European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0130OS00064.9500000.0621.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 29.Juni 1994, GZ 18 Vr 1097/92‑24, verletzt im Schuldspruch (zu I) wegen des Verbrechens des schweren Betruges das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 146, 147 Abs 3 StGB.
Dieses Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, wird im bezeichneten Schuldspruch (I) sowie im Ausspruch über die Strafe aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.
Gründe:
Mit dem ausdrücklich unangefochten gebliebenen Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 29.Juni 1994, GZ 18 Vr 1097/92‑24, wurde Josef L* (zu I) des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und (zu II) des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Der Schuldspruch wegen schweren Betruges erging, weil Josef L* in einem Fall am 18.November 1991 und in drei Fällen am 16.Jänner 1992 in Klagenfurt mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der * Sparkasse durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe, über insgesamt vier jeweils mit Losungswort vinkulierte Sparkonten verfügungsberechtigt zu sein, zur Auszahlung von Beträgen in der Gesamtsumme von 1,010.316 S verleitet hat, wodurch der Nachlaß der am 7.November 1991 verstorbenen Johanna L* um diese Gesamtsumme geschädigt wurde.
Das Schöffengericht stellte fest, daß Josef L* von seiner am 7.November 1991 verstorbenen Mutter Johanna L* durch Testament als Alleinerbe eingesetzt worden war. Neben ihm waren noch zwei Noterben vorhanden, die jeweils einen Pflichtteilsanspruch in der Höhe von einem Achtel des Nachlaßwertes hatten. Er verschwieg im Verlassenschaftsverfahren die Existenz von vier Sparbüchern, die seiner verstorbenen Mutter gehört hatten, nahm diese Sparbücher an sich und hob unter Vortäuschung seiner Verfügungsberechtigung noch vor Verfahrensbeendigung zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil von diesen Sparkonten insgesamt 1,010.316 S ab.
Daraus folgerte das Schöffengericht rechtlich, daß der Angeklagte dem ruhenden Nachlaß nach Johanna L* einen Schaden in der Höhe der Geldabhebungen zugefügt hatte. Der Erwägung, wonach der Angeklagte bei ordnungsgemäßer Nachlaßabwicklung ohnehin drei Viertel der herausgelockten Beträge zu erwarten gehabt hätte, wurde nur im Rahmen der Strafzumessung und nicht bei der für die Heranziehung des höchsten Strafsatzes maßgeblichen Annahme der Schadenshöhe Bedeutung beigemessen. Allein im Rahmen der Darlegung eines mildernden Umstandes sprachen die Urteilsgründe aus, "daß der vom Vorsatz des Angeklagten umfaßte Schadensbetrag ‑ sozusagen als tatsächlicher Schaden dritter Personen ‑ eben nur etwa 250.000 S beträgt". Soweit in diesem Zusammenhang noch von einer bloß knappen Überschreitung des "Qualifikationsbetrages von 250.000 S" die Rede ist, dürfte übersehen worden sein, daß die angewendete Strafbestimmung des § 147 Abs 3 StGB einen 500.000 S und nicht 250.000 S übersteigenden Schaden voraussetzt.
Gemäß weiteren gerichtlichen Erwägungen zur inneren Tatseite mußte dem Angeklagten die Abhängigkeit seines Eigentums am Nachlaßvermögen vom Abschluß des Verlassenschaftsverfahrens und der Einantwortung klar sein, wobei ihn eine eventuelle Unkenntnis der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen nicht entschuldigen könnte. Das Gericht ließ ferner dahingestellt, ob der Angeklagte "subjektiv der Meinung" war, nur für ein Viertel der herausgelockten Gesamtsumme ‑ nämlich das Ausmaß der Pflichtteilsansprüche ‑ "verantwortlich zu sein".
Rechtliche Beurteilung
Dem Schuldspruch wegen schweren Betruges haften Feststellungsmängel an, die auf eine unrichtige rechtliche Beurteilung zurückgehen.
