OGH 14Os30/09g

OGH14Os30/09g21.4.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. April 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Böhm als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wolfgang S***** wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 19. Mai 2008, GZ 054 E Hv 222/07x-18, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Michel, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten und der Privatbeteiligten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 19. Mai 2008, GZ 054 E Hv 222/07x-18, verletzt im Adhäsionserkenntnis, mit welchem der Verurteilte Wolfgang S***** zur Zahlung eines Betrags von 16.000 EUR an die Privatbeteiligte Marie-Therese S***** verpflichtet wurde, das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 67 Abs 4 Z 1 und 369 Abs 1 StPO.

Das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in diesem Umfang aufgehoben. Die Erklärung der Marie-Therese S*****, sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte anzuschließen, wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit (gekürzt ausgefertigtem) Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 19. Mai 2008, GZ 054 E Hv 222/07x-18, wurde Wolfgang S***** des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 21. März 2006 in Wien mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Marie-Therese S***** durch Täuschung über seine Rückzahlungswilligkeit und -fähigkeit zu einer Handlung, nämlich zur Gewährung eines Darlehens von 16.000 EUR verleitet, durch welche sie in diesem, 3.000 EUR übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurde.

Wolfgang S***** wurde hiefür zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Überdies wurde ihm gemäß § 369 Abs 1 StPO die Bezahlung eines Betrags von 16.000 EUR an das Opfer auferlegt. Marie-Therese S***** gab bereits in ihrer Strafanzeige vom 12. September 2007 bekannt, dass sie zu AZ 20 Cg 273/06t des Landesgerichts Wiener Neustadt einen (rechtskräftigen) Zahlungsbefehl vom 13. Dezember 2006 über den Darlehensbetrag samt Zinsen und Kosten sowie zu AZ 17 E 368/07b des Bezirksgerichts Baden einen Beschluss über die Bewilligung der Fahrnis- und Forderungsexekution (vom 4. April 2007) erwirkt hätte (ON 2 S 20 und 25 ff). Dessen ungeachtet erklärte die Anzeigerin, sich dem Strafverfahren mit ihren zivilrechtlichen Ansprüchen in vorläufiger Höhe von 16.000 EUR zuzüglich 4% Zinsen ab 21. März 2006, weiters mit den Kosten des gerichtlichen Titel- und Exekutionsverfahrens sowie mit (nicht näher bezifferten) „außergerichtlich entstandenen" Kosten als Privatbeteiligte anzuschließen (ON 2 S 37).

Gestützt auf das - im Widerspruch zur Aktenlage stehende - Adhäsionserkenntnis begehrte Marie-Therese S***** mit Antrag vom 20. Mai 2008, ihre aus dem Privatbeteiligtenanschluss entstandenen Kosten mit 421,92 EUR zu bestimmen und den Verurteilten zum Ersatz derselben zu verpflichten (ON 22).

Der Verurteilte sprach sich in seiner Äußerung (ON 23) mit dem Hinweis auf die aus dem rechtskräftigen zivilrechtlichen Exekutionstitel folgende Unzulässigkeit des Privatbeteiligtenanschlusses gegen diesen Antrag aus und begehrte seinerseits, der Privatbeteiligten den Ersatz der durch diese Äußerung entstandenen Kosten aufzutragen.

Mit Beschluss vom 15. Jänner 2009 (ON 24) wies das Landesgericht für Strafsachen Wien den Kostenbestimmungsantrag der Privatbeteiligten ab und verpflichtete diese, dem Verurteilten dessen durch die bezeichnete Äußerung (ON 23) entstandenen Kosten innerhalb von 14 Tagen zu bezahlen.

