OGH 13Os63/14k

OGH13Os63/14k9.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Oktober 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krampl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hermann S***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Hermann S***** und Arthur S***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 4. Dezember 2013, GZ 11 Hv 31/13i‑45, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Hermann S***** und Arthur S***** jeweils mehrerer Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (1) sowie des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach haben sie in G***** im einverständlichen Zusammenwirken (§ 12 erster Fall StGB)

(1) am 13. März 2012 Urkunden, über die sie nicht oder nicht allein verfügen durften, mit dem Vorsatz zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, unterdrückt, indem sie sechs vinkulierte Sparbücher, die Teil des ruhenden Nachlasses der Zäzilia O***** waren, an sich nahmen, und

(2) am 15. März 2012 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Mitarbeiter der B***** AG durch die Vorgabe, über die vom Schuldspruch 1 umfassten sechs vinkulierten Sparbücher verfügungsberechtigt zu sein, zur Auszahlung des Realisats dieser Sparbücher verleitet, was den ruhenden Nachlass der Zäzilia O***** um 87.600 Euro am Vermögen schädigte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 8 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen, gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten gehen fehl.

Das unter dem Titel „Präambel ‑ Zum Sachverhalt“ erstattete Vorbringen lässt keinen Bezug zu den Kriterien der Nichtigkeitsgründe erkennen und entzieht sich solcherart einer inhaltlichen Erwiderung.

Indem die Mängelrüge (Z 5) unter Bezugnahme auf die Qualifikationsgrenze des § 147 Abs 3 StGB (50.000 Euro) das Übergehen von Verfahrensergebnissen (Z 5 zweiter Fall), die aus ihrer Sicht einen auf (bloß) rund 39.000 Euro gerichteten Bereicherungsvorsatz indizieren, sowie offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) zu einem auf eine über 50.000 Euro hinausgehende Bereicherung zielenden Vorsatz einwendet, spricht sie keine entscheidende Tatsache an (vgl RIS‑Justiz RS0106268). § 147 Abs 3 StGB normiert nämlich eine sogenannte Deliktsqualifikation, womit der qualifikationsbegründende Umstand ‑ also ein 50.000 Euro übersteigender Schaden ‑ vom (zumindest bedingten [§ 5 Abs 1 StGB]) Vorsatz umfasst sein muss (13 Os 64/95, SSt 62/55; RIS‑Justiz RS0094639; Kirchbacher in WK² StGB § 147 Rz 60; Fabrizy , StGB 11 § 147 Rz 10; Leukauf/Steininger Komm³ § 147 RN 46).

Der Bereicherungsvorsatz hingegen ist (nur) ein Element des Grundtatbestands (§ 146 StGB) und solcherart für die Verwirklichung des Qualifikationstatbestands (§ 147 Abs 3 StGB) bedeutungslos ( Kirchbacher in WK² StGB § 147 Rz 60, Loidl in Mitgutsch/Wesely BT I § 147 Rz 13).

Dem Ansatz, der Wortlaut des § 147 Abs (2 und) 3 StGB bedürfe einer „einschränkenden teleologischen Interpretation“ dahin, dass die in Rede stehende Qualifikationsnorm nur dann Anwendung finde, wenn auch der Bereicherungsvorsatz auf einen die Wertgrenze übersteigenden Betrag gerichtet sei ( Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 147 Rz 96 unter Berufung auf Schmoller , Ermittlung des Betrugsschadens bei Bezahlung eines marktüblichen Preises, ZStW 1991, 92 [129 ‑ 132]), ist nicht zu folgen, weil die ratio legis gerade keinen Anhaltspunkt für diese Auslegungsvariante bietet:

