderjährigen Angeklagten nicht gehört (Hauptverhandlungsprotokolle ON 19, 27), wodurch sie in ihrem in § 38 JGG verankerten Mitwirkungsrecht verletzt wurden.
1./c./ Mit Strafantrag vom 4. August 2009 wurde den Angeklagten auch vorgeworfen, „das gestohlene Moped“ durch unsachgemäßes Zerlegen in mehrere Teile vorsätzlich beschädigt und dadurch das Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB begangen zu haben (ON 3, Punkt 2).
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen haben die Angeklagten H***** und K***** „gemeinsam mit einem abgesondert verfolgten Täter“ am 27. Juni 2009 der Melanie G***** ein Moped mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und dieses anschließend durch Veränderung bis zur Unbrauchbarkeit beschädigt (ON 28/S 4 f).
Der Bezirksrichter beurteilte die Sachbeschädigung als „straflose Folgetat“ (ON 28 S 9), ohne einen Freispruch gemäß § 259 Z 3 StPO zu fällen.
Wer eine gestohlene Sache anschließend zerstört, verunstaltet, beschädigt oder unbrauchbar macht, ist nicht zusätzlich nach § 125 StGB strafbar, weil der Vermögensverlust schon mit der Entziehung zur Gänze eingetreten ist (Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 127 RN 208; Fabrizy StGB10 § 125 Rz 3; RIS-Justiz RS0093303). Es liegt Scheinkonkurrenz zwischen dem Vergehen des Diebstahls und der durch Konsumtion verdrängten straflosen Nachtat der Sachbeschädigung vor.
Das Unterlassen eines Teilfreispruchs verstößt gegen § 259 Z 3 StPO, weil im Falle scheinbarer Realkonkurrenz in Betreff der angeklagten, aber verdrängten Tat ein Freispruch zu erfolgen hat (Lendl, WK-StPO § 259 Rz 9).
2./ Der Angeklagte H***** wurde mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 12. Oktober 2009, AZ 48 BE 31/09a, am 30. Oktober 2009 - also nach den gegenständlichen Urteilstaten - aus dem Vollzug einer Freiheitsstrafe bedingt entlassen (ON 11, 24).
Laut schriftlicher Urteilsausfertigung wurde gleichzeitig mit dem Urteil der Beschluss gefasst, beim Angeklagten H***** gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO unter anderem vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht (richtig: der bedingten Entlassung) zu AZ 48 BE 31/09a des Landesgerichts Salzburg abzusehen (ON 28/S 3).
Von der gemäß § 447 StPO und § 31 JGG im bezirksgerichtlichen Jugendstrafverfahren geltenden Bestimmung der § 494a Abs 1 StPO ist immer dann Gebrauch zu machen, wenn der Ausspruch einer unter Bestimmung einer Probezeit in Aussicht gestellten Sanktion grundsätzlich möglich ist (vgl Jerabek, WK-StPO § 494a Rz 2).
Da ein Widerruf der bedingten Entlassung gemäß § 53 Abs 1 StGB nur bei Begehung einer strafbaren Handlung während der Probezeit in Betracht kommt und vorliegend die dem Schuldspruch zu Grunde liegenden Taten vor der im Verfahren AZ 48 BE 31/09a des Landesgerichts Salzburg gewährten bedingten Entlassung verübt wurden, verstößt die Beschlussfassung gegen § 494a Abs 1 StPO.
3./ Gemäß § 494a Abs 3 StPO hat das Gericht vor der Entscheidung nach Abs 1 leg cit den Angeklagten zu hören, ist dieser jugendlich, gemäß § 38 Abs 1 JGG auch dessen gesetzlichen Vertreter (Schroll in WK2 JGG § 38 Rz 24 f).
Durch das Unterbleiben der Anhörung des Angeklagten H***** und seiner gesetzlichen Vertreterin vor dem Beschluss, gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf der zu AZ 41 Hv 227/08a des Landesgerichts Salzburg gewährten bedingten Strafnachsicht abzusehen, wurde der Angeklagte H***** in seinem Anhörungsrecht nach § 494a Abs 3 StPO und seine gesetzliche Vertreterin in ihrem Mitwirkungsrecht nach § 38 Abs 1 JGG verletzt.
4./ Nach der gemäß § 447 StPO und § 31 JGG auch im bezirksgerichtlichen Jugendstrafverfahren geltenden Bestimmung des § 271 Abs 1 Z 7 StPO hat das über die Hauptverhandlung aufzunehmende Protokoll den gesamten Spruch des Urteils mit den in § 260 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO bezeichneten Angaben zu enthalten (RIS-Justiz RS0098552 [T3]; Danek, WK-StPO § 268 Rz 21).
Der im Hauptverhandlungsprotokoll erfolgte Verweis auf die schriftliche Urteilsausfertigung (ON 27 S 4) genügt diesen Anforderungen nicht (12 Os 49/10g).
Gemäß § 271 Abs 1 Z 4 StPO hat das Hauptverhandlungsprotokoll alle wesentlichen Förmlichkeiten des Verfahrens zu enthalten, wozu etwa Zwischenerkenntnisse, aber auch bloße prozessleitende Verfügungen zählen (Danek, WK-StPO § 271 Rz 17). Es muss alle Vorgänge wiedergeben, deren Kenntnis für das Rechtsmittelgericht unerlässlich ist (Danek, WK-StPO § 271 Rz 3).
Vorliegend hat das Bezirksgericht durch das Unterbleiben der Protokollierung des - nach der schriftlichen Urteilsausfertigung (ON 28/S 3) - betreffend Patrick H***** gemäß § 494a Abs 4 StPO gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschlusses auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsicht zu AZ 41 Hv 227/08a und AZ 48 BE 31/09a (hier richtig: bedingter Entlassung), jeweils des Landesgerichts Salzburg, gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO die Protokollführungsvorschrift des § 271 Abs 1 Z 4 StPO verletzt.
Abgesehen von dem zu Unrecht erfolgten Privatbeteiligtenzuspruch haben sich die aufgezeigten Gesetzesverletzungen nicht zum Nachteil der Angeklagten ausgewirkt, sodass es mit deren Feststellung sein Bewenden haben konnte.
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