Spruch:
Das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 24. September 2009, GZ 11 U 428/09z-27, verletzt § 27 Abs 1 zweiter und achter Fall SMG sowie § 270 Abs 4 Z 1 iVm § 458 StPO.
Dieses Urteil wird aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien verwiesen.
Text
Gründe:
Mit - in gekürzter Form ausgefertigtem - Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 24. September 2009, GZ 11 U 428/09z-27, wurde Christian F***** schuldig erkannt, „das Vergehen der Weitergabe von Suchtmitteln nach den § 27 Abs 1 und 2 SMG“ begangen zu haben, und nach § 27 Abs 1 (richtig) SMG zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in Wien 1
(1) am 1. Mai 2008 vorschriftswidrig „Suchtgift, nämlich 2 Stück Compensantabletten“ dem Mag. Sasa M***** überlassen und
(2) am 30. August 2008 vorschriftswidrig „Suchtgift, nämlich 10 Stück Somnubene“, für den persönlichen Gebrauch besessen.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, stehen diese Schuldsprüche mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Nach der auch für die Verhandlung vor dem Bezirksgericht geltenden (§ 458 StPO in der hier anzuwendenden Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2009 BGBl I 2009/52) Bestimmung des § 270 Abs 4 Z 1 StPO (in der zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Urteilsfällung geltenden Fassung [§ 514 Abs 5 StPO] des Budgetbegleitgesetzes 2009 BGBl I 2009/52) hat eine - unter den in § 270 Abs 4 StPO genannten, hier vorgelegenen Voraussetzungen zulässige - gekürzte Urteilsausfertigung die in § 270 Abs 2 StPO genannten Angaben mit Ausnahme der Entscheidungsgründe (also auch die Inhaltserfordernisse nach § 260 StPO) zu enthalten. Im Urteilstenor, der bei Fehlen der Entscheidungsgründe, demnach im Fall einer nach § 270 Abs 4 StPO gekürzten Urteilsausfertigung, diese als Bezugspunkt für die materiellrechtliche Beurteilung ersetzt (vgl zu § 458 Abs 3 StPO idF vor BGBl I 2009/52: Ratz, WK-StPO § 292 Rz 6; 13 Os 52/09k [13 Os 53/09g]; zur auch nach Inkrafttreten des Budgetbegleitgesetzes 2009 BGBl I 2009/52 unveränderten Rechtslage siehe 12 Os 49/10p [12 Os 50/10k, 12 Os 51/10g, 12 Os 52/10d]; vgl auch 11 Os 7/10d [8/10a]) ist sohin auszusprechen, welcher Tat der Angeklagte schuldig befunden worden ist, und zwar unter ausdrücklicher Bezeichnung der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände, worunter nichts anderes zu verstehen ist als die für die Subsumtion entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO).
Im Hinblick auf die konstitutive und taxative Enumeration der Suchtgifte und psychotropen Stoffe in Suchtgiftverordnung und Psychotropenverordnung (BGBl II 1997/374 und 375 in der jeweils geltenden Fassung - vgl die Regelungsverweise in den Legaldefinitionen der Suchtgifte in § 2 Abs 1, 2 und 3 SMG sowie der psychotropen Stoffe in § 3 Abs 1 und 2 SMG) bezieht sich strafrechtlich relevantes Verhalten nach dem Suchtmittelgesetz (hier laut Schuldsprüchen § 27 Abs 1 Z 1 zweiter und achter Fall) immer nur auf in Suchtgiftverordnung oder Psychotropenverordnung konkret erfasste Wirkstoffe. Es sind daher stets konkrete Urteilsfeststellungen zur - solcherart entscheidenden - Tatsache der Beschaffenheit, nämlich der Wirkstoffart (und -menge) der jeweils tatverfangenen Substanzen erforderlich. Die bloße Bezeichnung mit Marken- oder Handelsnamen sowie die bloße Nennung der Anzahl und Bezeichnung von (allenfalls ein Suchtgift oder einen psychotropen Stoff enthaltenden) Tabletten - wie vorliegend - vermag somit den aufgezeigten Feststellungserfordernissen nicht zu genügen (RIS-Justiz RS0114428; Litzka/Matzka/Zeder SMG² § 1 Rz 11 bis 14 mwN).
Da der aufgezeigte Rechtsfehler mangels Feststellungen geeignet ist, zum Nachteil des Verurteilten zu wirken, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, das Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§§ 292 letzter Satz, 288 Abs 2 Z 3 zweiter SatzStPO).
Sollte im erneuerten Verfahren festgestellt werden, dass die zu 2 genannten Tabletten einen psychotropen Stoff enthalten haben (vgl Punkt 1 des Anhangs zur Psychotropenverordnung BGBl II 1997/375 idgF, Arzneimittelliste des Einführungserlasses zum Suchtmittelgesetz, JMZ 703.028/5-II.2/1997), wird das Bezirksgericht bei einer die Grenzmenge (§ 31b SMG) nicht übersteigenden Menge den Strafausschließungsgrund des § 30 Abs 3 Z 1 SMG zu beachten haben.
Die somit schon mangels Feststellungsbasis verfehlten Schuldsprüche (mit gesetzesfremder Deliktsbezeichnung) sind im Übrigen - worauf der Vollständigkeit halber hinzuweisen ist - auch deshalb rechtsirrig erfolgt, weil die Zusammenfassung von (zufolge des Urteilstenors) realkonkurrierend verwirklichten Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall (und Abs 2?) SMG und nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall und Abs 2 SMG zur Subsumtionseinheit „eines Vergehens nach § 27 Abs 1 und Abs 2 SMG“ im Gesetz nicht vorgesehen ist. Solcherart blieb auch unklar, ob nach den Urteilsannahmen die Privilegierungsvoraussetzung der ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begangenen Straftat (§ 27 Abs 2 SMG) auch den Schuldspruch 1 betraf; diesfalls wären - mit Blick auf die Diversionsbestimmungen nach §§ 35 Abs 1, 37 SMG - als Grundlage für einen Schuldspruch klare Tatsachenannahmen (§ 270 Abs 4 Z 1 StPO iVm § 458 StPO) in Richtung einer (nicht privilegierten) ausschließlich zum persönlichen Gebrauch des anderen, aber zum Vorteil des Angeklagten erfolgten Suchtgiftdelinquenz zu treffen gewesen (15 Os 182/09t).
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