Über die dagegen von der Privatbeteiligten erhobene Beschwerde (ON 26) hat das Oberlandesgericht Wien noch nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

Das Adhäsionserkenntnis steht - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Verfügt das Opfer einer Straftat in Ansehung ihm aus dieser entstandener Schäden bereits über einen (rechtskräftigen zivilrechtlichen) Exekutionstitel, kann es sich dem Strafverfahren nicht mehr als Privatbeteiligter anschließen (RIS-Justiz RS0096819, RS0096826; Spenling, WK-StPO Vor §§ 365 bis 379 Rz 26; Lendl, WK-StPO § 393 Rz 32). Die von Marie-Therese S***** ungeachtet dieser Umstände in ihrer Anzeige abgegebene Anschlusserklärung hätte - weil vom Exekutionstitel nicht gedeckte Schäden aus der Straftat weder schlüssig behauptet noch beziffert wurden (vgl dazu auch die Beschwerde ON 26) - gemäß § 67 Abs 4 Z 1 StPO als offensichtlich unberechtigt zurückgewiesen werden müssen (Fabrizy StPO10 § 67 Rz 9). Aus § 67 Abs 5 StPO kann eine - im Interesse der Verfahrensökonomie und der Vermeidung unnötiger Prozesskosten bestehende - Verpflichtung zu möglichst frühzeitiger Zurückweisung unzulässiger Privatbeteiligtenanschlüsse abgeleitet werden, deren Unterlassung von der Generalprokuratur jedoch nicht aufgegriffen wurde (vgl SSt 52/46). Da dem Gesetz eine Einschränkung dieses Vorgehens auf ein bestimmtes Verfahrensstadium jedoch nicht zu entnehmen ist, kann ein entsprechender Beschluss auch noch nach Schluss der Hauptverhandlung (§ 257 StPO) gefasst und vom Betroffenen - in Ermangelung eines gesetzlichen Rechtsmittelausschlusses (vgl § 87 Abs 1 StPO) - nunmehr generell (zur alten Rechtslage hingegen: SSt 55/77) mit Beschwerde bekämpft werden (Fabrizy StPO10 § 67 Rz 12).

Die von der Generalprokuratur zitierte Ansicht (Spenling, WK-StPO Vor §§ 365 bis 379 Rz 33), wonach „im Strafurteil und auch im Rechtsmittelverfahren" dem Privatbeteiligten die Parteistellung nicht mehr aberkannt werden könne, stützt sich auf eine - im vorliegenden Zusammenhang nicht (mehr) maßgebliche - Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0100319, RS0101237), die sich durchwegs auf die erst nachträgliche (also nach der Anschlusserklärung bzw dem Urteil erster Instanz erfolgte) Schaffung eines (zivilrechtlichen) Exekutionstitels und überdies auf die Rechtslage vor Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes (BGBl I 2004/19) bezog, die eine § 67 Abs 4 und 5 StPO vergleichbare ausdrückliche gesetzliche Zurückweisungsverpflichtung nicht kannte. Für eine unterschiedliche Behandlung jeweils von vornherein offensichtlich unberechtigter Anschlusserklärungen, die sich auf bereits (rechtskräftig) entschiedene zivilrechtliche Ansprüche einerseits oder auf Forderungen öffentlichrechtlicher Natur andererseits (vgl SSt 52/46, 13 Os 107, 108/01) stützen, besteht kein Grund (vgl Spenling, WK-StPO Vor §§ 365 bis 379 Rz 33), zumal die Verweisung auf den Zivilrechtsweg gemäß § 366 Abs 2 StPO, die im Übrigen weder bindende Wirkung außerhalb des Adhäsionsprozesses entfaltet (EvBl 1964/378) noch eine Voraussetzung für die Geltendmachung der dem Privatbeteiligten im Strafverfahren entstandenen Kosten in einem späteren Zivilverfahren bildet (EvBl 1964/78), auf derartige Konstellationen nicht zugeschnitten ist (vgl ErläutRV 231 BlgNR 23. GP 21).

Gemäß § 292 letzter Satz StPO sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, das dem Verurteilten zum Nachteil gereichende Adhäsionserkenntnis aufzuheben. Davon rechtslogisch abhängige Entscheidungen und Verfügungen, wie insbesondere der auf diesem gesetzwidrigen Urteilsausspruch beruhende Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. Jänner 2009, GZ 054 E Hv 222/07x-24, gelten gleichfalls als beseitigt (RIS-Justiz RS0100444). Hierauf wird die Privatbeteiligte mit ihrer Beschwerde verwiesen.

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