OGH 12Os71/92

OGH12Os71/9217.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. September 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Rzeszut, Dr. Markel und Dr. Schindler als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Held als Schriftführer in der Strafsache gegen Helmut K* wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. Februar 1992, GZ 12 b Vr 9168/91‑208, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1992:E32020

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlaß wird jedoch gemäß § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen II 1 A 3, 4 und 5 (versuchter Betrug zum Nachteil des Hans P*, des Heinz V* und des Wolfgang S*), im Strafausspruch (einschließlich der Anrechnung der Vorhaft) sowie in den Privatbeteiligtenzusprüchen an Wolfgang S* und Heinz V* aufgehoben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Beseitigung des Strafausspruches verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Der am 3. August 1931 geborene Helmut K* wurde (zu II 1 A) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB, (zu II 1 B) des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB, (zu II 1 C) des Vergehens nach § 114 ASVG und (zu II 1 D) des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er ‑ zusammengefaßt wiedergegeben ‑ (zu II 1 A) gewerbsmäßig betrügerisch im Jahre 1983 der Ingeborg C* ein Darlehen von rund 880.000 S durch Vorspiegelung von Zahlungsfähigkeit und ‑willigkeit herausgelockt (II 1 A 1), am 9. Juli 1985 den Josef W* durch die wahrheitswidrige Behauptung, ein ihm gehöriges Motorboot sei zur Gänze lastenfrei ‑ obwohl es für rückständige Reparaturkosten in der Höhe von 80.000 S haftete ‑ zum Abschluß eines Kaufvertrages über dieses Boot und zur Übergabe von 150.000 S verleitet (II 1 A 2), zwischen 1. November 1985 und Mitte Mai 1986 nachstehende Personen durch die Vorspiegelung von Zahlungsfähigkeit und ‑willigkeit zu Abschlüssen von Kaufverträgen und zur Übergabe der betreffenden Waren zu verleiten getrachtet, und zwar

Hans P* in Ansehung einer Motorjacht im Wert von ca 3,8 Mill S,

Heinz V* mit Bezug auf speziell nach seinen Wünschen hergestellte Gläser im Gesamtwert von 22.500 S und

Wolfgang S* hinsichtlich zweier speziell nach seinen Wünschen gefertigter Schiffsanker im Wert von 6.000 S (II 1 A 3 bis 5),

im April 1985 Mitarbeiter der Firma H* durch die Vorgabe, eine Alarmanlage kurzfristig zur Ansicht mitzunehmen, zur Ausfolgung dieser Anlage im Wert von 995 S verleitet (II 1 A 6),

am 18. April 1986 Mitarbeiter des Bankhauses B* durch die Vorspiegelung, über ein vinkuliertes Sparbuch der (am 13. April 1986 verstorbenen) Dr. Maria F* verfügungsberechtigt zu sein, zur Auszahlung eines Betrages von rund 48.000 S bewogen (II 1 A 7),

im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit der abgesondert verfolgten Veronika B* Anfang August 1989 Verfügungsberechtigten des Albergo de P* durch die Vorspiegelung, ein zahlungsfähiger und ‑williger Pensionsgast zu sein und durch die Benützung des Falschnamens "B*" zur Gewährung von Unterkunft und weiteren Pensionsdienstleistungen im Gesamtwert von ca 6.500 S veranlaßt (II 1 A 8),

im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit der abgesondert verfolgten Veronika B* zwischen Ende Juni 1991 und 7. August 1991 Mitarbeiter der Kranken‑ und Entbindungsanstalt "Goldenes Kreuz" durch die Vorspiegelung, zahlungsfähiger Privatpatient zu sein, sowie unter Benützung der Falschnamen "K* Veronika" und "K* Herbert" zur Erbringung diverser Spitalsdienstleistungen im Gesamtbetrag von rund 365.000 S verleitet (II 1 A 9),

im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit der abgesondert verfolgten Veronika B* zwischen März und August 1991 in mehrfachen Tathandlungen den Eheleuten Hermann und Gisela G* durch die Vorspiegelung, zahlungsfähige und ‑willige Darlehensnehmer zu sein, Bargeld in der Höhe von insgesamt ca 250.000 S und Schmuckstücke im Wert von ca 80.000 S herausgelockt (II 1 A 10);

ferner hat er im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit der abgesondert verfolgten Veronika B* im April 1986 das oben erwähnte Sparbuch der Dr. Maria F*, somit eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, unterdrückt, wobei er mit dem Vorsatz handelte, zu verhindern, daß diese Urkunde zum Beweis von Rechten und Tatsachen, nämlich der Verfügungsberechtigung über dieses Sparbuch, gebraucht werde (II 1 B),

zwischen September und Dezember 1983 als Dienstgeber Beiträge von Dienstnehmern zur Sozialversicherung für die Beitragsmonate August 1983 bis November 1983 in der Gesamthöhe von rund 4.800 S einbehalten und der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse als berechtigtem Versicherungsträger vorenthalten, indem er diese Gelder für andere Zwecke verwendete (II 1 C),

und schließlich im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit der abgesondert verfolgten Veronika B* zwischen 6. April 1986 und 13. April 1986 der Dr.Maria F* Schmuckstücke und andere Vermögenswerte (Teppiche, Gemälde) in einem 25.000 S übersteigenden Wert gestohlen (II 1 D).