Der zur Umschreibung der Relation zwischen dem Vorsatz, einen anderen am Vermögen zu schädigen, und jenem, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern (§ 146 StGB), verwendete Begriff der „Stoffgleichheit“ (13 Os 68/76, EvBl 1977/47; 13 Os 179/79, SSt 51/24) bedeutet nämlich bloß, dass die vom Täter gewollte Bereicherung sich unmittelbar aus der Handlung, Duldung oder Unterlassung ergeben muss, durch die der Getäuschte sich oder einen Dritten schädigt (12 Os 71/92, EvBl 1993/39; RIS‑Justiz RS0094140; Birklbauer/Hilf/Tipold BT I² §§ 146 ff Rz 81). Nicht erforderlich ist hingegen (auch für die Erfüllung des Grundtatbestands), dass der Vermögensschaden und die angestrebte Bereicherung wertgleich sind, womit der Bereicherungsvorsatz betragsmäßig hinter dem Schädigungsvorsatz zurückbleiben kann (12 Os 96/75, JBl 1976, 601; 9 Os 5/79, SSt 51/19; RIS‑Justiz RS0094092, RS0094215 und RS0094543; Bertel/Schwaighofer BT I 12 § 146 Rz 35; Fabrizy , StGB 11 § 146 Rz 26; Kert SbgK § 146 Rz 341; Kirchbacher in WK² StGB § 146 Rz 6; Leukauf/Steininger Komm³ § 146 RN 59; Lewisch BT I², 237).

Geht man von diesem ‑ wie dargelegt in Judikatur und Lehre einhellig vertretenen (vgl auch Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 146 Rz 230) -Begriffsverständnis aus, bleibt aber kein Raum für die Annahme, die „Reichweite des Bereicherungsvorsatzes“ begrenze das „Ausmaß des verwirklichten Betrugs“ ( Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 146 Rz 229).

Soweit die Beschwerde den Nichtigkeitsgrund der Urteilsunvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) heranzieht, ohne auf in der Hauptverhandlung Vorgekommenes (§ 258 Abs 1 StPO) Bezug zu nehmen, entzieht sie sich ebenfalls einer meritorischen Erledigung (13 Os 138/03, SSt 2003/93; RIS‑Justiz RS0118316).

Die vermisste Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite findet sich auf der US 19.

Der Umstand, dass das Gericht dabei primär vom objektiven Tatgeschehen auf den korrespondierenden Vorsatz schließt, ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0098671 und RS0116882).

Indem die Beschwerde einzelne Elemente der tatrichterlichen Argumentationskette zur subjektiven Tatseite isoliert herausgreift und solcherart als die diesbezüglichen Feststellungen nicht tragend darzustellen trachtet, unterlässt sie die insoweit gebotene Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0119370).

Mit den Ausführungen zu angeblich in den Jahren 2008 und 2009 erfolgten Bewegungen auf (nicht vom Schuldspruch umfassten) Sparbüchern des Willibald S***** bezieht sich die Beschwerde erneut nicht auf schuld‑ oder subsumtionsrelevante Umstände.

Weshalb der Urteilssachverhalt ihrer Ansicht nach vom Anklagesachverhalt (ON 15) abweiche, lässt die insoweit aus Z 8 erhobene Rüge nicht erkennen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) erachtet den Schuldspruch 1 mit der Begründung, das bloße Verschweigen der Existenz der sechs vinkulierten Sparbücher im Zuge der Todesfallaufnahme am 19. März 2012 (US 10) sei nicht geeignet, den Tatbestand des § 229 Abs 1 StGB herzustellen, als rechtsfehlerhaft.

Dabei entfernt sie sich vom Bezugspunkt materieller Nichtigkeit, weil sie nicht am Urteilssachverhalt festhält (RIS‑Justiz RS0099810), wonach die Beschwerdeführer die Sparbücher, über die sie nicht oder nicht allein verfügen durften, am 13. März 2012 (mit entsprechendem Unterdrückungsvorsatz) an sich nahmen (US 9).

Der Umstand, dass das Referat im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) die Unterdrückungshandlung und das nachfolgende Verschweigen im Verlassenschaftsverfahren nicht scharf trennt, ist unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion schon deshalb irrelevant, weil diese (nicht am Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO, sondern) an den Feststellungen in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) zu messen ist (11 Os 74/05z, EvBl 2006/23, 127; RIS‑Justiz RS0115552 [insbesondere T1 und T2]).

Weshalb die vom Schuldspruch 2 umfassten, nach den Urteilsfeststellungen (US 7) ursprünglich Zäzilia O***** gehörenden Sparbuchbeträge nach deren am 12. März 2012 eingetretenen Tod (US 7 f) nicht Teil ihres ruhenden Nachlasses gewesen sein sollen, leitet die Beschwerde nicht aus dem Gesetz ab (siehe aber RIS‑Justiz RS0116565 und RS0116569).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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