Zunächst betraf die Frage, ob sich der Angeklagte auf Grund rechtlicher Unkenntnis zur sofortigen Aneignung des Nachlasses befugt fühlte, nicht primär einen Verbotsirrtum (§ 9 StGB) und dessen Vorwerfbarkeit, sondern bereits ein Element des Tatvorsatzes: Betrug erfordert den Vorsatz, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern. Unrechtmäßig bereichert sich, wer keinen Anspruch auf die angestrebte Vermögensvermehrung hat oder zu haben glaubt. Besteht demnach ein Anspruch oder glaubt der Täter, wenn auch irrig, einen solchen zu haben, so fehlt es in der Regel am Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung, weshalb Betrug ausscheidet, obgleich die Leistung durch Täuschung erwirkt wird (Leukauf‑Steininger Komm3 § 146 RN 58). Somit hätte das Gericht nur bei Verneinung eines diesbezüglichen ‑ vom Angeklagten allerdings gar nicht behaupteten ‑ Irrtums über die Rechtslage die Verwirklichung eines tatbestandsmäßigen Bereicherungsvorsatzes annehmen dürfen.
Ferner müssen beim Betrug der Eintritt eines Schadens und eine qualifizierende Schadenshöhe vom Tätervorsatz umfaßt sein (Leukauf‑Steininger Komm3 § 146 RN 53 und § 147 RN 46). Demgemäß wäre das Gericht zur Klärung verpflichtet gewesen, ob und in welchem Umfang der Angeklagte fremdes Vermögen vermindern wollte und von einer entsprechenden Schadensvorstellung ausging. Das Urteil enthält insoweit keine eindeutigen Feststellungen, weil eine eventuelle Unkenntnis des Angeklagten über erbrechtliche Bestimmungen ebenso offen gelassen wurde wie seine allfällige Ansicht, ohnehin über ihm zufallende Werte zu disponieren und nicht für den (vollen) Betrag verantwortlich zu sein. Die diesbezügliche Sachverhaltsaufklärung wäre aber unbeschadet eines Schuldbekenntnisses des Angeklagten ("im Sinne der Anklage") zur verläßlichen rechtlichen Beurteilung erforderlich gewesen. Ein ruhender Nachlaß kommt zwar als Geschädigter eines Betruges in Betracht, jedoch ist bei Täterschaft eines Erben in aller Regel ein Zurückbleiben des gewollten Schadensumfanges hinter der tatsächlich bewirkten Vermögensverringerung indiziert (SSt 53/18; 14 Os 15/94).
Dabei zählt eine richtige Tätervorstellung von der Person des Geschädigten oder dem beeinträchtigten fremden Vermögen nicht zu den Erfordernissen des Schädigungsvorsatzes (Kienapfel BT II3 § 146 RN 242), weshalb es unerheblich bleibt, ob der Erbe anläßlich der auf Verringerung fremden Vermögens abzielenden Tat weiß, daß die als parteifähiges Rechtssubjekt angesehene hereditas iacens betroffen ist und nicht (unmittelbar) aus dem Erbfall Berechtigte, deren Anspruchsumfang aber für die tätergewollte Schadensdimension bestimmend sein kann.
Da sich die unrichtige Rechtsanwendung zum Nachteil des Verurteilten ausgewirkt haben kann, war in Stattgebung der vom Generalprokurator gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes im Sinne des § 292 letzter Satz StPO mit einer Teilkassation des Urteiles und, weil eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, der Anordnung einer Verfahrenserneuerung über den betroffenen Punkt vorzugehen.
In Ansehung des Adhäsionserkenntnisses von je 1.000 S an die beiden Noterben erübrigt sich nach Lage des Falles eine Urteilsaufhebung schon deshalb, weil diesbezüglich ein ausdrückliches gerichtliches Anerkenntnis (S 179) vorliegt (vgl auch Mayerhofer/Rieder StPO3 ENr 151 ff zu § 292).
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