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten gegen die Schuldsprüche zu II 1 A 1, A 2, A 3, A 7, A 9, A 10, B und D aus § 281 Abs 1 Z 5 und "9" StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde schlägt fehl.

Der Detailerwiderung ist zusammenfassend voranzustellen, daß die Beschwerde keine formalen Begründungsgebrechen (Z 5) darzutun vermag und daß die Rechtsrüge (ersichtlich Z 9 lit a) durchwegs den Boden der tatrichterlichen Konstatierungen verläßt und damit einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung entbehrt.

Im einzelnen ist auszuführen, daß sich die eine mangelhafte Begründung der im Faktum II 1 A 1 (Betrug an Ingeborg C*) festgestellten Zahlungsunfähigkeit behauptende Beschwerde einerseits in verfälschender Verkürzung über die konstatierte mißliche Situation des Betriebs des Angeklagten (Band IV 125 ff), vor allem aber darüber hinwegsetzt, daß nach den einläßlichen Urteilsdarlegungen in diesem Faktum nicht der fehlenden Zahlungsfähigkeit des Beschwerdeführers, sondern seiner mangelnden Rückzahlungswilligkeit (Band IV S 127, 130, 164 und 166) tragende Bedeutung zukommt. Sofern die Beschwerde aber der Sache nach behauptet, bei der von Ingeborg C* übergebenen Summe habe es sich um eine Geschäftseinlage, nicht aber um ein Darlehen gehandelt und der Angeklagte sei nicht nur rückzahlungsfähig sondern auch rückzahlungswillig gewesen, wendet sie sich ‑ da insoweit weder formale Begründungsfehler noch eine irrige Rechtsanwendung auch nur behauptet werden ‑ in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (Band IV S 161 bis 166).

Die Beschwerdeausführungen im Faktum II 1 A 2 (Betrug zum Nachteil des Josef W*) entbehren, soweit sie unter der "Z 9" des § 281 Abs 1 StPO eine Täuschung des Josef W* bestreiten, einer gesetzmäßigen Darstellung der geltend gemachten materiellen Nichtigkeit, weil sie sich über die konstatierten Täuschungshandlungen (Band VI S 133) hinwegsetzen. Soweit sich die Beschwerde aber auf die Aussage des Zeugen W* in der Hauptverhandlung beruft, wonach er keinen Schaden erlitten habe (Band IV S 63), und damit der Sache nach eine Unvollständigkeit der Begründung (Z 5) reklamiert, läßt sie die diesem Ausspruch folgenden detaillierten Depositionen dieses Zeugen (Band IV S 64 ff) außer Betracht, die keinen Zweifel daran lassen, daß ‑ wie das Erstgericht ausführte (Band IV S 168) - W* vom Angeklagten sehr wohl über die Belastungen des Bootes getäuscht worden war und daß er dieses bei wahrheitsgetreuer Information durch den Angeklagten "natürlich nicht gekauft" hätte (Band IV S 66), in welchem Zusammenhang er hinzufügte, er habe bei der ganzen Sache "bei 200.000 S draufgezahlt" (Band IV S 67). Unter diesen Umständen ist es evident, daß es einer Erwähnung der von der Beschwerde aus dem Zusammenhang gelösten, eingangs zitierten Äußerung des Zeugen W*, er habe keinen Schaden erlitten, nicht bedurfte.

Im Faktum II 1 A 3 (versuchter Betrug zum Nachteil des Hans P*) genügt es der Beschwerde zu erwidern, daß sie in Ansehung der die Zahlungsunfähigkeit und ‑unwilligkeit des Angeklagten getroffenen Feststellungen (Band IV S 134 bis 137) keine formalen Begründungsgebrechen (Z 5) darzutun vermag und sich die darin aufgestellten Behauptungen in allen wesentlichen Punkten in der Wiederholung der vom Schöffengericht mit einläßlicher Begründung als widerlegt erachteten Beschuldigtenverantwortung (siehe Band IV S 169 bis 172) erschöpfen.

Ähnliches gilt mit Bezug auf die Fakten II 1 A 7, B und D, wobei der Angeklagte auch bei diesen Schuldsprüchen im Zuge der Wiederholung seiner Einlassungen darauf verzichtet, die tatrichterlichen Feststellungen (Band IV S 139 bis 147) und die eingehende Würdigung der gegebenen Beweismittel einschließlich seiner und der Verantwortung der Veronika B* einer substantiellen und damit erörterungsfähigen Kritik zu unterziehen.

Da auch die Rechtsrügen ("Z 9") zu den Fakten II 1 A 9 und 10 (Betrügereien zum Nachteil der Kranken‑ und Entbindungsanstalt "Goldenes Kreuz" sowie der Eheleute G*) bloß als unglaubhaft verworfene (Band IV S 179‑181) Sachverhaltsversionen einfach wiederholen, ohne formale Begründungsfehler oder Rechtsirrtümer in überprüfbarer Form auch nur zu behaupten, war die Nichtigkeitsbeschwerde teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§§ 285 d Abs 1 Z 1 und 2, 285 a Z 2 StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugt, daß die zu II 1 A 3, 4 und 5 ergangenen Schuldsprüche (versuchter Betrug zum Nachteil des Hans P*, des Heinz V* und des Wolfgang S*) an einer vom Angeklagten nicht relevierten, von Amts wegen wahrzunehmenden materiellen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a bzw Z 10 StPO) leiden (§ 290 Abs 1 StPO).

Zur Verwirklichung des Tatbestandes des (vollendeten) Betruges nach § 146 StGB muß der Täter einen anderen durch Täuschung über Tatsachen zu einer sich selbst oder einen Dritten schädigenden Vermögensverfügung verleiten; dazu ist ein tätergewollt unmittelbarer Einfluß des täuschungsbedingten Irrtums, sei es auch nur als einer von mehreren Faktoren, auf den für die selbstschädigende Verfügung des Getäuschten maßgebenden Motivationsprozeß vorauszusetzen. Bloß vorbereitende Täuschungshandlungen, die das Gelingen einer späteren derartigen Irreführung ermöglichen oder erleichtern sollen, ohne selbst für den durch jene Täuschung auszulösenden Willensentschluß des Getäuschten zumindest mitbestimmend zu sein, entsprechen, weil nach dem Vorgesagten die vom Täter gewollte Bereicherung sich unmittelbar aus der Handlung, Duldung oder Unterlassung ergeben muß, durch welche der Getäuschte sich oder einen Dritten schädigt ("Stoffgleichheit" von Schaden und Bereicherung), diesem Erfordernis nicht und kommen daher weder als tatbestandsmäßige Ausführungshandlungen im Sinne des § 146 StGB, noch als ausführungsnahe Handlungen im Sinn des § 15 Abs 2 StGB dazu in Betracht; wäre doch ‑ erfolgsbezogen (nicht unbedingt auch erfolgsnah) ‑ die wenn auch nur potentielle Gefahr einer betrugsspezifischen Rechtsgutbeeinträchtigung konkret erst mit einer auf die Sachherausgabe selbst gerichteten weiteren Irreführungshandlung, welcher, dem Tatplan entsprechend, hier wohl entscheidendes Gewicht zukäme, eingetreten (vgl hiezu Kienapfel BT II2 § 146 StGB RN 97, 106, 249 f, Karollus in JBl 1989, 627 ff, vor allem 635 f, Leukauf‑Steininger 3 § 146 StGB RN 59 und Bertel‑Schwaighofer, Österr. Strafrecht BT I § 146 StGB Rz 34).

Vorliegend hat nun das Schöffengericht zwar einläßlich dargetan, auf welche Weise der Angeklagte die betreffenden Lieferanten über seine Zahlungsfähigkeit und ‑willigkeit dolos täuschte, es aber unterlassen, festzustellen, durch welche (zusätzliche) Irreführungshandlungen der Angeklagte die Verfügungsmacht über die Jacht (Hans P*), die bestellten Glaswaren (Heinz V*) und die Zier‑Schiffsanker (Wolfgang S*) erlangen wollte. Denn daß er in allen diesen Fällen die zunächst vereinbarten Liefertermine unter Ausflüchten verschob und bei V* und S* überdies um Bekanntgabe der Rechnungsbeträge und der Kontoverbindung ersuchte, kann gewiß nicht als zur Sachübertragung dienliche Täuschung angesehen werden.

Da der aufgezeigte Feststellungsmangel vom Obersten Gerichtshof nicht saniert werden kann, die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung mithin unumgänglich ist, war bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung mit einer Kassierung der betreffenden Schuldsprüche und folglich auch der darauf basierenden Privatbeteiligtenzusprüche sowie des Strafausspruches und mit dem Auftrag zur Verfahrenserneuerung in diesem Umfang vorzugehen (§ 285 e StPO).

Falls im fortgesetzten Rechtsgang keine zusätzlichen, die Sachübergabe betreffenden betrügerischen Verhaltensweisen des Angeklagten zutage treten sollten, wird zu beachten sein, daß bei absichtlicher Schadenszufügung gegenüber den Lieferfirmen § 108 StGB in Betracht kommen könnte (Leukauf‑Steininger 3 aaO RN 60).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Kassierung des Strafausspruchs zu verweisen.

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